Am 19. Dezember 2016 erschoss der Tunesier Anis Amri in Berlin den Fahrer eines polnischen Sattelschleppers. Mit dem Fahrzeug fuhr er dann in den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. Dabei starben weitere elf Menschen, etwa 60 wurden verletzt. Amri konnte entkommen. Nach einer europaweiten Fahndung wurde er am 23. Dezember von einer italienischen Polizeistreife unweit von Mailand erschossen.
Behörden und Bundesregierung bezeichneten Amri als Einzeltäter, als einen kleinen Drogenhändler, der sich selbst radikalisiert habe. An dieser Darstellung gab es von Anfang an Zweifel. Es gibt viele Ungereimtheiten und Auffälligkeiten rund um den Anschlag und um den Attentäter Anis Amri. Hier eine kurze Aufstellung – ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Überwachung von Anfang bis Ende
Amri war im Sommer 2015 illegal nach Deutschland eingereist. Unter verschiedenen Identitäten – mindestens 14 – bezog er mehrfach Sozialleistungen. Früh wurden die Behörden auf islamistische Tendenzen bei Amri hingewiesen.
Amri wurde von mehreren Behörden als "islamistischer Gefährder" überwacht. Einige führten Informanten in seinem Umfeld. Dazu zählen das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Berliner Verfassungsschutz, die Landeskriminalämter von Berlin und Nordrhein-Westfalen und das Bundeskriminalamt. Der marokkanische Geheimdienst wies wiederholt auf die Gefahr hin, die von Amri ausgehe, und erwähnte auch konkrete Anschlagspläne.
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Das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) der Behörden befasste sich öfter mit Amri. Vor den verschiedenen Untersuchungsausschüssen gaben sich die Behörden später meist wortkarg und unwissend. Unklar ist vor allem, ob und inwieweit das Bundesamt für Verfassungsschutz seine Informationen mit den anderen Behörden teilte.
Das Amt bestritt lange, einen Informanten in Amris Nähe platziert zu haben. Der Fall Amri sei ein "Polizeifall" gewesen. Diese Aussage ist mittlerweile widerlegt, der Verfassungsschutz hatte einen V-Mann in Amris Nähe und führte diesen in seiner Antiterrordatei.
Besonders dem Verfassungsschutz wird auch von Mitgliedern des Amri-Untersuchungsausschusses im Bundestag vorgeworfen, jeden Aufklärungsversuch zu hintertreiben.
Anis Amri hatte zahlreiche Kontakte innerhalb Europas, er besuchte in Berlin regelmäßig die als salafistisch geltende Fussilet-Moschee und hatte auch in Hildesheim Kontakte zu Islamisten. Mehrere seiner Kontaktleute waren Anhänger des IS. Noch während seiner Fahrt im Lkw soll Amri mit Kontakten gechattet und ein Treuebekenntnis zum IS abgelegt haben.
Die "ordnende Hand"
Am 19. Januar 2017, einen Monat nach dem Berliner Anschlag, bombardierten die USA mehrere Islamistenlager in Libyen, in denen sich Verbindungsleute Amris aufgehalten haben sollen. Möglicherweise hat die Überwachung Amris die für diese Aktion notwendigen Informationen erbracht. Es gibt auch die Vermutung, dass die deutschen Dienste nichts gegen Amri unternehmen sollten, um diese Aktion der US-Dienste nicht zu gefährden.
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Bereits im Dezember 2017 äußerte der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele die Vermutung, dass eine "ordnende Hand" das Eingreifen der deutschen Behörden verhindert habe, weil eine Festnahme Amris nicht den Interessen der USA entsprochen hätte.
Im Sommer 2016 war Amri in Berlin an einem versuchten Tötungsdelikt beteiligt. Er hätte festgenommen werden müssen, die Staatsanwaltschaft entschied jedoch, ihn laufen zu lassen.
Aktienmanipulation beim LKA Berlin
Amris Asylantrag war am 30. Mai 2016 abgelehnt worden, seine Duldung in Deutschland endete am 16. September. Nach der Ablehnung seines Asylantrags wurden die staatlichen Zahlungen an Amri eingestellt. Amri betätigte sich daraufhin verstärkt im Drogenhandel, das Berliner LKA bewertete seine Tätigkeit als "gewerbs- und bandenmäßigen Rauschgifthandel".
