Der Streit um den staatlich finanzierten deutschen Sender Deutsche Welle geht auf dessen in Russland umstrittene Berichterstattung zu Protesten gegen die Nichtzulassung einiger Kandidaten zu den Stadtratswahlen in Moskau zurück. Diese sei voreingenommen und aktivistisch gewesen.
Am 8. August wies das russische Außenministerium auf die Unzulässigkeit der Aktionen der Deutschen Welle hin, die nach Angaben des Ministeriums die "Moskauer Bürger direkt aufgefordert hat, sich an nicht genehmigten Aktionen zu beteiligen". Konkret ging es um einen Tweet, der mit den Worten "Moskau, geh auf die Straße" am Nachmittag des 27. Juli veröffentlicht wurde.
Am 21. August tagte die Staatsduma-Kommission zur Untersuchung der Vorwürfe ausländischer Einmischung, die auch die US-Botschaft betrafen – ebenfalls wegen ihrer Twitter-Aktivitäten. Die zwölf Mitglieder der Kommission sowie Duma-Sprecher Wjatscheslaw Wolodin mussten dafür vorzeitig aus dem Urlaub zurückkehren, so wichtig war für sie die Agenda.
Der Duma-Ausschuss forderte die Leitung des Senders dazu auf, zur Besprechung in den Räumen des russischen Parlaments zu erscheinen.
Während des Moskau-Besuchs des deutschen Außenministers Heiko Maas Ende August hat er diese Frage ebenfalls mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow thematisiert. Maas bestritt entschieden jegliche Einmischung und sprach von Prinzipien der Presse- und Meinungsfreiheit.
Am 4. September antwortete der Sender dem Duma-Ausschuss. DW-Pressesprecher Johannes Hoffmann schrieb:
In Anbetracht der Tatsache, dass unsere Fernseh- und Rundfunkgesellschaft Gegenstand des öffentlichen Rechts der Bundesrepublik Deutschland ist und in dieser Hinsicht den deutschen Aufsichtsbehörden gegenüber rechenschaftspflichtig ist, sehe ich für Vertreter der Deutschen Welle keine rechtliche Möglichkeit, an der Sitzung Ihrer Kommission teilzunehmen.
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Der Brief war an den Leiter des zuständigen Duma-Ausschusses Wassili Piskarjow adressiert. Gleichzeitig lud Hoffmann Piskarjow nach Bonn oder Berlin ein, um sich mit dem Intendanten des deutschen Mediums zu treffen, mit dem der Leiter der Kommission "alle Fragen im Detail besprechen könnte".
Diese Antwort konnte den russischen Abgeordneten der Partei Einiges Russland nicht überzeugen.
Es gibt auch andere Hebel. Wir werden uns an das Organ wenden, das dem Sender die Akkreditierung vergeben hat, damit es sie zumindest zeitweise aufhebt. Denkbar ist auch der komplette Akkreditierungsentzug für einzelne Korrespondenten", zitiert die russische Nachrichtenagentur Interfax Piskarjow.
Er äußerte die Hoffnung, dass die Vertreter der Rundfunkanstalt doch zur Besprechung in der Duma erscheinen.
Derlei Forderungen wertete die DW-Leitung als Erpressungsversuch: "Wir sind ein unabhängiges öffentlich-rechtliches Medienunternehmen und werden uns nicht erpressen lassen", schrieb DW-Intendant Peter Limbourg umgehend in einer Stellungnahme zurück. Er ging noch mal auf den fraglichen Tweet ein und betonte, dass die DW lediglich aus dem "Aufruf" zur Demo zitiert habe.
Der Vorwurf, wir hätten gegen russische Gesetze verstoßen, ist absurd", so Limbourg.
Inzwischen ist die öffentliche Aufregung um den Ausschluss der Kandidaten zur Wahl in Moskauer Staatsduma deutlich zurückgegangen. Die letzten bürgerlichen Proteste waren mit mehreren Hundert Teilnehmern weniger zahlreich, und die Polizei enthielt sich der Festnahmen. Personen, die früher zu mehrwöchigen Haftstrafen verurteilt waren, darunter Anführer der Aktivisten wie Alexej Nawalny, kamen inzwischen frei. Vier Personen müssen jedoch längere Strafen absitzen.
Ob der jetzige Streit für die Deutsche Welle tatsächlich rechtliche Konsequenzen haben wird, ist ungewiss. Ein angespanntes Verhältnis und Misstrauten zwischen den russischen Behörden und zahlreichen ausländischen Medien auf dem russischen Medienmarkt dürften jedoch bleiben.
Es spricht vieles dafür, dass der Grad an Einmischung jeweils mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Auch im Vorfeld der russischen Präsidentschaftswahlen am 18. März 2018 gab es eine Reihe von DW-Artikeln, die für Aufsehen sorgten. So veröffentlichte die Webseite des Senders am 12. März einen Artikel "Fünf Strategien des Protestverhaltens bei den Präsidentschaftswahlen in Russland".
Als Experten wurden im Artikel auch solche Gegner der russischen Regierung wie Michail Chodorkowski und Alexej Nawalny ausführlich zitiert. Es war schwer, im Artikel zwischen einer praktischen Anweisung zum konkreten Wahlverhalten und einem Meinungskommentar zu unterscheiden.
Nach der Wahlberichterstattung hat die Duma-Kommission zur Untersuchung ausländischer Einmischungen die Berichterstattung von insgesamt zwölf ausländischen Medien analysiert. Es gab damals Vorwürfe der Einmischung, aber keine Konsequenzen. "Ausländische Medien weisen die Leute praktisch an, wie sie Wahlen in der Russischen Föderation boykottieren oder stören können. (…) Umgekehrt wäre das für uns der letzte Tag in deren Ländern und für viele Autoren der letzte Tag in der Freiheit", kommentierte RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan die DW-Berichterstattung.