von Hasan Posdnjakow
Botschaftsrat Vadim Danilin verwies auf die Tatsache, dass NATO-Truppen an der russischen Grenze stehen. Das erinnere die Russen "vollständig" an die Stituation am 22. Juni 1941 – dem Datum des heimtückischen Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Er äußerte sein Unverständnis darüber, dass so etwas wie eine jüngst ausgestrahlte Nachrichtensendung des ZDF-Moderators Claus Kleber veröffentlicht werden könne und fragte, ob das die Maßstäbe der sogenannten freien westlichen Medien seien. Kleber hatte im heute-journal eine völlig frei erfundene russische Invasion gegen Estland angekündigt.
Leider liest man in der deutschen Presse jeden Tag Verleumdungsartikel über unser Land", bedauerte Danilin.
Deutsche Medien würden Putin und die russische Regierung dämonisieren. Alles Negative in der Welt werde Russland in die Schuhe geschoben. Es sei unklar, ob sich dieser Zustand in absehbarer Zukunft bessern werde.
Seiner persönlichen Einschätzung nach sei die Ukraine nur in das westliche Lager aufgenommen worden, um als Aufmarschgebiet gegen Russland zu dienen. Raketen, die in der Ukraine stationiert werden könnten, würden in nur wenigen Minuten Flugzeit Moskau erreichen. Man müsse etwas gegen diese Eskalation seitens der westlichen Staaten unternehmen. Der Vertreter der russischen Botschaft verwies auf die Tatsache, dass der Bundestag schon im Jahr 2012, also zwei Jahre vor der Ukraine-Krise, beschlossen hatte, die strategische Partnerschaft mit Russland aufzukündigen.
Zum Schluss bekundete Danilin den Unmut der russischen Regierung darüber, dass Wladimir Putin als Staatsoberhaupt der Russischen Föderation keine Einladung zur Gedenkfeier anlässlich des 70. Jahrestages des Beginns des 2. Weltkrieges, dem Überfall auf Polen erhielt, obwohl es die Sowjetunion war, die Polen letztlich wieder von der Nazi-Okkupation befreit hatte, wofür im Verlauf dieser Kämpfe hunderttausende Sowjetsoldaten ihr Leben opferten.
Der Bundestags-Abgeordnete der Partei Die Linke und Osteuropa-Beauftragte seiner Partei, Dr. Alexander Neu, sprach von der Notwendigkeit, Jugendliche für die akute Kriegsgefahr zu sensibilisieren. Er bemerkte, dass der konservative preußische Otto von Bismarck ein nüchternes Bild der deutsch-russischen Beziehungen hatte:
Ein Bild, eine Einschätzung, die mir im heutigen Berlin, in der zeitgenössischen politischen Klasse, die sehr stark transatlantisch geplagt ist, fehlt", fügte Neu hinzu. "Ich sehe im Bundestag oder in der Regierung keine Strategen, keine, die wirklich strategisch denken, sondern es ist eher ein Hinterherlaufen hinter dem Zeitgeist, der in Washington geschrieben wird", erläuterte Neu.
Die USA würden gegen eine Kooperation von Russland mit Deutschland eintreten, da sie die Stärke einer derartigen Allianz fürchten würden. Deswegen habe Washington auch Pufferstaaten in Osteuropa zwischen Russland und Deutschland etabliert. Ein Beispiel für dieses Pufferzonenprojekt sei die Dreimeeresinitiative von Polen.
Alexander Neu zufolge war aus russischer Sicht Deutschland schon einmal "der andere Westen", mit dem man noch reden konnte und der als zuverlässig eingestuft wurde. Das werde mittlerweile anders bewertet. Deutschland werde zunehmend kritischer bewertet.
Warum? Weil Deutschland sich komplett eingereiht hat in die Politik der USA", konkretisierte Neu.
Deutschland betreibe inzwischen keine "eigene, unabhängige" Außenpolitik hinsichtlich Russlands mehr.
Die deutschen Eliten, sei es in Politik, Wirtschaft und in den Medien betreiben eine wachsende Russlandhetze. Man muss auch diesen Begriff verwenden, denn es ist eine Hetze", kritisierte der Linken-Politiker.
Es fehle in Deutschland ein Führungszentrum, das für Frieden und Kooperation mit Russland eintreten könnte. Neu fragte, gerichtet an die Bundesregierung, warum Berlin keine eigenständigen Initiativen für die Sicherung des Friedens ergreife und stattdessen "vasallentreu an der Seite der Amerikaner" verharre.
Er stellte klar, dass sich Russland aufgrund des deutlichen Übergewichts der NATO-Staaten im konventionellen Bereich ohnehin nicht leisten könne, einen Krieg anzufangen, wie es etwa Claus Kleber suggeriert hatte. Er fragte auch, warum denn Moskau jemals solch einen Schritt wagen sollte, da jeder derartige Krieg in einer absoluten Zerstörung enden würde.
Der Politikwissenschaftler Prof. Alexander Rahr zeigte die Einseitigkeit des westlichen Narrativs zur Geschichtsschreibung nach 1945 auf, laut der die US-Amerikaner ganz Europa befreit und so die Demokratie etabliert hätten, während gleichzeitig die enormen Opfer der Sowjetunion geleugnet werden. Dieses falsche Narrativ werde aber genutzt, um die NATO-Osterweiterung zu legitimieren. Derweil würden die westlichen Staaten die eigene falsche Politik gegenüber dem Nazi-Regime vor 1939, etwa die Appeasment-Politik Großbritanniens, verschweigen.
Der erfahrene Politik-Experte bedauerte, dass es wieder eine ernstzunehmende Kriegsgefahr in Europa gibt. Der Westen versuche die Legitimität von anderen Staaten zu untergraben, wenn diese von dem westlich-liberalen Modell abweichen.
Die europäische Sicherheitsarchitektur sei kaputt. Laut Professor Rahr dürfe Europa aber nicht nur aus der NATO und der EU bestehen, sondern man müsse auch Russland in eine gemeinsame Struktur einbinden. Der Westen sei nach 1990 von der falschen These ausgegangen, dass Russland zu schwach sei und deshalb die russischen Interessen nicht berücksichtigt werden müssten.
Die Veranstaltung im Bundestag, bei der Alexander Neu der Gastgeber war, diente als Auftakt einer deutschen Reisegruppe, die im Sommer in die russische Stadt Wolgograd reisen wird. Es ist kein rein touristisches Programm geplant, denn stattdessen sind auch Treffen mit russischen Politikern und der Zivilgesellschaft vorgesehen, die der Völkerverständigung dienen sollen.
Hartmut König, Gründungsmitglied der DDR-Singegruppe "Oktoberklub" und SED-Kulturpolitiker, begleitete das Programm musikalisch. Gisbert Graff, Leiter des Arbeitskreises Kultur- und Bildungsreisen der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. (GBM), moderierte die Veranstaltung.