Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte "die Wohnungsfrage" als "die soziale Frage unserer Zeit" ausgemacht. Jetzt bestätigte eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die am Mittwoch vorgestellt wurde, dass die Wohnkosten seit 1996 insbesondere für Mieter stark angestiegen sind.
Dies treffe vor allem ältere Menschen ab 65 Jahren hart, weil ihre Einkommen nicht im selben Maße zunehmen. Im Jahr 2016 gaben Mieterhaushalte mit mindestens einem Bewohner ab 65 Jahren laut DIW im Schnitt 34 Prozent ihres Einkommens für das Wohnen aus. Bei den Eigentümerhaushalten waren es hingegen nur 15 Prozent des Einkommens. Außerdem seien die Wohnkosten für Mieter ab 65 Jahren seit 1996 deutlich stärker gestiegen (+ 101 Prozent) als für Eigentümer (+ 77 Prozent).
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Laut einer im Januar dieses Jahres veröffentlichten repräsentativen Umfrage im Auftrag der Caritas sehen vier von fünf befragten Deutschen in den hohen Wohnkosten ein erhebliches Armutsrisiko. Unter den dringlichen sozialpolitischen Themen rangierte der Umfrage zufolge "bezahlbares Wohnen" auf dem vierten Platz nach Pflege, Kinderarmut und Alterssicherung.
Bereits mehr als jeder zehnte Haushalt in Deutschland hat zuletzt Hilfen vom Staat bei den Wohnkosten bekommen. Wohngeld und Kosten von Unterkunft und Heizung für Hartz-IV-Empfänger summierten sich im Jahr 2017 auf rund 17,5 Milliarden Euro, wie aus einem Bericht hervorgeht, der am Mittwoch im Bundeskabinett beschlossen wurde. Davon profitierten demnach rund 4,4 Millionen Haushalte. Das Wohngeld ist ein staatlicher Mietzuschuss für Familien, in denen es zwar Einkommen gibt, aber nur wenig.
Dieses soll zum Jahr 2020 reformiert werden: Der Zuschuss soll steigen, und mehr Haushalte sollen profitieren. Bei Hartz-IV-Empfängern werden Kosten für Unterkunft und Heizung bis zu einer bestimmten Grenze übernommen.
Gleichzeitig stehen trotz des angespannten Wohnungsmarkts in vielen Städten Gebäude und Wohnungen leer, was unter anderem mit der Spekulation und der Renditeorientierung der jeweiligen Besitzer zu tun hat. Zum einen können unrenovierte Wohnungen als Anlagen brachliegen, Mietpreise sind in deutschen Großstädten innerhalb eines Jahres um bis zu 15 Prozent gestiegen, sodass außerdem eine Neuvermietung höhere Renditen verspricht. In Berlin sind beispielsweise von 1,9 Millionen Wohnungen 81,5 Prozent Mietwohnungen, Privatpersonen oder Eigentümergemeinschaften gehören etwa 40 Prozent. Mindestens 15 Prozent aller Wohnung in der Hauptstadt sind Eigentum börsennotierter Konzerne, deren Gewinne derart steigen, dass andere Industriezweige hierzulande neidisch werden dürften.
Bauminister Seehofer will keine "planwirtschaftlichen" Maßnahmen
Der Berliner Senat hatte jüngst Eckpunkte für einen "Mietendeckel" beschlossen. Dieses Konzept sei am Mittwoch nicht Thema im Kabinett gewesen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Ein Sprecher des auch für Bau zuständigen Bundesinnenministeriums sagte, Bauminister Horst Seehofer (CSU) sei "nicht davon überzeugt, dass man durch planwirtschaftliche Eingriffe in den Markt das Problem langfristig und tragfähig beheben kann".
In Berlin sollen die Mieten für frei finanzierte Wohnungen im kommenden Jahr für fünf Jahre eingefroren werden. Der "Mietendeckel" betrifft laut einem Senatsentwurf "nicht preisgebundene Wohnungen in Mehrfamilienhäusern". Außerdem ist vorgesehen, überhöhte Mieten auf Antrag zu senken. Nicht gelten sollen die Regeln für den sozialen Wohnungsbau und für Neubauwohnungen bei Erstvermietung.
Nach Einschätzung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages ist ein solcher Deckel jedoch rechtlich fragwürdig. "Nach wohl herrschender Meinung wurde das Zivilrecht durch den Bund bereits so umfassend geregelt, dass für landesrechtliche Regelungen auf diesem Gebiet kaum mehr Möglichkeiten bestehen", heißt es in dem der dpa vorliegenden Gutachten. "Die Regelungen des Mietpreisrechts sind daher grundsätzlich als abschließend anzusehen."
Die Möglichkeit eines generellen Verbots von Mieterhöhungen für einen bestimmten Zeitraum sieht das BGB nicht vor", schreiben die Gutachter. Gleichzeitig wird eingeschränkt: "Eine Zuständigkeit der Länder für ein Verbot von Mieterhöhungen könnte sich aber aus der Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen ergeben."
In Auftrag gegeben hatte das Gutachten der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach.
Ich kann den rot-rot-grünen Senat nur davor warnen, einen Verfassungskonflikt heraufzubeschwören", sagte der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Finanzausschuss in einer Mitteilung. "Der Senat greift mit seinem Mietdeckel in abschließend geregelte Zuständigkeiten des Bundes ein. Das zentrale Problem sind nicht hohe Mieten, sondern zu wenig Wohnungen", meint der CSU-Politiker.
Die Bundesregierung und das CSU-geführte Bauministerium halten wenig von dem Berliner Vorstoß und setzen eher auf Neubau von Wohnungen zur Lösung der angespannten Wohnsituation.
Ausreichend bezahlbarer Wohnraum ist eine der wesentlichen sozialen Fragen unserer Zeit", sagte Seibert.
Die Bundesregierung habe deswegen im März des vergangenen Jahres eine Vielzahl neuer Maßnahmen eingeleitet, um den Wohnungsneubau zu intensivieren und die Bezahlbarkeit des Wohnens zu sichern. Derzeit gebe es 700.000 fertige Baugenehmigungen, die auf Umsetzung warteten.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums stieg die Gesamtzahl der Fertigstellungen im Jahr 2018 um rund ein Prozent auf 287.000 Wohnungen. Deutlich stärker war der Anstieg in der Kategorie der Mehrfamilienhaus-Wohnungen, denen im Hinblick auf den Mietwohnungsbau eine besonders hohe Bedeutung zukommt. Hier waren es 2018 fast zehn Prozent mehr Fertigstellungen als 2017.
Am Dienstag hatte eine Expertenkommission der Bundesregierung ihre Empfehlungen dafür vorgelegt, wie der bundesweite Wohnungsbau weiter in Schwung gebracht werden könnte. Demnach sollten Gemeinden bei der Vergabe von Grundstücken weniger auf den Höchstpreis abzielen müssen, sondern stattdessen den Bau von günstigen Wohnungen fördern können. Außerdem ist es laut Bauland-Kommission sinnvoll, im Rahmen einer anstehenden Reform des Baugesetzbuches sogenannte Baugebote leichter zur Anwendung zu bringen. Damit könnten Eigentümer gezwungen werden, ihre Grundstücke innerhalb einer Frist zu bebauen oder alternativ zu verkaufen.
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