Glyphosat-Zulassungen ohne Tests – wie Koalitionsvertrag und Behörden umgangen werden

Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, werden glyphosathaltige Pflanzengifte keineswegs vom Markt genommen und nicht einmal einer Prüfung unterzogen. Über 100 Pflanzengifte sollen aufgrund einer Ausnahmeregelung ohne Auflagen oder Einschränkungen auf dem Markt bleiben.

Bis Mitte Dezember 2018, zwölf Monate nach der umstrittenen Einwilligung des deutschen Landwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU) zur Wiedergenehmigung von Glyphosat auf EU-Ebene, sollte die Frist für die Verlängerung der Zulassung von Herbiziden mit Glyphosat in Deutschland eigentlich auslaufen.

Während durch Schmidts Zustimmung der Einsatz des Pflanzengifts auf EU-Ebene bis zum 15. Dezember 2022 genehmigt wurde, blieb es den Mitgliedsländern überlassen, innerhalb von zwölf Monaten über die Zulassung von glyphosathaltigen Mitteln zu entscheiden.

Und dem sollten in Deutschland eingehende Sicherheitsprüfungen vorausgehen, eigentlich. Denn das bekannte Pflanzengift Glyphosat verursacht Gesundheitsschäden, wahrscheinlich sogar Krebs und Insektensterben. Deshalb sollte eine Reihe glyphosathaltiger Pflanzengifte entsprechenden Tests unterzogen werden, bevor sie hierzulande wieder auf die Äcker kommen konnten. Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD sah vor, den Einsatz glyphosathaltiger Pestizide einzuschränken und "so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden".

Verlängerung – ohne Sicherheitsprüfung und Einwirkung störender Behörden

Doch das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das dem Landwirtschaftsministerium unter Leitung von Julia Klöckner (CDU) untersteht, hat im Dezember 106 glyphosathaltige Mittel um ein Jahr verlängert, mit der Begründung, dass die erforderlichen Prüfungen nicht umgesetzt werden konnten.

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Aus einer Kleinen Anfrage an das Landwirtschaftsministerium geht hervor, dass derzeit 121 Antragsverfahren für Zulassungsverlängerungen für den Einsatz der Pflanzengifte laufen. Aufgrund einer Ausnahmeregelung sollen davon mehr als 100 ohne die beschlossenen Prüfverfahren mit der jeweiligen Vorgängerzulassung verlängert werden.

Unter den an der Entscheidung beteiligten vier Behörden, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel (BVL), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Julius-Kühn-Institut (JKI) und Umweltbundesamt (UBA) hat es keine Einigung in Bezug auf das weitere Vorgehen gegeben.

Das UBA hatte gefordert, für die Anwendung von Glyphosat Ausgleichsflächen von weniger als 10 Prozent der jeweiligen Ackerfläche anzulegen, auf denen die Pflanzengifte nicht zum Einsatz kommen, um so wenigstens etwas Schutzraum für Pflanzen und Insekten zu erhalten. 

Bei einer einfachen Verlängerung bisheriger Regelungen hat das Umweltbundesamt, welches dem Bundesumweltministerium untersteht, jedoch keine Handhabe.

Es kann nicht sein, dass die übergroße Mehrheit der Pestizide einfach auf dem Markt bleibt, obwohl unklar ist, ob sie nach heutigem Stand überhaupt noch zugelassen werden dürften", so der Sprecher für Bioökonomiepolitik der Grünen, Harald Ebner.

Vielmehr müsste es "nach gesundem Menschenverstand" genau andersrum sein:

Die Stoffe dürften solange nicht verkauft werden, bis die neue Sicherheitsprüfung abgeschlossen ist."

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Derweil ist Bayer seit der Übernahme des Glyphosatherstellers Monsanto laut Geschäftsbericht bis Ende Januar 2019 mit 11.200 Klagen konfrontiert, teils von Nutzern des Verhütungsmittels Essure und dem Gerinnungshemmer Xarelto, aber auch von Betroffenen des Ackergifts Glyphosat.

Die hohen Gerichtskosten sind mit dafür verantwortlich, dass der Konzern zum Ende des vergangenen Jahres den größten Personalabbau seiner Geschichte beschloss. 12.000 Stellen werden in den kommenden drei Jahren abgebaut.

Durch den ungebremsten Einsatz des Pflanzengifts finden sich Rückstände davon mittlerweile in Kleidung und Hygieneprodukten, auch in Produkten, mit denen kleine Kinder in Berührung kommen.

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