Nach dem Anschlag wurde diese Einschätzung in den Akten rückwirkend abgeschwächt, Amri sollte nur noch "möglicherweise Kleinsthandel mit Betäubungsmittel" betrieben haben. Auch Abhörprotokolle verschwanden. Ermittlungen gegen LKA-Beamte wegen dieser Manipulation von Akten wurden eingestellt.
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Die Begründung der Staatsanwaltschaft: Eine Strafvereitelung zugunsten Amris liege nicht vor, weil dieser zum Zeitpunkt der Manipulation bereits tot war. LKA-Chef Christian Steiof sagte im Nachhinein, dass die Polizisten "kalte Füße" bekommen haben, und sprach von "fatalen handwerklichen Fehlern".
Verhinderte Ausreise und ungewöhnliche Fundstücke am Tatort
Am 30. Juli 2016 wurde Amri an der Schweizer Grenze bei dem Versuch der Ausreise mit gefälschten Papieren festgenommen. Möglicherweise wollte Amri ausreisen, weil er eine Verhaftung wegen des Gewaltverbrechens in Berlin fürchtete. Seine Ausreise wurde mit der Festnahme verhindert. Das Amtsgericht Ravensburg ließ ihn in Abschiebehaft bringen.
Die nordrhein-westfälische Sicherheitskonferenz kam allerdings zu dem Schluss, dass Amri nicht innerhalb der nächsten drei Monate abgeschoben werden könne. Die Ausländerbehörde Kleve wies die JVA Ravensburg daraufhin an, Amri aus der Haft zu entlassen.
Am 20. Dezember, dem Tag nach dem Anschlag, fand man im Lkw die Duldungsbescheinigung Amris, außerdem wurden zwei Mobiltelefone und ein Portemonnaie Amris im Fahrzeug bzw. am Tatort gefunden. Am 22. Dezember gab der damalige Innenminister Thomas de Maizière bekannt, dass Amris Fingerabdrücke im Lkw gefunden wurden.
Amris Todesort und seine Pistole
Am 23. Dezember 2016 wurde Amri in Sesto San Giovanni bei Mailand von italienischen Polizisten erschossen. Ein Beamter wurde bei dem Feuergefecht verletzt. Ungewöhnlich ist der Ort des Geschehens. Nur 20 Gehminuten entfernt wurde Tage zuvor der Lkw beladen, den sich Amri dann in Berlin aneignete. Es ist nicht klar, ob es sich um einen bizarren Zufall handelt.
Die Pistole, mit der Amri den Fahrer des Sattelschleppers erschoss und mit der er in Sesto San Giovanni einen Polizisten an der Schulter verwendete, war eine ERMA Modell EP 552. Eine Pistole dieses Typs wurde auch in der ausgebrannten Zwickauer Wohnung gefunden, die dem NSU zugerechnet wird. Es stellt sich die Frage nach einem möglichen gemeinsamen Ursprung beider Waffen.
Der abgeschobene Helfer
Der Focus berichtete an diesem Freitag über die Abschiebung des Amri-Vertrauten Bilel Ben Ammar im Februar 2017. Diese Abschiebung war schon länger bekannt. Zur Begründung dieser Abschiebung hieß es vonseiten der Regierung bisher, man habe nicht genügend Beweise für eine Anklage gehabt, deshalb sei es besser gewesen, einen so gefährlichen Mann außer Landes zu bringen.
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Diese Darstellung wird durch den Focus ad absurdum geführt, wie auch die These der Einzeltäterschaft Amris. Das Magazin berichtet von einem unter Verschluss gehaltenen Video, auf dem zu sehen sein soll, wie ein Mann, der "wie Ben Ammar aussieht", Amri den Fluchtweg freiprügelt. Der Focus berichtet außerdem, dass Ben Ammar Fotos vom Tatort gemacht und verschickt haben soll und dass er Mitarbeiter des marokkanischen Geheimdienstes war.
Fazit
Es spricht vieles dafür, dass Ströbele mit seiner These einer "ordnenden Hand" recht hatte. Die deutschen Behörden oder wenigstens einige von ihnen haben offenbar in Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten Amri und seine Komplizen gewähren lassen oder sie sogar geführt. Wenn die Informationen des Focus zutreffen, hat die Bundesregierung diese Vorgänge gedeckt und bei ihrer Vertuschung mitgewirkt. Möglicherweise wird dieser 22. Februar 2019 als der Tag in die Geschichte eingehen, an dem sich viele sogenannte "Verschwörungstheoretiker" bestätigt sehen dürfen und die Verschwörungspraktiker ins Licht der Öffentlichkeit treten.
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