Verheerende politische Fehler, die in der Nachwendezeit gemacht worden seien, müssten ans Tageslicht und aufgearbeitet werden, sagte Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch in seinem Appell für einen Untersuchungsausschuss zur Treuhand:
Das Treuhand-Trauma ist nicht überwunden. Der Schaden, den die Treuhand angerichtet hat, ist bis heute eine wesentliche Ursache für den ökonomischen Rückstand des Ostens und für politischen Frust vielerorts."
Jedoch braucht die Linke dafür Unterstützung anderer Fraktionen, denn es müsste mindestens ein Viertel der Abgeordneten für einen Untersuchungsausschuss stimmen.
Ich werde in den nächsten Wochen sowohl mit den Fraktionsvorsitzenden als auch insbesondere mit Ost-Abgeordneten von Union, SPD, FDP und Grünen sprechen. Es gibt Chancen, dass wir das Quorum für einen Untersuchungsausschuss erreichen werden."
Ein neuer U-Ausschuss solle unter anderem klären, inwieweit die Arbeitsweise der Treuhand die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse zwischen Ostdeutschland und Westdeutschland langfristig gehemmt habe. Untersucht werden solle auch, inwieweit und warum "überlebensfähige Treuhandunternehmen" geschlossen und Arbeitsplätze, die hätten erhalten bleiben können, vernichtet worden seien.
Der Ostbeauftragte der Linke-Fraktion Matthias Höhn sagte, ohne eine schonungslose Aufarbeitung des "Treuhand-Desasters" der 1990er-Jahre sei eine wirkliche Vollendung der Deutschen Einheit nicht möglich. Viele Ostdeutsche wollten zum Beispiel wissen, welche konkrete Rolle die damalige Bundesregierung gespielt und welchen Einfluss sie auf die Entscheidungen genommen habe.
Die Treuhand hatte eine zentrale Rolle bei der Änderung der Eigentumsverhältnisse an Produktionsmitteln, auch wenn stets die Umwandlung der DDR-Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft herausgestellt wurde. Am 1. März 1990 beschloss der Ministerrat der DDR unter der letzten SED/PDS-Regierung die Gründung der "Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums".
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Der erste Treuhand-Chef, der im Jahr 1991 ermordete Manager Detlev Rohwedder, prägte für die Arbeit der Anstalt die Grundsätze "Privatisieren, Sanieren und Abwickeln". Millionen von Jobs im Osten fielen weg. Heute heißt es oft, dass die DDR-Wirtschaft zur Wende in großen Teilen marode, viele Industrieanlagen veraltet gewesen und die Absatzmärkte im Ostblock weggebrochen seien. Ende des Jahres 1994 wurde dann die "Treuhand" aufgelöst und transformiert. Ihre Aufgaben wurden im Wesentlichen die Bundesanstalt für vereinigungsbedingtes Sondervermögen übertragen.
Ablehnung mit Verweis auf Akten-Zugang
Der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Wirtschafts-Staatssekretär Christian Hirte (CDU), lehnt einen Untersuchungsausschuss zur Treuhand ab. Auf Anfrage der dpa sagte er:
Es wird der Eindruck erweckt, als sei der Osten mit Vorsatz und krimineller Energie über den Tisch gezogen worden und nun müsse endlich einmal die Wahrheit auf den Tisch. Ich bin ein großer Skeptiker von Geschichtspolitik. Politiker sind nicht die besseren Historiker."
Die allmähliche Öffnung der Akten werde einen großen Beitrag zur Aufklärung der Treuhand-Arbeit leisten, sagte Hirte. Die Ursache der Probleme der ostdeutschen Wirtschaft liege nach seiner Auffassung zuallererst in der Zeit vor 1989, nicht danach.
Wenn heute ausgerechnet die Partei nach Aufarbeitung ruft, die den Scherbenhaufen DDR-Wirtschaft hinterlassen hat, dann macht mich das etwas fassungslos", so Hirte.
Auch der stellvertretende sächsische Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) hält einen weiteren Treuhand-Untersuchungsausschuss im Bundestag für wenig zielführend. Dulig, der auch der Ost-Beauftragte seiner Partei und sächsischer SPD-Chef ist, sagte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Dresden:
Im Gegenteil: Ich sehe eher die Gefahr, dass man dort nur alte Feindbilder pflegen und sich Schuldzuweisungen um die Ohren hauen würde."
Dennoch plädierte Dulig zugleich aber für eine Aufarbeitung der Nachwende-Ära. Das sei man den Millionen Menschen schuldig, deren Leben sich in der Wendezeit dramatisch verändert habe. Man müsse über eine Aufarbeitung jedoch anders nachdenken: "Es braucht eine Aufarbeitung, auch der Treuhand, anhand der nun freigegebenen Akten und der Einbeziehung von Zeitzeugen."
Dabei gelte es, Wege und Instrumente zu finden, die sowohl das Schiefgelaufene als auch das Erfolgreiche in jenem historischen Umbruch verstehen helfen und die Chance bieten, das öffentlich zu diskutieren und zu benennen. "Wir brauchen eine differenzierte Beschreibung der damaligen Wirklichkeit", betonte Dulig. Nur so könne die damalige Umbruchszeit deutlich werden, wie sie war: "Widersprüchlich, kompliziert, voller schwieriger Entscheidungen."
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Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte, am besten moderiert durch eine Kommission. Eine Aufarbeitung darf nicht in einer zehnbändigen Edition zur Nachwendezeit enden", sagte Dulig weiter.
Es gehe um eine in die Zukunft gerichtete Diskussion im ganzen Land, mit einer Vielzahl an lokalen Aktionen und Formaten der Aufarbeitung in Ost und West. Die Feiern zur Deutschen Einheit würden eine erste Chance für eine ehrliche Debatte bieten.
Die frühere Ost-Beauftragte der Bundesregierung und Sozialdemokratin Iris Gleicke hatte die Arbeit der Treuhand allerdings bereits im Jahr 2015 zum 25. Jahrestag der Gründung scharf kritisiert. Gegenüber der dpa hatte Gleicke gesagt:
Die Treuhand hat vielen, wenn nicht den meisten Ostdeutschen traumatische Erlebnisse beschert. Sie gilt im Osten definitiv nicht als Symbol einer funktionierenden sozialen Marktwirtschaft, sondern als das Symbol eines brutalen, ungezügelten Kapitalismus, verbunden mit Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit."
Die designierte FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg dagegen lehnt ebenfalls einen Untersuchungsausschuss ab und bezeichnet die Forderung. "Ein rückwärtsgewandtes Ablenkungsmanöver, das keinen Arbeitsplatz zurückbringt", sagte sie der Welt. "Konsequent wäre dann auch ein weiterer Untersuchungsausschuss zum Verbleib des SED-Vermögens." Nötig sei eine seriöse wissenschaftliche Aufarbeitung der Treuhand-Akten, und diese laufe bereits, meinte die FDP-Politikerin.
Allerdings verwies der Vorsitzende der Linksfraktion Bartsch auch darauf, dass eine notwendige Aufarbeitung nur noch bis zum Jahr 2021 gefördert wird. Bis dahin wäre jedoch eine derart komplexe Aufarbeitung, auch nach Einschätzung der Bundesregierung, gar nicht möglich.