"Nicht zweckdienlich" – Erste Reaktionen auf Prüfung von AfD-Überwachung

Nach der Entscheidung des Verfassungsschutzes, die AfD wegen mutmaßtlichem Rechtsextremismus genauer unter die Lupe zu nehmen, haben sich erste Politiker zu Wort gemeldet. Während Innenminister Seehofer den Schritt begrüßte, mahnten Linke und FDP zu Vorsicht.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) stellte sich hinter die Entscheidung des Verfassungsschutzes, die AfD stärker als bisher unter die Lupe zu nehmen. "Wir haben diese umfangreiche Studie selbst auch beurteilt. Wir halten sie für plausibel. Und deshalb stehe ich hinter diesen Entscheidungen des Bundesamtes für Verfassungsschutz", sagte Seehofer am Dienstag auf Journalistenfragen vor einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin. Zugleich betonte er, es gehe nicht um eine politische, sondern eine fachliche Entscheidung des Verfassungsschutzes.

FDP-Chef Christian Lindner dagegen warnte die deutschen Parteien davor, sich über die mögliche Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz zu freuen. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Parteien sich einer lästigen Konkurrenz über den Umweg über die Sicherheitsbehörden entledigen", sagte Lindner am Dienstag in Berlin. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD müsse inhaltlich stattfinden. So müsse etwa das Rentenkonzept der Partei kritisiert werden oder Bestrebungen, die Europäische Union zu verändern. Er vertraue aber der Einschätzung der Sicherheitsbehörden. "Ich bin gegen jeden Opfer- und Märtyrerkult bei der AfD", sagte er zum Umgang der AfD mit der Debatte.

Die innenpolitische Sprecherin der Linken Ulla Jelpke erklärte, dass die AfD zwar "ganz klar eine in weiten Teilen völkisch-rassistische Partei" sei, dennoch sei der Schritt des Verfassungsschutzes nicht sinnvoll:

Dass der Verfassungsschutz die AfD jetzt bundesweit ins Visier nehmen will, halte ich angesichts der bisherigen Rolle dieses rechtslastigen Inlandsgeheimdienstes als Beschützer und Förderer neofaschistischer Strukturen nicht für zweckdienlich. Zu befürchten ist, dass demnächst V-Leute des Geheimdienstes in die AfD eingeschleust werden, die wie schon früher bei der NPD nicht zur Aufklärung, sondern zur Stärkung und weiteren Radikalisierung der Partei beitragen.

Der Verfassungsschutz sei ein "ein Fremdkörper in unserem demokratischen Rechtsstaat". Da er selbst Teil des Problems sei, gehöre er aufgelöst.

Die AfD selbst will juristisch dagegen vorgehen, dass der Verfassungsschutz die Partei als Prüffall einstuft. Er halte die Argumente für nicht tragfähig, sagte Partei- und Fraktionschef Alexander Gauland am Dienstag in Berlin. Seine Co-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach von einer "Wettbewerbsverzerrung im politischen Wettbewerb". 

Der Verfassungsschutz nimmt die AfD stärker als bisher unter die Lupe. Er erklärte die Partei als Ganze zum Prüffall, ihren rechtsnationalen "Flügel" und die Nachwuchsorganisation JA sogar zum Verdachtsfall. Grundlage der Entscheidung ist ein mehrere hundert Seiten langes Gutachten, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz mithilfe der Landesämter erstellt hat und das vom Bundesinnenministerium in den vergangenen Tagen ausgewertet wurde.

Eine Partei kann zum Prüffall werden, wenn die Behörden erste Anzeichen für extremistische Bestrebungen erkennen. Bei einem Prüffall ist eine Beobachtung mit V-Leuten oder anderen nachrichtendienstlichen Mitteln aber grundsätzlich nicht erlaubt.

Wird eine Organisation dagegen zum Verdachtsfall erklärt – wie jetzt der "Flügel" um den Thüringer Partei- und Fraktionschef Björn Höcke –, ist der Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel möglich, wenngleich auch nur sehr eingeschränkt. Beispielsweise ist dann eine Observation gestattet, ebenso das Einholen bestimmter Informationen von Behörden. Sogenannte V-Leute und die Überwachung von Telekommunikation kommen aber auch hier nicht zum Einsatz. Das ist erst dann erlaubt, wenn eine Organisation als Beobachtungsobjekt eingestuft wird.

(dpa/rt deutsch)