Die Suche der SPD nach einer neuen Führungsspitze ist am Dienstag dieser Woche in die wohl entscheidende Phase gegangen. Die etwa 425.000 Mitglieder der Partei können in einer Stichwahl zwischen den beiden Spitzen-Duos der Kandidaten Olaf Scholz und Klara Geywitz oder Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken wählen. Indirekt gilt diese Entscheidung auch als ein Votum über den Fortbestand der "Großen Koalition" von Union und SPD.
Am 30. November soll das Ergebnis dieses Mitgliederentscheids verkündet werden, das eine Woche später auf einem Parteitag noch bestätigt werden muss. Es gilt als sicher, dass die Delegierten dort dem Votum der Parteimitglieder an der Basis folgen werden.
Das Duo von Bundesfinanzminister Scholz und der Brandenburger Landtagsabgeordneten Geywitz geht leicht favorisiert in die Abstimmung. Mit ihnen an der Spitze der Partei dürfte der Fortbestand der GroKo als gesichert gelten. Der frühere nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans und die Bundestagsabgeordnete Esken hatten sich dagegen zur Frage der Koalition mit den Unionsparteien deutlich kritischer geäußert. Beide Kandidaten fordern unter anderem ein Investitionsprogramm und höhere Steuern für Vermögende. Esken erklärte erst am Montag, den Koalitionsvertrag nachverhandeln zu wollen, und, sollte das von der Union abgelehnt werden, ihrer Partei den Ausstieg aus dem Bündnis vorzuschlagen.
Der heimliche Wahlkampf zwischen beiden Duos treibt unterdessen interessante Blüten. In der vergangenen Woche wurde bekannt, dass Wikipedia-Artikel über die Kandidaten im Sinne von Scholz und Geywitz manipuliert worden waren. Am Wochenende wurde bekannt, dass Scholz' Ministerium künftig mit einer Spezialeinheit gegen Steuerbetrug vorgehen möchte. In der Vergangenheit hatte sich Scholz bei diesem Thema noch nicht hervorgetan, ganz im Gegensatz zu seinem Konkurrenten Walter-Borjans, der als Minister mit dem Ankauf von Steuer-CDs bereits Aufsehen erregte.
Die Pläne zur Schaffung einer Spezialeinheit wurden ausführlich öffentlich kommuniziert. Die ebenfalls im Finanzministerium vorangetriebenen Pläne substanzieller Steuersenkungen für Unternehmen, von denen der Spiegel berichtete, werden dagegen noch unter Verschluss gehalten. Sie dürften die Beliebtheit des Kandidaten Scholz an der Basis gewiss nicht steigern.
Eine interessante Wendung erfuhr die innerparteiliche Debatte von der Seitenlinie, nämlich durch die Wortmeldung des früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen, der als prominentes Mitglied der Werteunion auch bereits in der CDU für Unruhe sorgte. Auf Twitter wandte sich Maaßen am Dienstag an die SPD-Mitglieder und empfahl ihnen, für Scholz zu stimmen:
Liebe Genossen, ich empfehle Euch für die Wahl zu Eurem SPD-Vorsitzenden den Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Ich hatte ihn erstmals beim Visa-Untersuchungsausschuss kennengelernt. Ein guter Mann für die SPD, wesentlich besser als Walter-Borjans! Olaf Scholz genießt mein Vertrauen!
Wie so vieles in der Berliner Politik, ist auch diese "Empfehlung" mit Vorsicht zu genießen. Maaßen ist an der SPD-Basis denkbar unbeliebt, sein Einsatz für Scholz dürfte dem am Ende wohl eher schaden. Es ist also im Umkehrschluss durchaus denkbar, dass Maaßen versucht, dem Duo Walter-Borjans und Esken zum Sieg zu verhelfen – etwa, um so das Ende der ungeliebten GroKo und der Kanzlerschaft Angela Merkels zu beschleunigen?
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