Die Kinder-Onkologie der Berliner Charité nahm im Dezember mehr als zehn Tage lang keine neuen Patienten auf. Der vorläufige Aufnahme-Stopp erfolgte wegen Personalmangel. Zehn von 50 Mitarbeitern fehlten, vor allem im Pflegebereich, sagte der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei im RBB. In den vergangenen anderthalb Jahren sollen laut Bericht zwölf Pflegekräfte das Team verlassen haben – wegen Überlastung infolge fehlenden Personals und wegen der großen emotionalen Belastung im Umgang mit den schwer erkrankten Kindern. Neu an Krebs erkrankte Kinder und Jugendliche sollten ersatzweise an andere Behandlungszentren wie etwa in Cottbus oder Hannover vermittelt werden.
Bundesweit 17.000 Pflegestellen offen – Mangel auch bei Ärzten
Doch Berlin ist kein Einzelfall. Die Personalnot in deutschen Kliniken nimmt weiter zu – und zwar sowohl im Pflegebereich als auch beim ärztlichen Personal. Nach einer aktuellen Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) haben inzwischen vier von fünf Krankenhäusern Probleme, offene Stellen für die Pflege zu besetzen. Bundesweit seien 17.000 Pflegestellen offen, berichtet der Tagesspiegel, der Einblick in die Befragungsergebnisse nehmen konnte.
Bei den Ärzten sieht es nach diesem Bericht nicht viel besser aus. 76 Prozent der fast 2.000 Kliniken im Land bemühten sich derzeit, Mediziner für vakante Posten zu finden. Die Folgen des Fachkräftemangels: In jedem dritten Krankenhaus durften dem Bericht zufolge zeitweise Intensivbetten nicht belegt werden, und Fachbereiche mussten für eine eventuelle Notfallversorgung abgemeldet werden.
Die Zahlen stammen nach Angaben der Zeitung aus dem neuen Krankenhaus-Barometer des DKI. Sie verdeutlichten, "welch ungeheurer Handlungsdruck besteht, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern", sagte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, der Zeitung. Die Politik müsse "dringend wirksame Gegenmaßnahmen zur Entlastung des Personals ergreifen, sonst steuern wir auf eine ernste Versorgungskrise hin".
Die Zahl der vakanten Pflegestellen habe sich der Umfrage zufolge seit 2016 enorm erhöht – in der Intensivmedizin um 50 Prozent, auf Allgemeinstationen sogar um mehr als 200 Prozent, berichtet der Tagesspiegel.
Besseren Bezahlung von Pflegekräften gefordert
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, verlangte "eine konzertierte Aktion für die Zukunft der Krankenhäuser in Deutschland". Denn "den Notstand haben viele zu verantworten. So geben die Bundesländer seit Jahren kaum etwas für die Instandhaltung und Modernisierung der Häuser aus", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Auch gehe die Einrichtung zusätzlicher Studienplätze nur schleppend voran.
11.000 Studienplätze reichen nicht aus. Wir brauchen 6.000 mehr", so Brysch.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hielt er vor, dem "ungeordneten Sterben" der Krankenhäuser zuzusehen. Dabei gelte es, den ländlichen Raum zu stärken und die Überversorgung der Ballungszentren zu regulieren. Im Übrigen würden immer mehr alte und chronisch kranke Menschen versorgt werden müssen. "Das wird Geld kosten." Aber "eine bundesweite strategische Finanzen-Planung fehlt".
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach sagte dem Tagesspiegel, der Mangel an Pflegekräften und Ärzten an deutschen Kliniken werde zur Gefahr für das Wohl der Patienten. Der Mangel an Ärzten führe dazu, dass Klinikpatienten nicht mehr in jedem Fall eine angemessene Behandlung bekämen.
Und infolge des Personalnotstands bei den Pflegekräften steigt erwiesenermaßen die Sterblichkeit der Patienten", ergänzte Lauterbach.
Der SPD-Politiker forderte neben einer besseren Bezahlung von Pflegekräften die schnelle Einführung einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Die Pläne von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben, würden nicht zu einer deutlichen Verbesserung der Situation führen. Lauterbach sprach sich dafür aus, ab jetzt 5.000 zusätzliche Medizinstudenten zuzulassen. "Wir brauchen jetzt eine konzertierte Aktion der großen Koalition, um die Misere an den Kliniken zu beheben."
"Personalnotstand in den Krankenhäusern nicht vom Himmel gefallen"
Die Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, kritisierte:
Der Personalnotstand in den Krankenhäusern ist nicht vom Himmel gefallen. Er hat seine Ursache in einem politisch gewollten Kostenwettbewerb und einer ständig steigenden bürokratischen Überlast. Hier ist die Politik gefordert, endlich für bessere Rahmenbedingungen zu sorgen.
Wer die Realität in den Kliniken erlebe, wisse schon längst, welche Folgen der Personalnotstand für die Beschäftigten und die Patienten habe. "Die Arbeitsbedingungen müssen sich dringend verbessern. Nur dann werden Pflegende und Ärzte für vakante Stellen gewonnen werden können."
(rt deutsch/dpa)