Die europäische Demokratie befindet sich laut Bertelsmann-Stiftung "im Stresstest". Standards für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sanken 2018 nach Untersuchungen der "Bertelsmann Stiftung" (die sich selbst ohne Bindestrich schreibt), in 26 von 41 Ländern der OECD, darunter auch in Polen und Ungarn, wie der Vorstandsvorsitzende Aart de Geus am Dienstag sagte. Politisch und wirtschaftlich stehe das Projekt Europa vor der Europawahl im Mai vor einer Bewährungsprobe.
Europa sei notwendig, auch um die Megatrends Globalisierung und Digitalisierung gestalten zu können, betonte de Geus. Der Profit sei zudem konkret in der Geldbörse spürbar: In Köln und Düsseldorf zum Beispiel seien rund 1.100 Euro des Brutto-Einkommens pro Jahr und Kopf direkt auf Effekte des europäischen Binnenmarktes zurückzuführen, in Ostwestfalen-Lippe seien es rund 1.000 Euro.
Trotz wachsendem Populismus und Europakritik lägen die Zustimmungswerte "für Europa" in den größten EU-Ländern überall deutlich über 50 Prozent, so de Geus. Die Vize-Vorsitzende Liz Mohn, Witwe des Bertelsmann-Patriarchen Reinhard Mohn und Freundin von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sagte:
Wir leben in einer Zeitenwende, wie wir sie in dieser Form noch nicht erlebt haben.
Es brauche mehr Zusammenhalt. Zu Beginn der Globalisierung habe man "die Größe der Probleme unterschätzt, wie viele Auswirkungen sie auf alle Bereiche unseres Lebens hat".
Die Bertelsmann-Stiftung mit ihren rund 380 Mitarbeitern will in diesem Jahr mit ihren Analysen, Studien und Veranstaltungen Impulse für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geben. Der Sitz werde in Gütersloh bleiben, Ende des Jahres werde aber auch in Berlin ein Standort für bis zu 50 Mitarbeiter eröffnet.
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Die Stiftung tritt gern mit wissenschaftlich daherkommenden Studien in Erscheinung, mit deren Wissenschaftlichkeit es bei genauerer Betrachtung oft nicht weit her ist. Tatsächlich geht es eher darum, Stimmung zu machen, in der Regel im Einklang mit Sichtweisen der Bundesregierung. Dieses Mal zum Thema EU, zuletzt erst in Sachen Migration.
Vor einigen Tagen sprach der Bundesfinanzhof den Globalisierungskritikern von Attac die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit ab. Attac agitiere zu viel und wolle die öffentliche Meinung "im Sinne eigener Auffassungen" beeinflussen. Gleiches ließe sich mit Sicherheit für die Bertelsmann-Stiftung nachweisen, dennoch wird wohl vom Bundesfinanzhof und sonstigen Offiziellen die Gemeinnützigkeit dieser Stiftung eines Medienkonzerns kaum in Frage gestellt werden.
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(rt deutsch/dpa)