Bundespressekonferenz zu Diesel-Fahrverboten: Zwischen Medienschelte und Einknicken vor Autobauern

Das Bundeskabinett hat am 24. Oktober das Eckpunktepapier "Für saubere Luft in allen Städten" beschlossen. Die Fragen und Antworten auf der Bundespressekonferenz zeigten erneut auf, dass weder Journalisten noch Sprecher wirklich verstanden haben, um was es im Konzept geht.

Mehr zum Thema - Schlechte Luft, Hysterie und Enteignungen: An der Diesel-Debatte stinkt einfach alles

Regierungssprecher Steffen Seibert ließ im Rahmen der Dieseldebatte zudem seinem Frust über die seiner Meinung nach "in den letzten Tagen für mich nicht verständliche Berichterstattung" freien Lauf: 

Die offizielle transkribierte Fassung des Ausschnitts aus der Bundespressekonferenz: 

VORS. DETJEN eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt STS SEIBERT sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.


STS SEIBERT: Guten Tag! Ich möchte aus der heutigen Kabinettssitzung berichten.

Es geht los mit dem Eckpunktepapier zur Umsetzung des Konzepts für saubere Luft, das Umweltministerin Schulze und Verkehrsminister Scheuer heute im Kabinett eingebracht haben und das vom Kabinett beschlossen wurde. Der Chef des Bundeskanzleramtes, Minister Braun, hat ja bereits in einem Pressestatement darüber informiert.

Was sind diese Eckpunkte? Die Eckpunkte sind konkrete Schritte, um das Konzept, das die Koalitionäre am 1. Oktober beschlossen haben das Konzept für saubere Luft und Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten , nun auch zügig umzusetzen. Es ist also eine wichtige Voraussetzung geschaffen für die schnelle rechtliche Umsetzung des Konzepts, aber auch für die technische. Schon das Kabinett am 7. November will wichtige Gesetzesänderungen beschließen, die jetzt aus diesen Eckpunkten hervorgehen.

Einige wesentliche Punkte:

Es wurde vereinbart, dass das Verkehrsministerium unverzüglich die Förderrichtlinien zur Hardwarenachrüstung bei schweren Kommunalfahrzeugen und bei Handwerker- und Lieferfahrzeugen erarbeitet. Diese Förderrichtlinien sollen noch 2018 veröffentlicht werden. Außerdem wird das Bundesverkehrsministerium unverzüglich die rechtlichen und technischen Vorschriften für die Nachrüstung von Euro-4- und Euro-5-Diesel-Pkw erarbeiten. Das soll schnellstmöglich zu Beginn des Jahres 2019 in Kraft gesetzt werden. Außerdem wird eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgenommen, damit in Gebieten, in denen die Stickoxidbelastung den Wert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht überschreitet, in der Regel keine Verkehrsbeschränkungen in Betracht kommen.

Die Bundesregierung das wissen Sie ergreift eine ganze Palette an Maßnahmen, um die Luftqualität zu verbessern. Es gibt das Sofortprogramm Saubere Luft, Softwareupdates, und auf das Sofortprogramm aufsetzend noch einmal Hardwarenachrüstungen bei Kommunalfahrzeugen, Lieferfahrzeugen und Handwerkerfahrzeugen.

Sollten Verkehrsbeschränkungen dennoch als notwendig erachtet werden denn die kommunale Selbstverwaltung bleibt natürlich unberührt , dann sollen Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 sowie Fahrzeuge der Klassen Euro 4 und Euro 5, soweit sie weniger als 270 Milligramm Stickoxid pro Kilometer ausstoßen, ausgenommen werden. Damit soll sichergestellt werden, dass nachgerüstete Dieselfahrzeuge weiterhin in möglicherweise von Fahrverboten betroffene Städten einfahren und dort fahren können.

Die Eckpunkte stellen auch klar, dass die Maßnahmen, die wir für die 15 hochbelasteten Städte anbieten Umstiegsprämie, Gebrauchtwagentausch, Nachrüstung , für alle Städte mit Fahrbeschränkungen gelten. Das gilt dann also nicht nur für die betroffenen Städte, sondern das gilt dann auch für die umgebenden Landkreise und für alle Pendler.

Außerdem hat die Bundesregierung in den Eckpunkten vereinbart, dass sie erwartet, dass die jeweiligen Automobilhersteller die Kosten für die Hardwarenachrüstung einschließlich des Einbaus übernehmen.

