Fast 300.000 Überstunden: Polizei in Sachsen-Anhalt leidet unter Personalmangel

Die Polizei in Sachsen-Anhalt leide unter einem massiven Personalmangel. Das sagte der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft in einem Interview. Polizisten schieben 300.000 Überstunden vor sich her. Die Landesregierung bemühe sich zwar, das reiche aber nicht.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt leidet unter Personalmangel und einer unzureichenden Finanzierung durch das Land. Das erklärte der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Sachsen-Anhalt, Wolfgang Ladebeck, im Gespräch mit dem Nachrichtenportal Sputnik. Ladebeck wörtlich:

Wir haben bundesweit in den letzten Jahren einen massiven Stellenabbau in der Polizei betrieben, gerade auch in Sachsen-Anhalt. Weil man dachte, man kann auf Grundlage der inneren Sicherheit die Haushalte sanieren. Das ist fehlgeschlagen. Da hat man Gott sei Dank auf unser Hinwirken hin eine Kehrtwende eingeschlagen seit 2015. Aber das wieder einzuholen, was man dort an Stellen verloren hat, das wird sich sicherlich noch einige Jahre hinziehen. Es scheiden altersbedingt Kolleginnen und Kollegen aus dem Dienst aus. Mit den Neueinstellungen werden wir das nach meiner Auffassung nicht so schnell kompensieren.

Der Gewerkschafter kritisierte die Landesregierung dafür, ausscheidende Polizisten im Alter von über 60 Jahren nicht weiterarbeiten zu lassen. Dafür würden haushaltsbedingte Gründe angeführt, doch das sei zu kurz gedacht. Langfristig kämen dadurch auf Sachsen-Anhalt hohe Mehrkosten zu.

Leider lässt man dieses Jahr nur begrenzt Kollegen in der Polizei länger arbeiten, obwohl noch mehr Beamte dafür bereitstehen. Wir haben jetzt die Lebensarbeitszeit bis 62, und wenn der eine oder andere Kollege ausscheiden muss, aber gerne noch ein Jahr dranhängen möchte, dann muss die Landesregierung auch dazu bereit sein. Nicht, dass es immer an Haushaltsgründen scheitert. Das sage ich ganz deutlich in diesem Interview. In diesem Jahr lässt man nur 95 Kollegen zu, die länger machen dürfen. Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Anstatt alle, die wollen, länger arbeiten zu lassen.

Die Polizei in Sachsen-Anhalt gilt als überlastet. Die Polizisten des Landes sollen über 280.000 Überstunden vor sich herschieben. Diese waren zum Teil bedingt durch Einsätze bei Kulturveranstaltungen wie dem Lutherjahr, höhere Anforderungen beim Absichern von Risiko-Spielen im Fußball und Ereignisse wie denen in Köthen im September. Den eigentlichen Grund für die hohe Belastung sieht Ladebeck allerdings in der schlechten Personalpolitik in der Landespolizei.

Er kritisierte die Politik dafür, die Polizeistärken an Einwohnerzahlen zu koppeln:

Wer Polizeistärken an Einwohnerzahlen festmacht, ist für mich auf dem falschen Weg. Man muss Analysen betreiben durch Statistiken der Polizei. Wenn sich der Stadtstaat Hamburg mit 1,9 Millionen Einwohnern 10.000 Polizeivollzugsbeamte leistet und Sachsen-Anhalt mit 2,3 Millionen Einwohnern sich nur 5.400 Polizeivollzugsbeamte leistet, dann stimmt nach meiner Rechnung irgendetwas nicht.

Der öffentliche Dienst müsse wettbewerbsfähig mit der Privatwirtschaft bleiben, sonst fehlten auch der Polizei Physiker, Chemiker, IT-Techniker und Kriminaltechniker. Zwar gebe es grundsätzlich ausreichend Bewerber für die offenen Stellen, dies könne aber die Lücke bei den Fachkräften nicht schließen. Die Konsequenz sei Mehrarbeit für die Beamten, die sich im Dienst befinden. In der Folge dieser hohen Belastung wachse der Berg der Überstunden, auch die Zahl der Krankmeldungen nehme zu:

Der Polizist steht zu seinem Dienst, er steht dafür ein, dass Sicherheit gewährleistet wird. Er schaut nicht auf die Überstunden, sondern er übt den Beruf als Idealist aus. Wenn der Bürger uns braucht, sind wir auch da. Aber das führt natürlich zu enormen hohen Belastungen der jetzt im Dienst Befindlichen. Die Vorgesetzten wundern sich, dass der Krankenstand in die Höhe schnellt, aber das ist ja eigentlich klar.

Gefragt, ob er sich von der Politik ausreichend unterstützt fühle, erklärte Ladebeck, dass sich die Landesregierung mittlerweile bemühe. Das reiche jedoch nicht, weil die umliegenden Bundesländern sich im Wettbewerb um den Nachwuchs für die Polizei noch stärker bemühten als Sachsen-Anhalt.