Die 22 Kommentare, um die es in dem Prozess ging, waren eine Reaktion auf einen mittlerweile gelöschten Post des rechten Politaktivisten Sven Liebich aus Halle vom 27. März. In seinem Post griff Liebich einen Artikel der Tageszeitung Die Welt vom Mai 2015 auf, in dem es um eine Äußerung Künasts aus dem Jahr 1986 geht. Der Vorfall ereignete sich, als eine grüne Fraktionskollegin zum Thema häusliche Gewalt sprach und ein CDU-Abgeordneter die Zwischenfrage stellte, wie sie zum Beschluss der nordrhein-westfälischen Grünen stehe, Geschlechtsverkehr mit Kindern zu entkriminalisieren.
Laut dem Bericht soll Künast mit einem Zwischenruf eingeworfen haben: "Komma, wenn keine Gewalt im Spiel ist." Liebich hat diesen Ausruf in seinem Post mit "...ist Sex mit Kindern doch ganz ok" ergänzt, was nach Auffassung des Berliner Landgerichts zulässig gewesen sei. Dann nahm das bösartige Fanal in diesem "sozialen Medium" seinen Lauf: Die Kommentare zu dem Beitrag von Liebich lauteten unter anderem: "Knatter sie doch mal so richtig durch, bis sie wieder normal wird", was vom Gericht als "mit dem Stilmittel der Polemik geäußerte Kritik" gewertet wurde.
Ein weiterer Kommentar unterstellte, dass Künast "vielleicht als Kind ein wenig zu viel gef..." wurde, was vom Gericht mit "überspitzt, aber nicht unzulässig" beschrieben wurde. Die Forderung, sie als "Sondermüll" zu entsorgen, habe "Sachbezug", so das Gericht weiter. Beschimpfungen wie "Stück Scheiße", "Schlampe" sowie "Geisteskranke" wertete das Gericht zudem als "Auseinandersetzung in der Sache".
Die Begründung für diese Entscheidung: Da sich Künasts Zwischenruf ebenfalls im sexuellen Bereich befunden habe und erhebliches Empörungspotenzial berge, "ist die Kammer der Ansicht, dass die Antragsstellerin als Politikerin sich auch sehr weit überzogene Kritik gefallen lassen muss".
Künasts Rechtsanwalt Severin Riemenschneider verwies darauf, dass der Artikel in der Zeitung Die Welt den Zusammenhang von Künasts Zwischenrufs nur bruchstückhaft wiedergegeben habe. "Pädophilie beziehungsweise Geschlechtsverkehr mit Kindern wird und wurde von Frau Künast zu keinem Zeitpunkt befürwortet, gutgeheißen oder akzeptiert", so Riemnschneider.
Auch habe die Grünen-Politikerin entsprechende Beschlüsse innerhalb ihrer Partei nie unterstützt. Ihr Zwischenruf habe nur dazu gedient, die gezielt falsche Wiedergabe des NRW-Beschlusses durch den CDU-Abgeordneten durch den Einwurf ihrer verbalen Ergänzung zu berichtigen. Riemenschneider kündigte an, "mit Sicherheit in eine höhere Instanz" gehen zu wollen.