"Doktor der Stasi" – Die DDR-Hexenjagd geht weiter

Roland Jahn, Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, hat eine neue Idee. Wer bei der Staatssicherheit der DDR promovierte, soll künftig seinen Doktortitel mit dem Zusatz "Stasi" führen müssen. Einen praktischen Nutzen gibt es nicht, doch um den geht es auch nicht.

Im Jahre 30 nach der sogenannten Wende in der DDR möchte Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Unterlagen des früheren Ministeriums für Staatssicherheit, erreichen, dass promovierte Offiziere der Staatssicherheit ihren Doktortitel mit dem Zusatz "Stasi" führen müssen. Der akademische Titel könne wegen des Einigungsvertrages nicht aberkannt werden, so Jahn bedauernd gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb solle dieser Zusatz wenigstens für Klarheit sorgen:

Doktor der Stasi – das wäre dann echte Transparenz.

Jahn nannte die Doktorarbeiten "Dokumente des Selbstverständnisses" des Geheimdienstes. In den Arbeiten seien etwa die Zersetzung des persönlichen Lebens von Andersdenkenden oder die Bekämpfung der politischen Opposition erörtert worden:

Das waren Anleitungen zur Verletzung der Menschenrechte.

Dies sei für Doktorarbeiten nicht akzeptabel und müsse jetzt politisch angegangen und hinterfragt werden, so Jahn weiter.

Nach Angaben von Jahns Behörde wurden die meisten Doktortitel an der geheimen Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Potsdam erworben, die nach außen als Juristische Hochschule firmierte. Dort seien insgesamt 174 Promotionsarbeiten von insgesamt 485 Autoren verfasst worden. In den meisten Fällen seien die Arbeiten von mehreren Doktoranden geschrieben worden, was im Gegensatz zu heutigen Promotionsordnungen stehe.

Fast drei Jahrzehnte nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes dürfte nur ein sehr überschaubarer Teil der betroffenen promovierten Mitarbeiter im Berufsleben oder in irgendeiner Weise in der Öffentlichkeit stehen. Anders gesagt: Die Hexen sterben aus, die Hexenjagd geht weiter.

Abgesehen von der persönlichen Demütigung für die wenigen Betroffenen ist die praktische Relevanz dieses Vorschlags damit gleich null. Es geht offenbar einmal mehr darum, die DDR möglichst finster darzustellen und die Menschen davon abzuhalten, in diesem Teil der Vergangenheit Lösungsansätze für die wachsenden Probleme der Gegenwart zu sehen.

Eigentlich überflüssig zu erwähnen: Ein ähnlicher Umgang wie der hier angedachte mit akademischen Funktionsträgern des NS-Regimes ist aus der Geschichte der Bundesrepublik nicht überliefert. Natürlich wäre dies auch kaum vorstellbar gewesen, waren doch die neuen Eliten der jungen BRD weitgehend die alten.

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