Hygienische Mängel führten zu Verunreinigung von Milch, Fleisch ist von lebensbedrohlichen Bakterien befallen, Apfelsaft durch Schimmelpilze verdorben, Eier, aber auch Nüsse mit Salmonellen belastet, Bier samt Laugenresten verkauft, durch Metallteile in Wurst besteht Verletzungsgefahr, in Bockwurst finden sich Plastikfremdkörper und Folienreste in Babynahrung oder Bakterien, die bei Kleinkindern sowie Immunschwachen zu schwersten Erkrankungen führen können; die Liste der Lebensmittelskandale scheint unendlich.
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Beinahe täglich werden Konsumenten in Deutschland mit Produktrückrufen von einst als vertrauenswürdig eingestuften deutschen Herstellern, Höfen und Supermärkten konfrontiert. Immer wieder heißt es, dass die Hersteller und Läden, wie Aldi, Lidl, Netto, dm, schnell reagieren und für alle die "Qualität und Sicherheit unserer Produkte ... höchste Priorität" habe.
Doch da der Verzehr von nicht sachgerecht hergestellten Lebensmitteln schwerste Erkrankungen, Verletzungen und auch Tod nach sich ziehen kann, ist es nicht übertrieben, von Skandalen zu sprechen, die sich mittlerweile allzu sehr häufen.
Schwere gesundheitliche Schäden und Tod als Folge des Verzehrs
Seit 2012 haben sich Lebensmittelrückrufe laut offizieller Angaben mehr als verdoppelt. Besonders betroffen seien laut dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Fleisch- und Milchprodukte, doch auch Obst und Gemüse, Getränke, Süßwaren oder gar Kräuter können betroffen sein, wie ein Blick auf die Liste der Lebensmittelwarnungen zeigt.
Jüngst machten Produkte der Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH Schlagzeilen. Aufgrund von mit Listerien belasteten Fleischprodukten, die unter anderem auf Fertigpizzen und in Wurstaufschnitt landeten, kamen bisher drei Menschen in Hessen ums Leben, mehr als 30 Krankheitsfälle wurden gemeldet. Erst nach Bekanntwerden der Todesfälle zweier Menschen im Zusammenhang mit den Fleischprodukten hatte der Landkreis Waldeck-Frankenberg den Rückruf aller Produkte der Firma Wilke Wurstwaren angekündigt. Seit vergangenem Dienstag erst wurde die Produktion eingestellt. Dabei können Listerien lebensgefährlich sein oder lebenslange schwere Krankheiten wie Hirnhautentzündungen auslösen, bei Schwangeren könnte das ungeborene Kind unwiderruflich geschädigt werden.
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Allerdings befürchten Verbraucherschützer, dass Wilke-Produkte auch in Fertigwaren weiterer Hersteller verarbeitet wurden. Der Geschäftsführer des Vereins foodwatch, Martin Rücker, warnt, die hessischen Behörden müssten endlich alle bekannten Namen von betroffenen Herstellern, Marken, Produkten und Verkaufsstellen nennen.
Es wird gemauert und vertuscht! Wir müssen davon ausgehen, dass in Haushalten und Supermärkten noch Fertiggerichte lagern, in denen Wilke-Ware verarbeitet wurde."
In dieser Woche hat die Organisation Foodwatch den vertraulichen Bericht der "Task-Force Lebensmittelsicherheit" zum Listerienskandal um die Firma Wilke veröffentlicht, demzufolge es in dem Betrieb Mäusekot, Fliegenbefall und Verwesungsgeruch gab, der aber auch ein Licht auf die Behörden wirft.
Wenn die Angaben in dem Bericht richtig sind, handelt es sich um ein Dokument des Totalversagens – von einem Unternehmen, das schon über einen langen Zeitraum offenbar nicht in der Lage war, sichere Lebensmittel herzustellen, und von Behörden, die mehr den Betrieb als die Verbraucherinnen und Verbraucher geschützt haben", erklärte foodwatch-Geschäftsführer Rücker.
Anzeichen dafür, dass in dem Betrieb extreme hygienische Defizite vorherrschten, gab es bereits in den Jahren 2013, als es bereits einen Salmonellenbefall gegeben hatte.
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Die Behörden in Hessen hatten wohl auch schon früher versucht, die Situation anhand von Kontrollen, Bußgeldern, Anordnungen und Reinigungsmaßnahmen in den Griff zu bekommen – jedoch vergeblich. Nach dem Skandal mussten die zuständigen Verbraucherschützer des Landes Hessen eingestehen, dass es Versäumnisse gegeben hat und eine Aufklärung darüber, wo die Produkte gelandet sein könnten, geradezu improvisiert werden. Das zuständige Hessische Verbraucherschutzministerium (HMUKLV) hatte seit spätestens dem 12. August Kenntnis vom Listerien-Verdacht, wie der Verein foodwatch aufzeigte. An dem Tag erreichte das HMUKLV eine Mitteilung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mit Bezug auf Untersuchungen des Robert Koch-Instituts, wonach der Verdacht auf Listerien bei Wilke-Produkten besteht.
