Es klingt kompliziert, dabei ist es vorrangig profitabel: Selbst an der Berater-Affäre im Bundesverteidigungsministerium scheinen weitere Berater zu verdienen.
Aktuellen Recherchen des Stern und der Tageszeitung (taz) zufolge hat der Beratungskonzern Accenture, welcher selbst im Mittelpunkt der Untersuchungen steht und behauptet, sich nichts zu Schulden kommen lassen zu haben, einen externen Berater angeheuert, um den Untersuchungsausschuss des Bundestages zu verfolgen.
Demnach ist Michael Donnermeyer, ehemaliger SPD-Sprecher und derzeitiges Vorstandsmitglied für die Lobby- und Kommunikationsagentur Concilius, eigens von Accenture beauftragt worden, den Sitzungsverlauf des Untersuchungsausschusses zu verfolgen.
Seit März befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit der Berater-Affäre im Verteidigungsministerium mit der Frage, wie es dazu kam, dass der Einsatz von Beratern unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet hat.
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Das hatte der Bundesrechnungshof moniert, der außerdem auf fehlende Wirtschaftlichkeitsprüfungen verwies. Linke, Grüne und FDP fordern Aufklärung darüber, wer bei der Vergabe von Beraterverträgen Kontrolle ausgeübt hat, inwieweit Schaden für die Steuerzahler entstanden ist und wie Regelverstöße in Zukunft verhindert werden können. Zudem geht es um den Verdacht auf Vetternwirtschaft, sogenannte "Kennverhältnisse" – und genau da wird es interessant im Hinblick auf Accenture, da der Konzern Aufträge in Millionenhöhe für die IT-Beratung erhielt – insbesondere in den Jahren, in denen Katrin Suder, die von der Verteidigungsministerin im Jahr 2015 eingesetzte Staatssekretärin und ehemalige McKinsey-Beraterin, im Ministerium tätig war.
Suder, die heute Vorsitzende des Digitalrats der Bundesregierung ist, hat den Recherchen zufolge persönlich wiederholt lukrative Aufträge vergeben, die dem Beratungskonzern Accenture und damit scheinbar alten Bekannten der Staatssekretärin zugute kamen. So profitierte der führende Accenture-Berater Timo Noetzel, den Suder aus der gemeinsamen McKinsey-Vergangenheit kannte, auf aus verschiedenen Gründen höchst unangemessene Weise.
Suder hat diese Vorwürfe mehrfach zurückgewiesen. In einer internen Befragung im November 2018 gab sie an, in interne Auswahlentscheidungen nicht involviert gewesen zu sein. Und über eine Rechtsanwältin ließ sie erneut im März diesen Jahres mitteilen, sie habe "nicht" über die Vergabe von "Millionenbudgets für externe Berater entschieden."
Recherchen des Stern und der taz, auch anhand interner Unterlagen, ergeben jedoch, dass Suder sehr wohl persönlich involviert war, wenn es um die Freigabe von Mitteln ging, bei der sogar gezielt Noetzel in der Funktion der "Projektsteuerung" vorgesehen war. Außerdem habe es mehrere Fälle gegeben, in denen enge Mitarbeiter von Suder Kontakt zu Noetzel hielten.
Beispielsweise habe der Politologe Noetzel ab Herbst 2016 im Rahmen eines Projekts profitiert, das sich mit der Informationstechnik des Verteidigungsministeriums und der Truppe befasste, und sich "IT-Baselining" nannte. E-Mails hätten den Recherchen zufolge gezeigt, dass Noetzel wiederum in Kontakt mit Suder-Vertrauten im Verteidigungsministerium war. Zum einen mit dem ehemaligen McKinsey-Mann Gundbert Scherf, den Suder ins Ministerium mitgebracht hatte.
Außerdem mit Ulrich Meister, damals Chef der bundeswehr-eigenen Firma BWI, mit dem Staatssekretärin Suder wiederholt "direkt gearbeitet" und ihn gegen Vorwürfe verteidigt habe
Im Sommer 2016 habe Noetzel sich direkt an die beiden gewandt, um seinen Vorgehensvorschlag" für das IT-Baselining voranzutreiben. Meister wiederum habe sich an Suder und den IT-Direktor der Bundeswehr sowie Unterabteilungsleiter im Verteidigungsministerium, Dietmar Theis, gewandt, mit dem Hinweis, weitere Vorgehen mit Accenture-Mitarbeiter Noetzel und der Managerin des Beratungskonzerns, Catrin Hinkel, besprechen zu wollen.
