Thüringen: Lieberknecht zieht sich zurück und fordert von CDU Zusammenarbeit mit der Linken

Thüringens ehemalige CDU-Ministerpräsidentin Lieberknecht hat sich aus den Gesprächen über eine Übergangsregierung mit ihr an der Spitze zurückgezogen. Ihre Partei forderte sie zugleich zur Zusammenarbeit mit der Linken und zur Ramelow-Wahl auf.

Sie sollte helfen, dass Thüringen aus der Regierungskrise kommt, doch nun winkt Christine Lieberknecht ab. Die CDU-Politikerin und Thüringens ehemalige Ministerpräsidentin steht nicht mehr für eine Übergangsregierung mit dem Ziel schneller Neuwahlen zur Verfügung. Grund seien die sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Linke, SPD und Grünen sowie der CDU über den Zeitpunkt von Neuwahlen, sagte Lieberknecht am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Erfurt.

Lieberknecht: Thüringen-CDU soll "parlamentarische Vereinbarung mit der Linken" schließen

Sie habe über ihre Entscheidung sowohl den Ex-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow als auch CDU-Vize Mario Voigt informiert. Ramelow hatte zu Wochenbeginn überraschend seine Amtsvorgängerin als Interimschefin einer "technischen Regierung" mit drei Ministern aus den Reihen von Rot-Rot-Grün ins Spiel gebracht. Sie sollte Neuwahlen des Landtags in 70 Tagen vorbereiten, der zuvor seine Auflösung beschließen sollte.

Die 61-Jährige hatte sich im vergangenen Herbst aus der aktiven Politik zurückgezogen, hatte sich jedoch laut Ramelow bereit gezeigt, die Übergangsregierung in Thüringen anzuführen und mit ihrem Einsatz den "Gordischen Knoten" zu durchschlagen. Nun lehnte sie ab und riet ihrer Partei zum absoluten Tabubruch – Kooperation mit der Linken.

Wer keine Neuwahlen will, muss Bodo Ramelow zu einer Mehrheit im Landtag verhelfen", sagte Lieberknecht.

Die CDU-Politikerin, die in Thüringen seit 1990 auch Ministerin, Landtagspräsidentin und Parteichefin war, forderte nun ihre Partei auf, eine "verlässliche parlamentarische Vereinbarung mit der Linken" zu schließen. Das sei ihrer Meinung nach der einzige Weg, um zu stabilen politischen Verhältnissen in Thüringen zu kommen. Die Vereinbarung dürfe sich nicht nur auf die Wahl Ramelows zum Ministerpräsidenten beziehen, sondern müsse ein "dauerhaft verlässliches Regierungshandeln ermöglichen". 

Nach einem Bundesparteitagsbeschluss kann aber die CDU nicht mit der AfD und auch nicht mit der Linken zusammenarbeiten. Lieberknecht betonte, dass sie den Unvereinbarkeitsbeschluss ihrer Partei kenne, jedoch sehe sie auch, dass die reale politische Situation in Thüringen zu berücksichtigen sei.

Auch Thüringens CDU-Landespartei- und Fraktionschef Mike Mohring kritisierte am Mittwoch erneut den CDU-Parteitagsbeschluss.

Wir kreisen immer wieder um diese gleiche Frage", sagte Mohring in Erfurt.

Es gehe darum, wie man mit einem Parteitagsbeschluss umgehe, "der richtig war, als er gefasst wurde und im Grunde auch heute noch richtig ist, aber nicht mehr auf die Lebensrealitäten passt", sagte der 48-Jährige. "Kann so ein Parteitagsbeschluss mehr wirken als das Wohle des Landes?", fragte Mohring.

Linke sieht zwei Wege aus der Krise: Schnelle Neuwahlen oder Ramelow-Wahl

Am Dienstag war die CDU-Fraktion zunächst nur teilweise auf Ramelows Überraschungsangebot eingegangen. Sie sprach sich für Lieberknecht an der Spitze einer Übergangsregierung aus, forderte jedoch, dass sie "vollständig besetzt und parteiübergreifend von berufenen Experten bestellt wird". Die Regierung soll unter anderem dafür sorgen, dass für 2021 ein Thüringer Haushalt aufgestellt wird. Der wird jedoch in der Regel erst im Dezember verabschiedet, womit die Neuwahlen frühestens zum Jahresende stattfinden könnten.

Am Dienstagabend hatten die Spitzenvertreter der CDU und Rot-Rot-Grün stundenlang in Erfurt verhandelt, doch ohne Einigung. Streitpunkt ist der Zeitpunkt für Neuwahlen. An diesem Mittwochnachmittag sollen die Verhandlungen fortgesetzt und möglichst bis Freitag abgeschlossen werden, sagte die Parteivorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow.

Am Mittwoch forderte sie die CDU auf, den Weg für eine zügige Neuwahl in Thüringen frei zu machen oder Bodo Ramelow aktiv zu unterstützen. Es gebe nur zwei Wege, so Hennig-Wellsow.  

Entweder die CDU macht den Weg frei für unverzügliche Neuwahlen oder sie unterstützt Bodo Ramelow aktiv bei der MP-Wahl mit einer anschließenden Tolerierung von Rot-Rot-Grün", erklärte sie.

Der Linke-Politiker Ramelow ist weiterhin bereit, sich einer erneuten Ministerpräsidentenwahl zu stellen – wenn es dafür eine Mehrheit im Landtag ohne AfD-Stimmen gibt. Seinem favorisierten Bündnis aus Linke, SPD und Grünen fehlen vier Stimmen für eine Mehrheit. Um die Auflösung des Parlaments in Thüringen zu beschließen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 90 Abgeordneten nötig – also 60 Stimmen. Linke, SPD und Grüne kommen zusammen nur auf 42 Sitze im Parlament. Gebraucht wird damit die Unterstützung der CDU mit ihren 21 Sitzen.

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(rt/dpa)