Laut einem Papier der Ressortchefs von CDU, CSU und SPD wird bei der Innenministerkonferenz (IMK) kommende Woche in Kiel ernsthaft darüber beraten, Aufzeichnungen von Sprachassistenten – wie etwa Alexa oder Siri oder sogenannten smarten Fernsehern und Kühlschränken – als Beweismittel vor Gericht zulassen.
Aus unserer Sicht ist es für eine effektive Kriminalitätsbekämpfung sehr wichtig, dass den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern auch auf diesen Geräten gespeicherte Daten nicht verschlossen bleiben", so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch in Berlin.
Eine Prüfung der damit verbundenen rechtlichen Fragen dauere allerdings noch an. Der Sprecher betonte, die Beratungen auf der Innenministerkonferenz, die am nächsten Mittwoch beginnt, seien erst der "Einstieg in die Diskussion". Zur Aufklärung welcher Verbrechen die Auswertung solcher Geräte angestrebt werden könnte, ließ er offen.
Jeder Verbraucher solle sich genau überlegen, welche Geräte er mit welchen Privatsphäre-Einstellungen nutze, mahnte ein Sprecher des Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministeriums.
Die Polizei kommt an Daten von Smart-Home-Geräten und Sprachassistenten bisher aus Datenschutzgründen nicht heran. Auch technisch wäre ein Zugriff momentan noch schwierig. Oft liegt der Schlüssel zu den Daten nicht beim Anbieter solcher Geräte, sondern beim Nutzer. Dennoch sind schon Fälle von Datenmissbrauch – bislang vor allem durch Hacker – bekanntgeworden.
Wer mit dem Internet verbundene Sprachassistenten verwendet, hinterlässt genauso seine digitalisierten Spuren wie die Nutzer von "smarten" Fernsehern, Hightech-Kühlschränken oder modernen Alarmanlagen. Diese Spuren sind für Ermittler potenziell interessant, doch gibt es dabei bis jetzt Konflikte mit dem Anspruch auf Privatsphäre und Datenschutz.
Vermittels Sprache gesteuerte Assistenten wie Apples Siri, Amazons Alexa oder Googles Assistant haben auch hierzulande bereits Einzug in den Alltag von Millionen Nutzern gehalten. Sind die oft nur als Lautsprecher erscheinenden Geräte mit ihrem eingebauten Mikrofon und Computer oder einem ins Smartphone integrierten Tool aktiviert, lauschen sie ständig mit, bis sie ihr Aktivierungswort erkennen und dann auf Kommando Aktionen ausführen. Dann spielen sie etwa Musik von Streamingdiensten, beantworten leichte Fragen oder starten andere Funktionen im Haushalt.
Jegliche vor, während und nach einer Aktivierung möglicherweise aufgezeichneten Informationen könnten künftig – offiziell nur nach richterlicher Anordnung – als Beweismittel vor Gerichten zugelassen werden, um Terrorismus und "Kapitalverbrechen" zu bekämpfen.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber verwies darauf, dass es ein gravierender Grundrechtseingriff sei, wenn Sicherheitsbehörden auf Informationen, Gespräche oder sogar Videos aus Wohnungen und anderen privaten Orten zugreifen könnten. Gerade weil die Zahl der Straftaten laut Kriminalstatistiken seit Jahren rückläufig sei, könne er solche Bestrebungen zu "verfassungsrechtlich bedenklichen Kompetenzerweiterungen" nicht nachvollziehen.
Die Opposition zeigt sich alarmiert.
Dieser ausufernde Schnüffelstaat gängelt damit nur die Bürgerrechte von Millionen unschuldiger Bürger", warnte der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser.
Der Netz- und Innenpolitiker Konstantin von Notz bei den Grünen sagte, statt "millionenfacher Wanzen in unseren Wohnungen" brauche Deutschland sichere vernetzte Geräte und rechtliche Vorgaben.
Die netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Anke Domscheit-Berg, verwies gegenüber neues deutschland darauf, dass es bei dem Vorstoß, der ja nicht von den Justiz- sondern den Innenministern komme, "nicht um Strafverfolgung, sondern um Überwachung gehe".
Auch die SPD-Bundestagsfraktion sprach sich gegen eine Ausweitung der Befugnisse aus. Sie warnte vor einem "Lauschangriff 4.0".
Im April war bekannt geworden, dass Mitarbeiter von Amazon systematisch Alexa-Aufzeichnungen mithören und abtippen, wenn auch angeblich lediglich, um die Spracherkennung zu verbessern. Immer wieder werden jedoch auch Fälle von Datenmissbrauch bekannt. Im Mai reichten Verbraucher- und Datenschutzgruppen gegen Amazon Beschwerde ein, weil das Unternehmen Sprachaufzeichnungen und weitere identifizierende Informationen über die minderjährigen Nutzer sammelt. Die Stiftung Warentest hatte gewarnt, dass unklar sei, was mit den durch Alexa und Co. gespeicherten Daten geschieht.
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Die Innenminister tagen vom 12. bis 14. Juni in Kiel. Ihnen liegt nach den Vorberatungen ein Beschlussvorschlag vor, in dem es heißt, dass "die Spurensicherung in der digitalen Welt eine immer größere Bedeutung einnimmt und die Strafverfolgungsbehörden daher in der Lage sein müssen, digitale Spuren zu erkennen, zu sichern und auszuwerten". Deshalb solle ein Arbeitskreis bis zur Herbstsitzung der Innenminister Anfang Dezember einen Bericht mit Handlungsempfehlungen vorlegen.
Ein Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums betonte, der Smart-Home-Vorstoß stamme nicht von Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU). Das nördlichste Bundesland habe jedoch einen Antrag gestellt, der eine bessere und koordiniertere Zusammenarbeit der von mehreren Ländern eingerichteten Kompetenzzentren für Digitale Spuren zum Ziel habe. Eine Ausweitung polizeilicher Kompetenzen sehe dieser Antrag Schleswig-Holsteins aber nicht vor.
Auch beim Thema Cyber-Kriminalität, zu dem Schleswig-Holstein einen Antrag eingebracht habe, gehe es nicht um eine Erweiterung gesetzlicher Befugnisse, betonte der Sprecher. Ziel sei vielmehr "die Lösung eines typischen Cybercrimeproblems". So sei es durch die Möglichkeiten der quasi raum- und zeitlosen Tatbegehung erforderlich, "Mechanismen zu finden, wie Sachzusammenhänge über Ländergrenzen hinweg bei Serientaten erkannt werden können".
Die mit CDU und Grünen im Norden regierende FDP störte sich trotzdem an den Plänen.
Der Vorstoß des Innenministers ist nicht mit uns abgestimmt und irritiert uns auch in der Sache", sagte der FDP-Fraktionschef im Landtag von Schleswig-Holstein, Christopher Vogt. "Wir halten nichts davon, bei der Anpassung der Sicherheitsgesetze an das digitale Zeitalter die Bürgerrechte ohne Rücksicht auf Verluste auszuhebeln und immer wieder das Verfassungsgericht zu strapazieren."
Die Union solle bei der Suche nach ihrem Profil nicht über die Stränge schlagen.
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(dpa/ rt deutsch)