Während die Speerspitze der "seriösen Medien" – darunter Süddeutsche Zeitung (SZ), Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) und Spiegel – zu Jahresbeginn viel zur zunehmenden Unsicherheit und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Aufrüstung geschrieben haben, ist über die offenkundige Mobilmachung im Osten in diesen Blättern wenig zu lesen.
Russland ante portas
Dabei trat gerade zum 1. Januar ein knapp 100 Millionen schwerer Vertrag zwischen der Bundeswehr und dem Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, der DB Cargo AG, in Kraft, wie eine aktuelle Analyse der Informationsstelle Militarisierung (IMI) beleuchtet. Dieser dient dem Zweck des Transports militärischer Güter von Deutschland nach Litauen – also an die russische Grenze – und erfüllt damit den von der FAZ klar genannten Risikofaktor "Russland ante portas".
Da Deutschland seit Jahresbeginn die Führung der "besonders schnellen Eingreiftruppe" (Very High Readiness Joint Task Force, VJTF) der NATO übernimmt, soll dieser im Dezember vom Verteidigungsministerium vorangebrachte Vertrag die rapide Logistik gewährleisten, welche damit verbunden ist. Die sogenannte Speerspitze der NATO wurde im Zuge der Ukraine-Krise aufgestellt, in der Russland bis heute meist einseitig als Aggressor dargestellt wird, den es zu bekämpfen gilt.
Mehr zum Thema - Deutschland übernimmt Führung der superschnellen NATO-Eingreiftruppe
Die VJTF zeichnet sich durch den besonders hohen Bereitschaftsgrad aus. Vorauskräfte müssten innerhalb von höchstens 72 Stunden verlegbar sein, alle übrigen in höchstens fünf bis sieben Tagen.
Die DB Cargo AG bietet dem Heer mit dem Vertrag unter anderem die "zusätzliche Vorhaltung von 300 Waggons und Lokomotiven" mit einem "Potential für über 1.300 jährliche Transporte".
Der Vertrag gilt zunächst für zwei Jahre, kann aber nach Ende 2020 noch drei Mal um je ein weiteres Jahr verlängert werden.
Laut IMI-Analyse sollen 2019, im Jahr der deutschen VJTF-Führung, etwa 9.700 Soldaten, 150 Kettenfahrzeuge, 3.300 Radfahrzeuge, 1.500 Anhänger und 1.370 Container Richtung Osten verlegt werden, ein Großteil per Schiene – genaue Angaben bleiben geheim.
Ziviler und Güterverkehr hinten angestellt
In diesem Jahr erhält die DB Cargo AG einen "Express-Zuschlag" von 5,9 Millionen Euro, womit der Bundeswehr automatisch Vorrang bei den Transporten eingeräumt wird. Unmittelbar einher geht damit eine weitere Erschwerung des bereits sehr holprig angelaufenen Vorhabens, den Güterverkehr zugunsten der Sicherheit und Umwelt zunehmend von LKWs auf die Schienen zu verlagern, hatte es doch bisher bereits an DB Cargo Bahnwaggons gemangelt. Da mit dem Vertrag erstmals Militärtransporten gegenüber dem zivilen Personenverkehr Priorität eingeräumt wird, dürften außerdem die bereits katastrophalen Verspätungen der Deutschen Bahn somit noch weiter zunehmen.
Die Deutsche Bahn hat seit dem Jahr 1994 einen Anteil von 16 Prozent des gesamten Streckennetzes, das entspricht 5.400 Kilometer Gleise, stillgelegt oder abgebaut, berichteteNeues Deutschland und nennt den Konzern ein "Musterunternehmen unserer ökonomisch verordneten Effizienz-Mangelbetriebswirtschaft." Und das "dezimierte Schienennetz" teile sich heute der Güterverkehr mit dem Personenverkehr. Im vergangenen Jahr kamen demnach gerade einmal sieben von zehn ICEs - also der wirklich besten Bahnreisemöglichkeit - pünktlich an, dabei sind Verspätungen von bis zu sechs Minuten nichtmal als solche erfasst.
Mehr zum Thema - Verheerende Lage bei der Bahn – nur 20 Prozent der Züge voll funktionsfähig
Die Verlegezeit fürs Militär liegt ab 2020 noch bei 2 bis 7 Tagen. Der DB wurden per Vertrag 5 Tage vorgegeben. Ab 2021 dürfen die Militärtransporte dann bis zu 30 Tage in Anspruch nehmen.
Von den Standorten Bergen in Niedersachsen und Deuten in NRW soll demnach je ein mit Panzern und anderen Rüstungsgütern beladener Zug über Frankfurt an der Oder und Polen beziehungsweise über Kunovice, Trakiszki und Mockava rollen. In Polen und Litauen agieren die staatlichen Bahnunternehmen als Subunternehmen.
Nach der Versorgung der zwölfmonatigen deutschen Speerspitze könnte die Infrastruktur dann laut Vertrag der NATO und Mitgliedern der sogenannten "Partnerschaft für den Frieden" zu Verfügung stehen, und auch der EU oder der UNO.
Die Analyse der IMI sieht den Vertrag als "Vorbereitung für eine kriegerische Konfrontation mit Russland:"
Die Bundeswehr sichert sich kurzfristige, prioritäre und termingerechte Schienentransportkapazitäten, die sogar noch deutlich über die Versorgung der eigenen Kräfte im Baltikum hinausgehen. Diese Vorbereitungen für einen Aufmarsch nach Osten sind eine sicherheitspolitisch gefährliche Entwicklung, die zur weiteren Vertiefung der Konfrontation mit Russland führen kann. Hier wird offensichtlich auch für den weiteren Aufmarsch von NATO- und EU-Verbündeten eine Infrastruktur geschaffen.