RT Deutsch dokumentiert die Nachreichung des Bundeskanzleramtes im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Warweg,
im Nachgang zur Regierungspressekonferenz vom Mittwoch, 2. Januar, teile ich Ihnen als „ein Regierungssprecher“ (ohne Namensnennung) mit:
Im Verwaltungsbereich des Bundeskanzleramtes sind Portraits aller ehemaligen Chefs des Bundeskanzleramtes - auch von Hans Globke - in chronologischer Reihenfolge gehängt. Eine Wertung des Wirkens oder Vorlebens der Amtschefs ist damit nicht verbunden.
Neben zahlreichen und umfassenden Studien, die einzelne Ministerien zur NS-Geschichte ihrer Häuser haben durchführen lassen, hat die Bundesregierung im November 2016 ein Forschungsprogramm zur Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit der Ministerien und zentraler deutscher Behörden ausgeschrieben. Insgesamt werden im Rahmen dieses Programms zehn Forschungsprojekte gefördert.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat für das Forschungsprogramm für den Zeitraum von 2017 bis 2020 eine Fördersumme in Höhe von insgesamt 4 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Mit dem innovativen Forschungsprogramm soll ein neuer ressortübergreifender Zugang gefunden werden, mit dem Querschnittsthemen und auch vergleichende Ansätze - etwa zur Einbeziehung von DDR-Behörden - verfolgt werden können.
Aufgrund der ressortübergreifenden Relevanz des Bundeskanzleramtes wurde dessen Geschichte als eigenständiger Programmteil ausgestaltet. Zwei der zehn Forschungsprojekte richten den Fokus auf die Geschichte des Bundeskanzleramtes: Zum einen das Projekt „Das Kanzleramt. Bundesdeutsche Demokratie und NS-Vergangenheit“ unter Leitung des Instituts für Zeitgeschichte München - Berlin (IfZ) und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF); zum anderen ein Projekt der Universität Siegen, das die „Praktiken öffentlicher Kommunikation und Verlautbarung in der frühen bundesrepublikanischen Mediendemokratie (1949-1969)“ untersucht.
Beide Projekte haben Ende 2017 mit ihren Untersuchungen begonnen und werden diese planmäßig im Jahr 2020 abschließen.
Der weitere Umgang mit dem Porträt in der Reihe der Chefs des Kanzleramtes wird nach der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse des Projekts thematisiert.
Hintergrundinformationen zum Fall Globke und dem Kanzleramt:
Es klingt schier unglaublich. Im vierten Stock des Kanzleramts, also unweit des Denkmals für die ermordeten Juden Europas, hängt noch immer und auch heute ohne weitere Kommentierung ein Bildnis des verurteilten Nazi-Verbrechers Hans Globke.
Dieser war ab 1933 im Reichsinnenministerium in seiner Funktion als Oberregierungsrat und ab 1938 als Ministerialrat verantwortlich für das Verfassen und das offizielle juristische Kommentieren der Nürnberger Rassengesetze und galt als "Spezialist für Judenfragen". Er verfasste im Alleingang 1936 den ersten Kommentar zu den Nürnberger Gesetzen und deren Ausführungsverordnungen. Seine Kommentierung erwies sich als besonders einflussreich für die Umsetzung dieser berüchtigten Nürnberger Gesetze in die Praxis, insbesondere der Abschnitt zur "Rassenschande".
Laut freigegebenen Unterlagen des US-Auslandsgeheimdienstes CIA soll Globke auch für die Deportation von 20.000 Juden aus Nordgriechenland in deutsche Vernichtungslager in Polen verantwortlich gewesen sein.
Doch trotz Globkes Rolle im Dritten Reich als "Spezialist für Judenfragen" im Reichsinnenministerium und Mit-Verfasser der Nürnberger Rassengesetze wurde er 1953 unter Bundeskanzler Konrad Adenauer Chef des Bundeskanzleramts und galt als dessen engster Vertrauter. Diese Stellung hatte er bis zum Rücktritt Adenauers 1963 inne. Globke ist wohl das prominenteste Beispiel für die Kontinuität - auch beim Personal der Verwaltungseliten - vom selbsternannten "Dritten Reich" zur Bundesrepublik Deutschland (BRD).
Es war folglich auch nicht die Bundesrepublik, sondern die Deutsche Demokratische Republik (DDR), die 1963 einen Prozess gegen Globke in die Wege leitete. Versuche gab es auch in der BRD, allerdings wurde Globke vom BND, Verfassungsschutz, von der CIA und auch durch Adenauer höchst persönlich vor Strafverfolgung geschützt.
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Rechtsgrundlage für den Prozess in der DDR waren die international anerkannten Nürnberger Prinzipien, Art. 6 des Londoner Statuts für das Internationale Militärtribunal vom 8. August 1945 in Verbindung mit Artikel 5 Abs. 1 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik von 1949 und §§ 211, 47 des in der DDR zu jener Zeit noch fortgeltenden Reichsstrafgesetzbuchs.
Globke wurde als "kaltherziger, verbissener Antisemit“ wegen "in Mittäterschaft begangenen fortgesetzten Kriegsverbrechens und Verbrechens gegen die Menschlichkeit in teilweiser Tateinheit mit Mord" zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.
Von der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürdewird der Prozess bis in die Gegenwart als ein „höchsten Anforderungen der Rechtsstaatlichkeit verpflichteter und genügender Strafprozess“ bezeichnet.
Die Verurteilung des Kanzleramts-Chefs in der DDR gilt auch nach Ansicht internationaler Strafrechtsexperten als nicht rechtsstaatswidrig. Nach der Wiedervereinigung erfolgte auch keine Rehabilitation durch bundesdeutsche Gerichte: Das heißt juristisch betrachtet gilt Globke seit über 55 Jahren als überführter und verurteilter Nazi-Verbrecher.