Das Deutsche Tierschutzbüro e.V. hatte im November schockierende Videoaufnahmen von Tiermisshandlungen veröffentlicht. Auf mehreren Hundert Stunden Videomaterial, das von Aktivisten im September und Oktober 2018 durch versteckte Kameras aufgenommen und an das Deutsche Tierschutzbüro übergeben wurde, sind extreme Fälle von Tierquälerei aus dem selbsternannten Agragrland Nummer Eins, Niedersachsen, dokumentiert. Das Video zeigt dem Verein zufolge "schwerwiegende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und Straftaten".
Eine Vielzahl von Rindern und ausgedienten Milchkühen wurde unzureichend und nicht fachgerecht betäubt, noch lebend und bei Bewusstsein gestochen und getötet. Zudem wurden die Tiere "verbotenerweise bis zu 28-mal mit Elektroschockern malträtiert, mit Treibpaddeln oder anderweitig gewaltsam aus ihren Boxen getrieben", wie das Tierschutzbüro mitteilte.
Konkret wurden Rinder in einem Schlachthof der Firma "Standard-Fleisch" in Oldenburg durch Elektroschocks malträtiert und augenscheinlich ohne ausreichende Betäubung ausbluten lassen.
Teilweise erschütterndes Bildmaterial ist auch auf der Webseite des Vereins zu sehen.
Eine Reihe von Handelspartnern, darunter Frosta, Norma, Bünting, die Supermarktkette Hit, Edeka, Aldi, Lidl und Norma sowie weiter hatten schockiert auf die Bilder reagiert und die Zusammenarbeit und Lieferbeziehungen eingestellt.
Aus unserer Sicht zeigt das Material klare und schwerwiegende Verstöße gegen das Tierschutzgesetz und Straftaten", sagte Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro.
Die Tierschützer und das niedersächsische Landwirtschaftsministerium haben Strafanzeige gegen das Unternehmen gestellt.
In einer Stellungnahme des Schlachthofes GK Oldenburg hieß es: "Wir zweifeln weder die Authentizität der Bilder an, noch möchten wir die Vorfälle kleinreden."
Das Unternehmen kündigte verbesserte Kontrollen an und distanzierte sich von den Mitarbeitern, die demnach per Werkvertrag beschäftigt waren. Derweil verlor die Firma ihr Öko-Siegel, es hatte in geringem Umfang auch Bio-Fleisch angeboten. Die entsprechende Verordnung 834/2007 der Europäischen Union verlangt: "Ein Leiden der Tiere […] ist während der gesamten Lebensdauer der Tiere sowie bei der Schlachtung so gering wie möglich zu halten."
Ärzte mit Kontrollfunktion selbst beteiligt
An der Tierquälerei waren zudem mehrere Amtsveterinäre der Stadt Oldenburg beteiligt, das geht auch aus dem Videomaterial hervor. Die städtischen Tierärzte, deren Aufgabe es ist, eine ordnungsgemäße Durchführung zu gewährleisten, schauten nicht nur dabei zu, wie Tiere gequält wurden. In gleich mehreren Fällen schritten sie nicht nur nicht ein, als die Tiere getreten oder mit Elektroschockern gequält wurden, sondern legten sogar selbst Hand an.
Beispielsweise stachen sie ein Rind, das unzureichend betäubt war, selbst ab. In anderen Fällen setzten sie selbst den Bolzenschuss. Der Tierschutzverein forderte personelle Konsequenzen von der Stadt.
Dass Mitarbeiter der Stadt Oldenburg direkt an den schrecklichen Zuständen im Schlachthof beteiligt waren, ist ein Skandal! Hier muss es sofortige Konsequenzen geben und auch die Rolle der Amtsleitung klar hinterfragt werden", so Peifer.
Der Leiter des Oldenburger Veterinäramts, Paul Morthorst, befand die Aufnahmen zwar "in höchstem Maße irritierend", konnte aber nicht sagen, ob es nur ungewöhnlich sei oder gegen das Gesetz verstoße, dass Tiere beispielsweise auf der Seite liegend statt hängend ausbluten oder der Kopf eines Tieres vor der Betäubung eingeklemmt wurde, denn zuckende Bewegungen von Tieren könnten auch Reflexe sein, so Morthorst gegenüber dem NDR.
Eine Tierschutzbeauftragte widersprach und sah darin klare Reaktionen der Tiere auf den Schmerz. Jedoch sprach diese zunächst von Ordnungswidrigkeiten.
Nach Ansicht der Tierschützer waren die Veterinäre jedoch "ganz offensichtlich in den Skandal verwickelt".
Wenige Wochen zuvor war im niedersächsischen Bad Iburg bei Osnabrück ein Schlachthof wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz geschlossen worden. Im Fall der Standard-Fleisch GmbH aus Oldenburg sei noch zu überprüfen, ob es sich um Gesetzesverstöße handle, meinten Behörden.
EU-Rechnungsprüfer mahnen Nachholbedarf bei der Tierhaltung an
Tiere werden in der Europäischen Union nach einem EU-Bericht teilweise unter qualvollen Bedingungen transportiert und geschlachtet. Dabei würden die Regeln der Union zum Umgang mit Nutztieren mitunter missachtet, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten Papier des Europäischen Rechnungshofs.
Die Rechnungsprüfer untersuchten dafür Nutztierbetriebe in fünf EU-Ländern – auch in Deutschland.
Der Tierschutz liegt den Bürgerinnen und Bürgern der EU am Herzen", sagte Janusz Wojciechowski von der Behörde. "Die Lücke zwischen ehrgeizigen Zielen und praktischer Umsetzung muss jedoch noch geschlossen werden."
Tiere würden teilweise ohne ausreichende Betäubung geschlachtet oder müssten lange Transporte unter schlechten Bedingungen aushalten, kritisieren die Rechnungsprüfer. Außerdem gebe es Lücken bei Kontrollen, mit denen die Einhaltung von EU-Mindeststandards gesichert werden sollen.
Unter anderem in Deutschland fehle den Prüfern ein schlüssiges Konzept, nach welchen Kriterien die Risiken für Verstöße eingeschätzt und Kontrollen geplant werden.
Der Nutztiersektor macht nach Angaben des Rechnungshofs rund 45 Prozent der Landwirtschaft in der EU aus. Er generiert jährlich 168 Milliarden Euro und beschäftigt vier Millionen Menschen.
Allein in Deutschland werden jährlich mehr als 3,5 Millionen Rinder in über 3.000 Betrieben geschlachtet. Trotz gesetzlicher Vorgaben gibt es in Schlachthäusern regelmäßig Fälle von Gesetzesverstößen und Tierquälerei.
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Anmerkung der Redaktion: Das Bildmaterial stammt von den Fällen aus Bad Iburg, da die Pressestelle des Tierschutzbüros, von dem Bild und Video aus Schlachthöfen in Oldenburg für die Presse erhältlich sein sollte, RT Deutsch kein Bildmaterial zur Verfügung stellen möchte. In der Begründung wurde telefonisch auf Berichte des ARD Magazins Zapp Bezug genommen, die von RT aber bereits mehrfach dementiert und falsifiziert wurden.