AfD und Israel: Israels Botschafter erklärt, warum er den Kontakt zur AfD meidet

Mit den meisten im Bundestag vertretenen Parteien hat der israelische Botschafter Jeremy Issacharoff kein Problem – außer mit der AfD. Er betrachtet die Partei als geschichtsrevisionistisch. Doch nicht alle in Israel würden diese Meinung teilen.

Wegen der Haltung der AfD zum Holocaust meidet der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, nach eigenen Angaben jeden Kontakt zu dieser Partei. "Mehrere Male hat ihr Führungspersonal Dinge gesagt, die ich als hochgradig beleidigend für Juden, für Israel und für das ganze Thema des Holocaust empfinde", sagte Issacharoff in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Viele Deutsche hätten über die Jahre eine sehr respektvolle Erinnerungskultur entwickelt. "Diese Qualität würde ich der AfD nicht zuschreiben."

Issacharoff sagte, dass er erst vor einer Woche in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen bei Berlin der sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden gedacht habe. "Ich finde es sehr schwierig, mir irgendeine Art von Gespräch mit Elementen vorzustellen, die irgendeine Form von Nostalgie für diese Vergangenheit verspüren", fügte der Botschafter mit Blick auf die AfD hinzu.

Issacharoff beklagte sich über einen "beunruhigenden" Trend zum Antisemitismus in Deutschland. "Jeder muss tun, was er kann, um diesen Trend so weit es geht zu minimieren." Die Vergangenheit habe gezeigt, was Antisemitismus anrichten könne. Heute gehe es nicht nur um eine Bedrohung für Juden oder Israelis, sondern um eine substanzielle Bedrohung für Deutschland als eine tolerante und demokratische Gesellschaft.

Der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke hatte 2017 mit der Forderung nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad" eine heftige Debatte ausgelöst. Zuvor hatte Höcke in einer Rede mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt:

Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.

Auch AfD-Bundesparteichef Alexander Gauland sorgte mit einer Äußerung zur Nazi-Zeit für Empörung, als er geäußert hatte: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." Gauland hatte seine Äußerung allerdings später als "missdeutbar und damit politisch unklug" bezeichnet.

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Sowohl in der AfD-Führung als auch bei der Wählerbasis gibt es jedoch auch explizit israelfreundliche Stimmen. Dies hat nicht zuletzt mit Popularität des US-Präsidenten Donald Trump zu tun. Als einzige Partei im Bundestag hat die AfD seine Entscheidung in Mai 2018, die US-Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, begrüßt und forderte die Bundesregierung bereits im Dezember 2017 dazu auf, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Außerdem kommt der nationalkonservative Kurs der Likud-Partei von Benjamin Netanjahu vielen in der islamkritischen AfD gelegen.

Noch nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse der deutschen Bundestagswahlen enthielt sich Netanjahu eines Kommentars zum Einzug der AfD mit 12,6 Prozent der Stimmen. Zwei Tage später äußerte er sich dann generell besorgt über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland – ohne explizit der AfD daran Schuld zuzuweisen – auf der rechten wie auf der linken Seite und in islamischen Kreisen. Insgesamt fielen damals die Reaktionen aus Israel zur AfD eher zurückhaltend und abwartend aus, wie der Portal israelnetz.de  feststellte

Konsens mit Israels Konservativen?

Es sei viel mehr die Wut der deutschen Konservativen zu Entscheidungen Merkels im Jahr 2013 bezüglich Griechenland der Auslöser für die Parteigründung gewesen, als rechtsextreme Tendenzen, zitiert das Portal den Professor für internationale Beziehungen von der Universität Tel Aviv, Immanuel Navon. 

Trotz teils sehr harter Untertöne gegen Ausländer sah er in der AfD keine moderne Fortführung der NSDAP. Die breite Basis der AfD-Wähler seien enttäuschte Konservative, die sich auch über Merkels Flüchtlingspolitik der vergangenen Jahre geärgert hätten. Navon übersieht nicht die rechtsextremen Vertreter in der Partei, betrachtet sie aber zumindest derzeit nicht als die Gruppe, die den Ton angibt.

Der spätere Austritt von André Poggenburg, des einstigen Anführers eines völkisch-nationalistischen Flügels in der Partei, und die zunehmende Ausgrenzung von Bjorn Höcke bestätigten eher diese Einschätzung.

Der israelische Journalist und Autor Eldad Beck sah im Wahljahr die AfD vor dem Hintergrund eines weltweiten Phänomens: "In der Politik ist die Protestpartei heute eine übliche Erscheinung. Menschen sind der klassischen Politik überdrüssig und suchen sich eine Partei, um ihren Frust auszudrücken."

Der deutsch-israelische Welt-­Journalist Gil Yaron prophezeite sogar, die Deutschen würden sich künftig zunehmend bemühen zu zeigen, dass sie gerade vor dem Hintergrund des Aufstiegs einer rechten Partei pro-israelisch sind. Was die Äußerungen des deutschen Außenministers Heiko Maas angeht – zuletzt in Bezug auf seine Kritik der "antiisraelischen Haltung" der UNO – dürfte diese Einschätzung zumindest in der Rhetorik  zutreffend sein. 

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