"Täuschungsmanöver": Streit um mutmaßliche Auflösung des AfD-"Flügels"

Am Freitag setzte der AfD-Bundesvorstand der umstrittenen Strömung "Der Flügel" eine Frist zur Selbstauflösung. Jedoch ist noch unklar, wie und wann dies geschehen soll. Politiker von CDU, SPD und Linken sprechen von einem taktischen "Täuschungsmanöver".

Nach massivem Druck der Parteiführung hatte sich Björn Höcke, der Gründer der AfD-internen Vereinigung "Der Flügel", zuletzt bereiterklärt, die Aktivitäten der Gruppierung "herunterzufahren".

Was das konkret zu bedeuten habe, ließ Höcke allerdings offen. Gleichzeitig kritisierte dieser den Beschluss des Bundesvorstandes, der am Freitag vom "Flügel" eine Selbstauflösung bis Ende April gefordert hatte.

Der Bundesvorstand ist das höchste Exekutivorgan der Partei. Als Konservativer pflege ich die Institutionen, auch wenn ich weiß, welche irrationalen Dynamiken in mehrstündigen Sitzungen solcher Gremien ablaufen", erklärte Höcke demnach am Samstagabend in einem Interview mit dem als "neu-rechts" bezeichneten Verleger Götz Kubitschek.

Der Prozess der "Historisierung" des Flügels werde laut Höcke ohnehin längst umgesetzt. Die Forderung des Parteivorstandes käme daher zum falschen Zeitpunkt.

Die AfD habe sich in den knapp fünf Jahren seit der "Flügel"-Gründung sehr gut entwickelt, daher brauche man nun "einen Impuls, der über den Flügel hinausweist und die Einheit der Partei betont", erklärte Höcke.

Währenddessen hatte "Der Flügel" am späten Samstagabend auf seiner Facebook-Seite erklärt:

Die kursierenden Medienmeldungen über einen angeblich heute gefassten "Beschluss zur Auflösung des Flügels" sind unzutreffend.

Zutreffend sei vielmehr, dass man sich derzeit intensiv mit der Bewertung und möglichen fristgemäßen Umsetzung des Bundesvorstandsbeschlusses beschäftige.

Wir mahnen alle Mitstreiter zur Gelassenheit", hieß es weiter.

Dahingegen betonte Parteichef Jörg Meuthen am Sonntag:

Wir erwarten nicht lediglich eine formale Erklärung der Auflösung, sondern eine ganz konkrete Abschaffung der bestehenden institutionellen und organisatorischen Strukturen des "Flügels".

Parteiausschlüsse oder Absetzungen von Posten beinhaltete die Forderung des AfD-Bundesvorstandes demnach jedoch ohnehin nicht. Derweil sprach die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) von einem "durchsichtigen Täuschungsmanöver" des Flügels.

So würden weder der "Rassismus der AfD" noch der "Einfluss von Faschisten wie Björn Höcke" weniger, wenn sich der "Flügel" auflöst.

Zu glauben, die AfD würde durch diesen Trick auch nur ein wenig demokratischer, ist, als würde man einen Eiswürfel in Wasser auflösen und dann behaupten, er sei verschwunden", so Renner.

Wie der stellvertretende CDU-Unionsfraktionsvorsitzende im Bundestag, Thorsten Frei gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärte, habe man es mit einem "durchsichtigen PR-Manöver" zu tun, "um den rechtsextremistischen Gehalt der Partei zu verschleiern".

Wenn die AfD sich wandeln und gegen den Rechtsextremismus in ihren Reihen vorgehen will, muss sie die Protagonisten des "Flügels" aus der Partei ausschließen. Dazu fehlt ihr aber offensichtlich der Wille", kritisierte er.

Zudem hätten sich die Mitglieder im "Flügel" durch "ihre unbedingte Gefolgschaft gegenüber den Leitfiguren Björn Höcke und Andreas Kalbitz" hervorgetan.

Von einem "Täuschungsmanöver" sprach auch Eva Högl, die stellvertretende Fraktionschefin der SPD im Bundestag.

Die AfD führt die Leute mit dieser Ankündigung an der Nase herum. (...) Ein konsequentes Vorgehen wäre es, die Mitglieder aus der Partei auszuschließen", erklärte die SPD-Politikerin.

Diese Einschätzung teilt der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk allerdings nicht.

Es gibt, würde ich sagen, und da bin ich bei Björn Höcke, einen Großteil der Menschen, die sich unter dem Logo des Flügels versammelt haben, das sind fantastische, großartige Leute, die ich aus dem eigenen Leben kenne. Die kenne ich aus dem Bundestag in der Zusammenarbeit", erklärte Gottschalk nun gegenüber dem Deutschlandfunk.

Daher müssten die "konstruktiven Kräfte" innerhalb des Flügels "integraler Bestandteil" der AfD bleiben.

Und deswegen sage ich, es ist gut so. Ich hoffe, alle konstruktiven Kräfte, die es im Flügel gibt – und davon kenne ich viele und mit denen arbeite ich in Nordrhein-Westfalen wie auch auf Bundesebene vernünftig und gut zusammen, die sollen und müssen weiter integraler Bestandteil unserer Partei sein", so der AfD-Politiker weiter.

Höcke persönlich mag Gottschalk nicht als Rechtsextremisten bezeichnen. Vielmehr erwarte er "von allen Personen, die als so was bezeichnet worden sind, dass sie entsprechend gegen die Institution vorgehen, die Unterlagen offenlegen lässt."

Hier sind ja auch viele Behauptungen aufgestellt worden", erklärte Gottschalk zur Causa Höcke.

Flügel-Mann Höcke hatte erst vor wenigen Tagen für Kontroversen gesorgt, nachdem er bei einem geheimen Treffen vom "Flügel" in Schnellroda gefordert hatte, parteiinterne Kritiker "auszuschwitzen".

Die, die nicht in der Lage sind, das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch mal ausgeschwitzt werden", war Höcke demnach überzeugt.

Höcke ist jedoch nicht der Erste, der diesen höchst umstrittenen Ausdruck im Zusammenhang mit der AfD nutzte. Auf Einladung des damaligen AfD-Parteichefs Bernd Lucke und dessen Vize Hans-Olaf Henkel besuchte der Ex-BDI-Chef Heinrich Weiss im September 2014 die AfD-Fraktion im Brüsseler Europaparlament.

Die Rechten muss die AfD wieder ausschwitzen, um mittelfristig erfolgreich zu bleiben", hatte Weiss damals noch im Hinblick auf AfD-Mitglieder aus dem rechtsextremen Milieu gefordert. 

Wie der Großaktionär und Vorsitzende des Gesellschafterausschusses des Industriekonzerns SMS Group (ehemals SMS Siemag AG) damals forderte, solle sich die Partei wieder mehr auf eine liberale Wirtschaftspolitik konzentrieren.

Der "Flügel" der AfD soll heute laut Schätzungen über etwa 7.000 Mitglieder verfügen.

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