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Theis jedoch brachte Einwände vor, darunter Datenschutz aber auch die Voraussetzung, dass die Staatssekretärin einen Auftrag vergeben müsse.
Suder hingegen scheint zwar diese Präferenz auch gehabt, aber eine direkte Verwicklung vermieden und über einen Oberst gefordert zu haben, dass ein Abteilungsleiter die Vorlage genehmigen solle. Während Theis noch Bedenken anmeldete, brachte ein Referatsleiter bereits 750.000 Euro in die Planung, schließlich habe es ja beiderseits bereits "beginnende Aktivitäten" gegeben, so dass "bei dem vorhandenen, aber nicht schriftlich fixierten Willen kein Weg an der Studie " vorbeigehe. Da Theis weiter auf "schriftliche Fixierung" bestand, wurde die Vorlage von einem Kollegen Suders, Gerd Hoofe, bestätigt.
Accenture war in dem Fall als Unterauftragnehmer über die Beratungsfirma Pwc Strategy involviert.
Für Noetzel fielen Tagessätze von 1.705 Euro an. Diese sind laut Rahmenvereinbarung für Senior- Experten zu zahlen, welche mindestens sechs Jahre IT-Beratungserfahrung mitbringen sowie weitere zwei Jahre im Bereich IT-Top-Management", was der Politologe aus dem Hause Accenture mit McKinsey-Vergangenheit aber gar nicht vorzuweisen hat, wie sein Lebenslauf aus dem Jahr 2015 zeigt, in dem auch Suder als Referenz angegeben ist.
Und Noetzel selbst gab im Sommer 2017, als er für Accenture eine Reihe von Folgeaufträgen erhielt, in seinem Blog im Accenture- Intranet an, dass Suder persönlich dafür nach einem Treffen "grünes Licht" gegeben hatte.
Suder gab dem Stern zufolge im Jahr 2017 persönlich mehrere Folgeaufträge im Wert von mehr als 7 Millionen frei – ohne Wirtschaftlichkeitsprüfung, wie das BMVg auf Anfrage des Rechnugshofs bestätigte.
In den Folgeaufträgen wurde auch darauf verwiesen, man wolle mit "bereits eingearbeiteten Kräften/Partnern" weiter zusammenarbeiten. Als zu betrauende Mitarbeiter waren Accenture-Mitarbeiter teils namentlich angegeben, darunter Hinkel und Noetzel, der dabei als "Senior-IT-Experte" saftig entlohnt wurde. Dabei wäre Accenture laut Vereinbarung verpflichtet gewesen, für diese Qualifikation Nachweise vorzulegen, Regularien, die offenbar weder von den involvierten Beratungsfirmen noch vom Verteidigungsministerium sonderlich ernst genommen wurden.
Auch im Dezember 2017 profitierte Accenture von einem millionenschweren IT-Projekt für die A400M, mit dem Politologen Noetzel gar in der Funktion als "Software-Architekten".
Der durch Verteidigungsministerin von der Leyen als Aufklärer beauftragte Andreas Conradi konnte keine Anhaltspunkte erkennen, dass Bedienstete vorsätzlich den Rahmenvertrag über IBM Software zugunsten von Accenture verwendet hätten.
Dabei zeigen weitere E-Mails des Jahres 2017 aus dem Beschaffungsamt gar eine Anweisung dafür, wie der Rahmenvertrag für IBM-Produkte anhand der Unterauftragnehmer genutzt werden könnte, um gezielt Geld Dritten zukommen zu lassen; es folgte ein Zwinker-Smiley nach dem Hinweis, das Geld gehe über eine Firma an den Unterauftragnehmer, "den wir vorher theoretisch nicht kannten." Der Bedienstete des Beschaffungsamtes jedoch sah kein Problem, schließlich habe nicht seine Behörde die "Absprachen" mit Accenture "im Hintergrund" getroffen, "sondern der Bedarfsträger" – also das Verteidigungsministerium.
Dennis Rohde, der für die SPD im Untersuchungsausschuss sitzt, folgerte daraus, es sei klare Absicht gewesen, Aufträge an Accenture zu vergeben.
Er verlangte gemeinsam mit der FDP vom Koalitionspartner, von der Leyen solle Conradi, den Rechtsabteilungsleiter und Beobachter in der Affäre, aus dem Untersuchungsausschuss abziehen.
Timo Noetzel ist am 27. Juni als Zeuge vor den Untersuchungsausschuss geladen. Von Donnermeyer könnte der Accenture-Manager Informationen über den Sitzungsverlauf erhalten.