Prozess um Messerattacke in Chemnitz: Verteidigung verlangt Einstellung – erster Zeuge sagt aus

Der Totschlag-Prozess gegen einen Asylbewerber aus Syrien begann heute in Dresden. Die Verteidigung des Angeklagten beantragte die Einstellung des Verfahrens und eine Aufhebung des Haftbefehls. Der erste Zeuge konnte den Angeklagten nicht als Täter identifizieren.

Im Prozess um die tödliche Messerattacke von Chemnitz hat die Verteidigung des angeklagten Syrers die Einstellung des Verfahrens und eine Aufhebung des Haftbefehls beantragt. Es mangele an handfesten Beweisen, argumentierte sie zum Auftakt des Prozesses am Montag. Tatzeit, Tatort und Motiv seien bisher unklar. Die Verteidigung sprach von "eklatanten Ungereimtheiten".

Der 23 Jahre alte Asylbewerber Alaa S. soll laut Anklage gemeinsam mit einem sich auf der Flucht befindlichen Iraker im August 2018 in Chemnitz den 35-jährigen Deutschen Daniel H. mit Messerstichen getötet und einen weiteren Mann schwer verletzt haben. Der Angeklagte hatte die Tat stets bestritten.

Unser Mandant ist unschuldig", so die beiden Verteidiger des Angeklagten.

Zuvor hatte die Verteidigung Zweifel an der Unabhängigkeit des Gerichts geäußert. Noch vor Verlesen der Anklage legte Verteidigerin Ricarda Lang einen Fragenkatalog vor, der die Einstellung der Berufs- und Laienrichter erhellen soll. Lang will unter anderem wissen, ob die Richter Mitglieder oder Unterstützer der AfD oder der islamfeindlichen Pegida-Bewegung sind, ob sie an Demonstrationen in Folge der Messerattacke teilnahmen und wie sie zu Flüchtlingen insgesamt stehen.

Die Einstellung der Richter zur Flüchtlingsfrage ist entscheidend für ein faires Verfahren", sagte Lang.

Alaa S. konnte vom ersten Zeugen nicht als Täter identifiziert werden

Der erste Zeuge im Prozess konnte später den Angeklagten auf vorgelegten Lichtbildern nicht als Täter identifizieren. Bei seiner Aussage konnte Dimitri M. lediglich einen weiß gekleideten Mann beschreiben, der auf den am Boden liegenden Daniel H. eingestochen habe. Auch ein zweiter Mann habe auf das Opfer eingeschlagen. "Ob mit oder ohne Messer habe ich nicht gesehen." Zuvor seien "drei kleine Asylbewerber" auf die kleine Gruppe um Dimitri M., die beim Chemnitzer Stadtfest am 26. August 2018 gefeiert hatte, zugekommen und hatten zunächst nach Zigaretten gefragt. Später sei ein Streit ausgebrochen.

Dimitri M., ein 38-jähriger deutscher Staatsbürger, der in Russland geboren wurde, wurde in Chemnitz niedergestochen und überlebte den Angriff im Gegensatz zu Daniel H. schwerverletzt. Er wurde neben der Mutter und der Schwester des Opfers als Nebenkläger zugelassen.

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Das Gericht hat über 50 Zeugen geladen. Für den Prozess sind bis zum 29. Oktober insgesamt 24 Verhandlungstage angesetzt. Im Vorfeld war die Verteidigung des Angeklagten vor dem Bundesgerichtshof mit dem Antrag gescheitert, den Prozess außerhalb von Sachsen, Thüringen oder Brandenburg durchzuführen. Verteidigerin Lang hatte das vor allem mit der gesellschaftlichen Stimmung in den drei Ländern begründet, in denen in diesem Jahr Landtagswahlen stattfinden.

(dpa/rt deutsch)