Neues Klimaschutzgesetz der Regierung: Aufgeweicht oder nicht?

Die Bundesregierung will sich "mehr anstrengen" beim Klimaschutz. Wie das genau klappen soll, hat das Umweltministerium nun in einem neuen Gesetzentwurf aufgeschrieben. Doch nicht nur Umweltverbände sehen in dem Entwurf einen Rückschritt. Was ist dran an den Vorwürfen?

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"Aufgeweicht", "massiv abgeschwächt", "kastriert" gar sei das Klimaschutzgesetz – die Umweltverbände gehen auf die verbalen Barrikaden. Anlass ist der Entwurf für das neue Bundes-Klimaschutzgesetz, den das Umweltministerium am Wochenende veröffentlicht hat. Auf Betreiben der Unionsfraktion seien die Pläne abgeschwächt worden, schrieb der Spiegel. Dem widersprach Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Montag auf Twitter und warf dem Spiegel indirekt Fake News vor: "Das #Klimapaket, so wie es am 20.9. von der Bundesregierung vorgelegt wurde, wird nicht abgeschwächt."

Dabei haben nicht nur Umweltverbände so einiges zu beklagen. Dietmar Bartsch von den Linken twitterte: 

"Was für eine Regierung? Jede Woche eine neue Meinung. Die können es nicht."

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, sprach von einer "Bankrotterklärung". "Nicht zu fassen! Schon mit dem ursprünglich von CDU/CSU u. SPD angekündigten Klimapaket wäre die Einhaltung der Klimaziele von Paris nicht mehr möglich gewesen. Anscheinend bleibt #BRG (die Bundesregierung) jetzt noch dahinter zurück - schlimmer geht's nimmer".

Nico Semsrott von Die PARTEI kommentierte die Angelegenheit auf gewohnt pointierte Art und Weise:

Regierung will keinen Rückschritt sehen

Doch die Bundesregierung weist die Vorwürfe zurück. Der unabhängige Expertenrat soll zum Beispiel keine eigenen Vorschläge mehr machen, sondern stattdessen sozusagen Buch führen beim Klimaschutz – wie ein Notar, sagt Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Damit soll er die Fakten zur Beurteilung der deutschen Klimaschutzpolitik liefern. Ob das wirklich schlechter ist, darüber kann man streiten. Beim ursprünglich geplanten Gremium hätten auch Interessenvertreter wie Gewerkschafter am Tisch gesessen. Jetzt sollen es nur Wissenschaftler sein.

Bei der Debatte geht es munter durcheinander. Ministerin Schulze vergleicht mit dem Klimakabinett Ende September, wenn sie sagt, es gebe keine Abschwächung. Manche Kritiker ziehen hingegen eine Parallele zum ersten Entwurf des Umweltministeriums vom Februar – etwa wenn es um das Expertengremium geht. Das ist schwierig, denn der frühere Entwurf spiegelte vor allem die Wünsche des Umweltministeriums wider. Er entstand gerade vor jenen mühsamen Verhandlungen, die zur Grundsatz-Einigung zwischen CDU, CSU und SPD vor wenigen Wochen führten.

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Also kein Rückschritt? Doch, beharren Umweltschützer. Denn auch längst beschlossene Zielmarken kämen nicht vor. "Die nationalen Klimaziele für 2040 und 2050, von dieser Regierung vor weniger als zwei Jahren beschlossen, sind schlicht nicht mehr enthalten", sagt Hubert Weiger, Vorsitzender beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). "Damit fehlt eine verbindliche Regelung, wohin die Reise beim Klimaschutz geht."

Dass das Etappenziel 2040 nicht erwähnt werde, sei kein Schaden, meint ein Sprecher des Umweltministeriums dazu. Man habe bis 2050 das Ziel Klimaneutralität und damit eine ganz klare Zielmarke festgeschrieben und bis 2030 eine Zielmarke von 55 Prozent weniger CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990. Das bisherige Ziel von 70 Prozent für 2040 könne, müsse aber nicht auf dieser Linie liegen. "Es ist eine Folgefrage, aber aus unserer Sicht für die Klimapolitik kein Verlust, das jetzt nicht festzuschreiben."

Verfehlungen werden in Zukunft teuer

Künftig soll jeder Minister für die Einhaltung der Ziele in seinem eigenen Politikbereich verantwortlich sein. Für sechs Bereiche soll es jeweils eigene jährliche Ziele geben. "Das wird die Klimaschutz-Politik in Deutschland fundamental verändern, und zwar fundamental verbessern", sagt Umwelt-Staatssekretär Flasbarth.

Wenn ein Ministerium die Latte reißt, soll das Expertengremium Daten liefern, um das Ausmaß des Problems festzustellen. Binnen drei Monaten muss der zuständige Minister ein Sofortprogramm vorlegen. Dabei soll auch Tauschhandel möglich sein: Wenn der Klimaschutz im Gebäudebestand nur schleppend vorankommt, der Verkehr aber schneller als erhofft klimafreundlicher wird – dann könnte man CO2-Sparanstrengungen auch zwischen den Bereichen verschieben. Auch das ist Umweltschützern ein Dorn im Auge: "Damit besteht die Gefahr, Klimaschutz zu vertagen und Verantwortungen zwischen den Ministerien hin und her zu schieben", sagt Sylvia Ratzlaff vom WWF. "Hier braucht es klare Regelungen."

"Die Regierung wird insgesamt für die Verfehlungen aufkommen müssen", erläutert Flasbarth auf Twitter. "Ein Minister, der penetrant die Ziele verfehlt, wird ganz sicher viel Spaß mit dem Finanzministerium und den übrigen Kabinettkolleg*innen bekommen."

Denn dann geht es ums Geld. So könnte die Bundesregierung Rechte zum CO2-Ausstoß in anderen EU-Ländern kaufen, um die eigenen Überschreitungen auszugleichen. Das dürfte mit der Zeit, wenn alle sich immer stärker anstrengen müssen, ein zunehmend teures Vergnügen werden. Oder es drohen Strafzahlungen wegen Verstoß gegen EU-Gesetzgebung. Die allerdings wirken in der Regel nicht so abschreckend, dass Deutschland nicht doch den einen oder anderen Streit riskieren würde – das Hickhack um Düngemittelrückstände im Trinkwasser zwischen Brüssel und Berlin etwa dauert nun schon Jahre an.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel ist Klagen über eine Abschwächung des Klimaschutzkonzepts entgegengetreten. Bei der Eröffnungsfeier der sogenannten "Klima Arena" im nordbadischen Sinsheim am Montag betonte sie die Bedeutung von Kontrollmechanismen im Konzept der Bundesregierung. Es sei gerade eine sehr große Nervosität in der Diskussion. "Dieses Monitoring, diese Überwachung, wird glasklar in dem Klimaschutzgesetz verankert sein", sagte Merkel. Sie werde dafür Sorge tragen, dass es ein verlässliches und überprüfbares Monitoring gibt. Die Pläne sollen wahrscheinlich an diesem Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden.

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