Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat in einem Urteil entschieden, dass das Sozialamt das Geld zurückfordern darf, das eine Person ihren Angehörigen zum Kapitalaufbau gezahlt hat. Im konkreten Fall hatte eine Großmutter ihren Enkeln monatlich jeweils 50 Euro auf deren für 25 Jahre angelegte Sparkonten eingezahlt, um für sie Kapital anzusparen. Das Geld zweigte die Frau von ihrer Rente in Höhe von 1.250 Euro ab; die Zahlungen liefen über elf bzw. neun Jahre.
Als die Frau in eine vollstationäre Pflegeeinrichtung kam, wurden die Zahlungen eingestellt. Die Heimunterbringung konnte die Frau aus eigener Kraft nicht bezahlen, so dass der Sozialhilfeträger einsprang. Dieser Träger forderte daraufhin von den Enkeln das Geld zurück, das sie in den vergangenen zehn Jahren von ihrer Großmutter erhalten hatten.
Das OLG Celle befand nun, dass der Träger rechtmäßig gehandelt habe. Die jahrelangen Zahlungen an Familienangehörige zum Kapitalaufbau stellten keine "privilegierten Schenkungen" im Sinne von § 534 BGB dar. Der Sozialhilfeträger dürfe sie deshalb von den beschenkten Familienangehörigen zurückfordern, "wenn der Schenker selbst bedürftig wird und deshalb Leistungen von einem Sozialhilfeträger bezieht". Geschützt vor dem Zugriff des Trägers seien nur geleistete Schenkungen, sogenannte Pflicht- und Anstandsschenkungen.
Mit seiner Forderung nach Rückzahlung von den Enkeln war der Sozialhilfeträger vor dem zuständigen Landgericht zunächst gescheitert. Das Landgericht hatte die Zahlungen als "Anstandsschenkungen" eingestuft und die Klage des Trägers abgewiesen. Der Träger legte Berufung ein und bekam vor dem Oberlandesgericht Recht. Die Zahlungen der Frau an ihre Enkel stellten weder eine sittlich gebotene "Pflichtschenkung" noch eine auf moralischer Verantwortung beruhende "Anstandsschenkung" dar. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:
Als solche könnten zwar anlassbezogene Geschenke, z. B. zu Weihnachten und zum Geburtstag, zu werten sein, die die Enkel ebenfalls von ihrer Großmutter bekommen hatten. Hier spreche aber nicht nur die Summe der jährlich geleisteten Beträge in Anbetracht der finanziellen Verhältnisse der Großmutter gegen ein dem Anstand entsprechendes Gelegenheitsgeschenk, auch der Zweck der Zuwendungen (Kapitalaufbau) spreche gegen eine solche Charakterisierung der Zahlungen, die gerade nicht als Taschengeld an die Enkel geleistet wurden.
Der Rückforderungsanspruch des Trägers hänge auch nicht davon ab, ob bei Beginn der Zahlungen absehbar war, dass die Großmutter später einmal pflegebedürftig werden würde.
Das Oberlandesgericht ließ keine Revision zu. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann innerhalb eines Monats Beschwerde eingelegt werden. Über eine solche Beschwerde hätte der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden. Wird keine Beschwerde eingelegt, wird die Gerichtsentscheidung rechtskräftig.
Das gerichtlich sanktionierte, harte Vorgehen der Behörden gegen die Schwächsten der Gesellschaft kontrastiert aufs Schärfste mit ihrem Umgang mit mächtigeren Akteuren. So "verzichtete" die Stadt Hamburg im Kontext des Cum-Ex-Skandals auf eine Erstattung nicht entrichteter Steuern in Höhe von 47 Millionen Euro von der Hamburger Warburg-Bank.
Mehr zum Thema - "Übliche Praxis": Hamburger SPD erhielt Spenden von Warburg-Bank