Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will auf dem Weg zu einer "Armee der Europäer" schnell vorankommen. Europäische Militäreinheiten müssten in der Lage sein, "wenn nötig robust in Konflikte einzugreifen", forderte die CDU-Politikerin am Dienstag bei der Eröffnung der 17. Berliner Sicherheitskonferenz. Der Weg dazu seien eine immer engere Verzahnung nationaler Streitkräfte, eine gemeinsame Beschaffung und Wartung von Militärgerät und schnellere politische Entscheidungen über nötige Einsätze.
Auf der Konferenz beraten bis Mittwoch Militärs, Verteidigungspolitiker und Vertreter der Rüstungsindustrie aus mehr als 50 Staaten über Verteidigung und Sicherheit in Europa. Die Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine zeige, wie verletzlich die gemeinsamen europäischen Werte seien, sagte die Ministerin. Es gehe um Respekt für die territoriale Unversehrtheit und um den Willen, Dispute nicht eskalieren zu lassen. "Und nicht zuletzt geht es um die große zivilisatorische Errungenschaft, Konflikte zwischen Staaten mit völkerrechtlichen und rechtsstaatlichen Mitteln zu beruhigen und zu lösen", sagte sie. Der Kreml habe in den vergangenen Jahren mit diesen Regeln und Prinzipien gebrochen, so die Verteidigungsministerin in der gewohnt einseitigen Sichtweise.
Die EU-Staaten haben in der vergangenen Woche eine Ausweitung ihrer ständigen militärischen Zusammenarbeit (Pesco) beschlossen. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg ermahnte die EU-Staaten, bei ihren Plänen für den Aufbau einer Verteidigungsunion nicht zu weit zu gehen. Von der Leyen sagte am Dienstag, die Verankerung in der NATO und eine wachsende Verantwortung der Europäer gehörten zusammen. "Wir brauchen beides, damit Europa auch weiterhin frei, tolerant, sicher und der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet ist", sagte sie.
Es gebe mehrere Projekte, in denen der "Weg zu einer Armee der Europäer" angelegt sei. Sie nannte die Koordinierung der europäischen Verteidigungsplanung, die eine "unerträgliche" Fragmentierung in unterschiedliche Waffensysteme beenden solle. Der Europäische Verteidigungsfonds solle 13 Milliarden Euro für die Finanzierung gemeinsamer Projekte bereitstellen. Beschaffung, Ersatzteilmanagement und Instandsetzung sollten europäisch organisiert werden.
Die Ministerin bekräftigte ihre Forderung nach schnelleren Entscheidungen über gemeinsame Militäreinsätze mit einer Beteiligung der nationalen Parlamente. "Würde beispielsweise ein Ausschuss von Sicherheitspolitikern aus den nationalen Parlamenten in Brüssel regelmäßig über zukünftige Krisenszenarien auf dem Laufenden gehalten werden, dann würde die Orientierung unserer parlamentarischen Experten früher ansetzen", sagte sie. Nötig sei auch ein außenpolitisches Gegenstück: In der Außenpolitik der EU müssten Mehrheitsentscheidungen möglich werden, damit nicht einzelne Ländern Entscheidungen blockieren könnten.
Von einer Änderung der Parlamentsentscheidung mit der Einführung eines Vorratsbeschlusses und einem möglichen Vetorecht der Abgeordneten hält sie nichts, wie sie später beim Forum Außenpolitik in Berlin deutlich machte. International gehe die Entwicklung hin zu einer stärkeren Beteiligung der Parlamente.
Die europäische Zusammenarbeit müsse aber vorangebracht werden, sagte die Ministerin. "Ziel ist: Wenn die nächste Krise kommt, und wer weiß, wo sie ist und wie sie kommt, dass wir als Europäer in der Lage sind zu entscheiden, zu handeln und dann tatsächlich auch die richtigen Schritte zu tun." Dazu müsse ein europäisches Hauptquartier aufgebaut werden, in dem der "vernetzte Ansatz" der EU praktiziert werde: eine unmittelbare Beteiligung von Diplomatie, Politik, Entwicklungszusammenarbeit und Kräften wie der Polizei an Einsätzen.
Angesichts der "Ausrüstungsmängel" bei der Bundeswehr und zunehmender internationaler Krisen wächst bei den Deutschen die Bereitschaft, höhere Verteidigungsausgaben zu akzeptieren. In einer Umfrage des Instituts Kantar Public im Auftrag der Körber-Stiftung sprechen sich 43 Prozent dafür aus, mehr Geld in die Bundeswehr zu stecken. Vor einem Jahr waren es nur 32 Prozent. Für eine Senkung der Verteidigungsausgaben sind nur 14 Prozent, für eine Beibehaltung des bisherigen Niveaus 40 Prozent. Trotzdem ist laut Umfrage eine wachsende Mehrheit dagegen, dass sich Deutschland stärker in der Krisenbewältigung engagiert.
(rt deutsch/dpa)