Knapp zwei Wochen nach dem Debakel bei der Thüringer Ministerpräsidentenwahl wollen Vertreter von Linken, SPD und Grünen an diesem Montag in Erfurt mit CDU-Abgeordneten über Auswege aus der Regierungskrise sprechen. Die Christdemokraten lehnen es bislang ab, den früheren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) aktiv zum Amt des Regierungschefs zu verhelfen.
Ramelow will sich erneut einer Ministerpräsidentenwahl stellen, wenn sich für ihn eine Mehrheit ohne AfD-Stimmen findet – dafür sind mindestens vier Stimmen von CDU oder FDP nötig. Den Christdemokraten verbietet ein Bschluss des Bundesparteitages jede Form der Zusammenarbeit sowohl mit der AfD als auch mit den Linken. Linke, SPD und Grüne kommen gemeinsam im Parlament Thüringens aber nur auf 42 Stimmen, für eine absolute Mehrheit werden mindestens 46 Stimmen gebraucht.
CDU hatte zuletzt erkennen lassen, sich womöglich bei einer neuen Ministerpräsidentenwahl zu enthalten
Die Ministerpräsidentenwahl Anfang Februar hatte bundesweit für Aufsehen und Empörung gesorgt. Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich war im dritten Wahlgang mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP zum Regierungschef gewählt worden. Drei Tage später trat der 54-Jährige zurück und ist seitdem lediglich geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt sein wird.
Die CDU hatte zuletzt durchblicken lassen, sich bei einer neuen Wahl womöglich zu enthalten, so dass Ramelow wiederum in einem dritten Wahlgang die dann nur noch erforderliche relative Mehrheit erhalten könnte.
Ramelow war zuletzt auf die CDU zugegangen. Er sei bereit, sich mit der CDU auf Aufgaben wie den Landesetat für 2021 oder ein Investitionsprogramm für die Kommunen zu verständigen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt.
Ich hoffe, dass es gelingt, Verabredungen mit der CDU zu treffen, so dass die beginnende Staatskrise möglichst abgewendet wird", so Ramelow.
"Inflationärer Gebrauch von Begriffen wie Faschismus und Staatskrise": Scharfe Kritik der FDP-Generalsekretärin an Ramelow
Der 64-Jährige hatte vorgeschlagen, dass er nach seiner Wahl den Weg für eine geordnete Neuwahl frei macht – möglichst nach einer Einigung über den Etat für 2021, um Thüringen bis zu neuen Landtagswahlen handlungsfähig zu halten.
Auch eine Vereinbarung für Neuwahlen müssen wir zusammen treffen", betonte Ramelow im dpa-Gespräch.
Für eine Auflösung des Thüringer Landtags sind 60 der 90 Stimmen nötig. Rot-Rot-Grün haben zusammen 42 Stimmen, die CDU 21 und die FDP 5.
FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg übte scharfe Kritik an dem früheren Ministerpräsidenten.
Bodo Ramelow handelt dem Ernst der Lage nicht angemessen und heizt durch inflationären Gebrauch von Begriffen wie Faschismus und Staatskrise die Stimmung an, statt zur Beruhigung und Lösung beizutragen", sagte sie der Zeitung Die Welt.
Am Samstag hatten in Erfurt – ungeachtet des Rücktritts von Kemmerich – tausende Menschen gegen die Wahl des Regierungschefs unter Mithilfe der AfD protestiert. Die AfD-Fraktionschefin im Bundestag, Alice Weidel, erklärte hingegen, ihre Partei sei nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen "zum politischen Felsen geworden, an dem die etablierten Parteien wie Nussschalen zerschellen". Dafür verdiene der Thüringer AfD-Partei- und -Fraktionschef Björn Höcke "höchsten Respekt", erklärte Weidel auf einem Sonderparteitag der AfD von Baden-Württemberg in Böblingen, auf dem sie zur Landesvorsitzenden gewählt worden war.
Thüringer AfD-Chef Björn Höcke am Montag bei Pegida in Dresden
Höcke wird an diesem Montag – nahezu zeitgleich zu dem Vierergespräch der übrigen Parteien in Erfurt – beim 200. Protestmarsch der Pegida-Bewegung in Sachsens Landeshauptstadt Dresden erwartet. Auch dagegen regt sich breiter Protest. Unter dem Motto "Demokratie braucht Rückgrat" riefen am Sonntag die Kreisverbände der Dresdner CDU und FDP sowie die Sächsische Bibliotheksgesellschaft (SäBiG) zu einer Kundgebung auf.
Unterstützt wird die Demonstration vom Landesverband Sachsen der Jüdischen Gemeinden, von Kirchen und Privatpersonen, auch von Sachsens Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU), vom Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) und vom neuen Ost-Beauftragten der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU).
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(dpa/rt)