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Die Kontrollaufsichtsbehörden wurden aber erst über eine Woche später informiert. Bis zum Rückruf vergingen sieben Wochen.
Das Wichtigste ist: Nach unserer Einschätzung hätte es schon viel früher mehrfach zu einem öffentlichen Rückruf von Wilke-Produkten kommen müssen. Die Behörden haben es versäumt, die Menschen zu schützen", so Rücker.
Und angesichts der Häufigkeit von Rückrufen mit ernsthaften Gefahren kann dem Verbraucher nur Bange sein. Nach dem Wilke-Skandal, der auch aufgrund des Todesfälle schwer zu ignorieren ist, gibt sich die für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zuständige Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) empört und verweist auf die Verantwortung der Länder.
Ich lege Wert darauf, wenn die Länder stets ihre Zuständigkeit hier betonen, dass sie ihrer Verantwortung auch mit ausreichend Personal für diese Aufgabe gerecht werden", sagte Klöckner der BILD. "Die Länder müssen bereit sein, über stärkere Konzentration und Bündelung von Verantwortlichkeiten zu sprechen, um die Lebensmittelkontrolle zu optimieren.
Der Foodwatch-Geschäftsführer Rücker sieht in der Reaktion der Ministerin jedoch lediglich "einen ebenso plumpen wie billigen Versuch, von der eigenen Verantwortung abzulenken". Die häufigen Skandale gebe es nur, "weil die immer gleichen, längst bekannten Schwachstellen und Gesetzeslücken im europäischen und deutschen Lebensmittelrecht nicht beseitigt werden."
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Denn während es Versäumnisse bei kommunalen Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämtern gegeben hat, liegt die Verantwortung der zentralen Koordinierung der Lebensmittelüberwachung bei den Bundesbehörden, dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) das zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gehört.
Ministerium will weniger Kontrollen und sieht Verbraucher in Verantwortung
Geichzeitig sinken die Lebensmittelkontrollen hierzulande wie auch in anderen EU-Staaten seit Jahren kontinuierlich. Derzeit liegt im zuständigen Bundesministerium ein Referentenentwurf, wonach diese noch weiter abnehmen könnten. Sogar in Fleischbetrieben, die der höchsten Risikoklasse zugeordnet sind, müssten ganz vage gerade noch "häufiger als monatlich" Kontrollen stattfinden.
Das Ministerium schreibt es wieder schön, die Lebensmittelüberwachung könne damit noch wirksamer auf "Problembetriebe" fokussiert und so die Effizienz gesteigert werden. Dabei kritisiert auch der EU-Verbraucherverband BEUC den Rückgang der Kontrollen. Aus einem Bericht des Verbands geht hervor, dass es in Deutschland 2017 rund 225.000 Kontrollen weniger als noch zehn Jahre zuvor gab. Mitte Dezember tritt eine EU-Verordnung für Lebensmittelkontrollen in Kraft, wonach Standards für Kontrollen in allen EU-Länder vereinheitlicht werden und Sanktionen für Verstöße und Betrugsfälle in Lebensmittelbetrieben "wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" werden sollen.
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Angesichts der sich häufenden Misstände forderte der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv), dass spätestens im Krisenfall der Bund die Koordinierung und Verantwortung übernehmen und bei der Lebensmittelüberwachung nachbessern müsse. Diese sei angesichts der komplexen Lieferketten "nicht mehr zeitgemäß".
Aus dem zuständigen Bundesernährungsministerium (BMEL) hieß es jedoch: "Wir beobachten die Situation sehr genau." Doch seien vor allem Hersteller selbst für die Sicherheit der Produkte zuständig und die Länder für die amtliche Lebensmittelüberwachung. Auch auf der Webseite des CDU-geführten BMEL heißt es, dass Wirtschaft, Behörden und sogar die Verbraucherinnen und Verbraucher aktiv gefordert seien.
Gezielte Kontrollen dienen dem gesundheitlichen Verbraucherschutz. ... Es liegt in erster Linie in der Verantwortung der betroffenen Betriebe, für eine ordnungsgemäße Zusammensetzung, Beschaffenheit und Kennzeichnung der von ihnen in den Verkehr gebrachten Lebensmittel Sorge zu tragen. Aufgabe der zuständigen Behörden ist es, durch regelmäßige Kontrollen und gezielte Probennahmen die Verkehrsfähigkeit der Lebensmittel zu überprüfen. Doch auch die Verbraucher selbst können aktiv zur Lebensmittelsicherheit beitragen.
Doch in eben dem jüngsten, nunmehr bekannten Lebensmittel-Skandal stellte die Task-Force in ihrem Bericht fest, dass bereits im Jahr 2018 bei Eigenuntersuchungen des Unternehmens Wilke jedes zweite Fertigprodukt mikrobiologisch "nicht in Ordnung" gewesen sein soll, zudem hätten nötige Hygieneschulungen der Mitarbeiter nicht nachgewiesen werden können. Der Fall Wilke zeigt sehr deutlich, dass die Verlagerung der staatlichen Verantwortung auf Betriebe mitunter fatale Folgen haben kann.
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