Bei der SPD hat man schon öfter an Wahlabenden gedacht: Schlimmer kann es nicht mehr kommen. Und dann ging es doch noch weiter bergab. Was die Partei am Sonntag erlebte, hat aber eine ganz neue Dimension. Bei der EU-Wahl fährt die SPD ein Rekordergebnis im negativen Sinne ein und fällt erstmals bei einer bundesweiten Wahl weit unter die 20-Prozent-Marke.
Gabriel: "Es geht jetzt um die Existenz der SPD als politische Kraft in Deutschland."
Mit Bremen dürfte auch ihre norddeutsche Hochburg fallen – nach 73 sozialdemokratischen Regierungsjahren. Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles gerät durch die Ergebnisse massiv unter Druck. Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat sich bereits zu Wort gemeldet. Er forderte Konsequenzen aus dem desaströsen Ergebnis der SPD.
Niemand, der Verantwortung für die SPD trägt, kann ab morgen einfach zur Tagesordnung übergehen. Alles und alle gehören auf den Prüfstand", sagte Gabriel am Sonntag dem Tagesspiegel. "Es geht um mehr als eine Wahlniederlage, es geht jetzt um die Existenz der SPD als politische Kraft in Deutschland."
Gabriel musste nach der letzten Bundestagswahl gegen seinen Willen das Amt des Außenministers abgeben und ist jetzt nur noch einfacher Abgeordneter im Bundestag. Ohne den Namen von Parteichefin Andrea Nahles zu nennen, sagte er:
In Berlin müssen jetzt diejenigen Verantwortung übernehmen, die den heutigen personellen und politischen Zustand in der SPD bewusst herbeigeführt haben. Sie müssen jetzt auch Verantwortung für die SPD als Ganzes übernehmen."
Am Sonntagabend, in der ARD-Sendung "Anne Will", betonte er, er habe "gar keine personellen Konsequenzen gefordert". "Das werden andere entscheiden müssen", so Gabriel. Später fügte er hinzu: "Ich will mit diesem Theater nichts mehr zu tun haben."
SPD-Generalsekretär Klingbeil will nicht über eventuelle Rücktritte reden
Die Bild am Sonntag hatte zuvor berichtet, der frühere SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wolle die Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles stützen. Gabriel kommentierte das mit den Worten: "Ein Putsch, der in der Zeitung steht, findet in aller Regel nicht statt."
Am Montag meldete sich der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu Wort und wies die Kritik des Ex-Partei-Vorsitzenden zurück.
Was wir nicht brauchen, sind jetzt irgendwelche alten Verantwortlichen, die von der Seitenlinie kommentieren", sagte Klingbeil im ARD-"Morgenmagazin".
Auch Klingbeil bekräftigte aber: "Es kann kein 'weiter so' geben." Das Vertrauen der Wähler sei über Jahre verloren gegangen. "Das bringt man auch nicht durch ein gutes Gesetz zurück." Als Beispiele, wo die SPD inhaltlich "nicht auf dem Platz war", nannte er Digitalisierung und Klimaschutz. "Wir müssen Konsequenzen ziehen." Über eventuelle Rücktritte sprach er jedoch nicht. "Es wird nicht der Punkt sein, jetzt irgendwie Köpfe auszutauschen, und dann ist alles gut", sagte er.
(rt deutsch/dpa)