Die Bereitschaft zu Organspenden ist in Deutschland sehr gering. Im Jahr 2017 gab es lediglich 797 Organspenden, 2011 waren es noch 1.200 Spender. Jährlich warten 10.000 Menschen auf ein Spenderorgan. Ein neues Gesetz zur "Verbesserung der Zusammenarbeit und der Strukturen der Organspende" soll die Zahl der Organspenden erhöhen. Transplantationsbeauftragte erhalten mehr Zeit und Kliniken höhere Gelder für die Organentnahme.
Die Regierung entschied, dass die niedrigen Organspenden auf strukturelle Defizite zurückzuführen ist. Diesen soll mit dem neuen Gesetz entgegengewirkt werden. Der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht durchaus einen Willen in der deutschen Bevölkerung, Organe zu spenden:
Der Wille, Organe zu spenden, ist in der Bevölkerung vorhanden. Immer mehr Menschen haben einen Organspendeausweis.
In Deutschland gibt es insgesamt 1.246 Krankenhäuser, die Organe entnehmen. Das neue Gesetz sieht vor:
Die vollständige Refinanzierung der Transplantationsbeauftragten durch die Kassen soll nach Berechnungen des Ministeriums mit Mehrkosten von rund 24 Millionen Euro im Jahr zu Buche schlagen. (...) Jederzeit sollen künftig qualifizierte Ärzte bereitstehen, um auf Anfrage einer Klinik den Hirntod eines Patienten festzustellen.
Die bisherige Pauschale für die Krankenhäuser soll sich künftig am tatsächlichen Aufwand einer Organspende orientieren. Der Prozessablauf soll besser vergütet werden. Die Feststellung des Hirntods ist Voraussetzung für eine Organentnahme. Das Gesetz sieht vor, einen "flächendeckenden Bereitschaftsdienst" hierfür einzusetzen:
Der Bereitschaftsdienst könne jederzeit von den behandelnden Ärzten in den Entnahmekrankenhäusern hinzugezogen werden, wenn zweifelsfrei geklärt werden muss, ob ein Patient hirntot ist. Damit soll sichergestellt werden, dass in jedem Entnahmekrankenhaus zu jeder Zeit der endgültige, nicht behebbare Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms festgestellt werden kann.
Zunächst bleibt es dabei, dass "Organspender ausdrücklich eine Zustimmung zur Organentnahme im Falle des Hirntodes gegeben haben müssen. Ob die sogenannte Widerspruchslösung letztlich umgesetzt wird, muss noch entschieden werden. Hiernach wird jede Person automatisch zum Organspender, wenn sie nicht widerspricht.
Die Initiative "Kritische Aufklärung über Organtransplantationen" wurde von Eltern gegründet, die die Organe ihrer hirntoten Kinder gespendet haben. Sie kritisieren, dass sie nicht genügend über den Ablauf der Organentnahme aufgeklärt worden seien:
Der Mensch reißt seinem Gegenüber nicht mehr selber das Herz aus der Brust und verspeist es zur eigenen Kraftgewinnung, nein, in der heutigen Zeit legt sich der Mensch auf einen Operationstisch, schließt die Augen und lässt einverleiben.
Die betroffenen Eltern berichten davon, wie sie zur Organfreigabe ihrer Kinder gedrängt wurden, damit andere Kinder leben könnten. Die menschliche Nächstenliebe wird als "Trugbild" beschrieben.
Bei einem Besuch in Dänemark und in Spanien mussten Bundesbeauftragte erkennen, dass die Widerspruchslösung nicht immer eine Rolle spielt. In Spanien ist die Zahl der Spender relativ hoch. Im Jahr 2016 betrug sie 43,4 pro Million Einwohner. In Deutschland waren es im Vergleich 10,4 und in Dänemark 17,1. In Dänemark kann sich die Bevölkerung für oder gegen eine Spende über das Smartphone entscheiden. Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Ärztin und Obfrau der Grünen im Gesunheitsausschuss, sagte der Ärzte-Zeitung:
Klare Zuständigkeiten und Abläufe bei der Organspende sowie eine Weiterbildung für Ärzte, bei der die Verbesserung der Transplantationsraten einen großen Stellenwert hat.
Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter:
Jens Spahn sieht es als unproblematisch an, dass durch eine Widerspruchslösung der Staat in die Freiheit des Einzelnen eingreift. Er fordert eine "breite gesellschaftliche Debatte":
Nur so kann die Organspende zum Normalfall werden. Die Widerspruchslösung ist notwendig, um viel Leid abzuwenden.
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