Angetreten war Albin Kurti mit dem Versprechen, Korruption und organisierte Kriminalität im Land zu bekämpfen. Doch nach nur sieben Wochen wurde er gestürzt. Vordergründig ging es um einen Streit um die Vorgehensweise in der Bekämpfung der Corona-Krise. Kurtis links-nationalistische Partei Vetëvendosje! (Selbstbestimmung, 29 Sitze) regierte zusammen mit der konservativen Demokratischen Liga des Kosovo (LDK, 28 Sitze) und einigen Parteien der ethnischen Minderheiten.
Auslöser des Streits war die Entlassung des von der LDK gestellten Innenministers Agim Veliu. Er hatte gefordert den Ausnahmezustand auszurufen. Doch Kurti war dagegen. Denn der Ausnahmezustand würde dem Präsidenten des Landes, Hashim Thaçi, mehr Durchgriffsrechte gewähren. Zwischen den beiden spielte sich in den vergangenen Wochen ein Machtkampf ab, den nun Thaçi gewonnen haben dürfte.
Misstrauensvotum mit Hilfe aus Washington
Zahlreiche Abgeordnete der LDK taten sich mit den oppositionellen Kräften zusammen und führten zu einem Misstrauensvotum im Parlament. Vergangene Woche, am späten Mittwochabend, verlor der kosovarische Premierminister. Von den insgesamt 120 Abgeordneten sprachen ihm 82 das Misstrauen aus und wählten ihn somit ab.
Mit Thaçi siegte auch Washington. Denn der ehemalige Kommandeur der kosovo-albanischen paramilitärischen Organisation UÇK gilt als Verbündeter des Sondergesandten für Kosovo und Serbien, Richard Grenell. Er mahnte schon seit Monaten, Priština müsse die 100-Prozent-Zölle auf Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowina schleunigst zurücknehmen. Sein Ziel: Die Verhandlungen zwischen Belgrad und Priština über eine Lösung des Konflikts, die Serbien derzeit auf Eis gelegt hat, sollen so schnell wie möglich fortgesetzt und auch beendet werden. Es wurde immer öfter in den Medien über einen möglichen Deal spekuliert. Ein Territorialaustausch zwischen den zwei Seiten nach ethnischen Kriterien stand offenbar wieder zur Diskussion. Grenell dementierte dies.
Thaçi und Serbiens Präsident Aleksandar Vučić wurde aber schon öfter in ihren Ländern durch oppositionelle Politiker vorgeworfen, sie würden an einem solchen Plan arbeiten und damit den jahrelangen Konflikt beenden wollen. Im Jahr 2008 hatte die abtrünnige serbische Provinz ihre Unabhängigkeit ausgerufen, doch Belgrad erkennt das offiziell bisher nicht an.
Washington mit US-Präsident Donald Trump zeigte sich bisher offen für die Idee eines Austauschs der Landesteile. Auch im derzeitigen Wahlkampf für die US-Präsidentschaft könnte eine Verkündung des Deals gut ankommen. Richard Grenell soll enorm Druck ausgeübt haben. Doch Berlin und Paris gingen contra. Aus Deutschland hieß es stets: keine neuen Grenzverschiebungen auf dem Balkan. Kurti war auch dagegen. Er verlangte: Serbien soll Kosovo als Staat in diesen Grenzen anerkennen.
Wird Serbiens Präsident Kosovos Unabhängigkeit anerkennen?
Dem serbischen Präsidenten werde vor allem aus den Reihen der Opposition vorgeworfen, er wäre bereit so einem Deal zuzustimmen. Er hatte es bisher vermieden, kategorisch so eine Option auszuschließen. Stets betonte er, dass Serbien schmerzhafte Entscheidungen auf den Weg in die EU hinnehmen müsste. Zudem habe Serbien nun vielleicht eine Chance, doch etwas zurückzubekommen, bevor alles verloren sei.
Die Opposition bemängelt, dass der Westen bei zahlreichen Missständen in Serbien ein Auge zudrücke – etwa in Fragen zur Situation der Presse, vor allem im Hinblick auf staatlich kontrollierte Medien, Justiz und Korruption. Analytiker, die eher der Opposition gesonnen sind, verweisen darauf, dass Vučić bereit sei, Kosovo aufzugeben. Die Frage bleibt nur, wie dem ehemaligen Ultranationalisten der Spagat gelingt. Denn in Serbien will ein Politiker auf keinen Fall in die Geschichte eingehen als der Verräter Kosovos.
Im Kosovo ist Kurtis Niederlage auch eine Niederlage Berlins. Kurz vor dem Misstrauensvotum stellte sich der Botschafter Deutschlands in Kosovo, zusammen mit dem französischen Kollegen, auf Kurtis Seite. Doch Washington hat den Europäern mit diesem Machtkampf gezeigt, wessen Einfluss in Priština größer ist.
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