So viel vielleicht zunächst über dieses Konzept es gibt ja möglicherweise noch Fragen. Unser Anliegen bleibt, beides sicherzustellen und wir arbeiten mit aller Kraft in Richtung der beiden Ziele, die wir haben : saubere Luft und Grenzwerte, die auch überall in unseren Städten eingehalten werden, und die Möglichkeit für Dieselfahrer, ihre Mobilität mit dem Auto zu behalten. Das sind die beiden Ziele, denen auch dieses Eckpunktepapier nun in sehr konkreter Weise dient.

FRAGE STEINER: Herr Seibert, in dem Eckpunktepapier heißt es, die Bundesregierung erwarte, dass die Kosten für Hardwarenachrüstungen von Euro-5-Diesel-Pkw für die besonders betroffenen Fahrzeugeigentümer usw. einschließlich der Kosten für den Einbau übernommen werden. Was heißt das für die Euro-4-Besitzer?

STS SEIBERT: Möchte das Verkehrsministerium sich dazu äußern?

STRATER: Auf welchen Punkt bezieht sich das jetzt genau?

ZUSATZ STEINER: Das bezieht sich in Ihrer Nummerierung auf Punkt 2.

STRATER: Sie meinen die Kosten für die Nachrüstung?

ZUSATZ STEINER: Ja, Kosten für die Nachrüstung. Sie erwarten für Euro-5-Fahrzeuge eine entsprechende Kostenübernahme. Wie schaut es mit Euro-4-Fahrzeugen aus?

STRATER: Wir haben ja immer gesagt: Euro 4 ist technisch nicht nachrüstbar, bei Euro 5 ein gewisser Teil. Sie werden in dem Konzept gleichwohl sehen, dass auch für Euro-4-Fahrzeuge eine Regelung vorgesehen ist. Das heißt aber, dass wir eine Regelung machen, die das nicht ausschließt. Das heißt, wenn Sie ein findiger und kluger Autobastler sind und eine technische Lösung für Euro 4 finden, dann soll es daran nicht scheitern. Das ist also der Rahmen, der das möglich macht; wir wollen also so viel wie möglich möglich machen. Wir sagen: Bei Euro 4 geht es nicht, bei Euro 5 geht es bei einem gewissen Teil, und wir schaffen den Rahmen dafür, dass alle technischen Lösungen, die es dann auch gibt, möglich sind.

ZUSATZFRAGE STEINER: Heißt das im Umkehrschluss auch: Sollte sich eine technische Lösung dafür doch noch einfinden, dann erwartet die Bundesregierung von der Autoindustrie auch, dass die entsprechenden Euro-4-Diesel nachgerüstet werden und dass diese Nachrüstungen dann von der Autoindustrie bezahlt werden?

STRATER: Wir gehen davon aus, dass es technisch nicht geht der Bauraum ist nicht vorhanden, Sie müssen das Fahrzeug sozusagen komplett neu bauen. Aber wie gesagt: Wir wollen alles rechtlich möglich machen, was auch nur irgendwie technisch mal möglich sein könnte. Wir gehen davon aus, dass es bei einem Teil der Euro-5-Fahrzeuge möglich ist, und dafür schaffen wir die Voraussetzungen.

FRAGE JORDANS: Wurden die Maßnahmen im Eckpunktepapier vorab mit der EU-Kommission besprochen?

Gibt es für die Maßnahmen irgendwelche Unterstützung von Gesundheitsexperten? Es geht ja auch um die Gesundheit von Stadtbewohnern.

Herr Strater, können Sie sagen, ungefähr wie viele Fahrzeuge Ihrer Meinung nach nachrüstbar sind? Gibt es dazu irgendeine Zahl?

STRATER: Jetzt muss ich einmal kurz graben wir haben im Moment so viele Zahlen. Von den Euro-5-Fahrzeugen sind es, glaube ich, 2 Millionen oder so etwas. Ich muss noch einmal nachsehen. Die Hälfte von denen, die es gibt, sind also technisch nachrüstbar, wenn ich mich richtig an die Zahlen erinnere also nicht alle, sondern ein Teil davon. Bei den Euro-5-Fahrzeugen sind es 2 Millionen wenn es eine andere Zahl ist, dann reiche ich sie gern noch nach.

Zur EU-Notifizierung steht ja etwas in dem Papier: BMU und BMVI führen die notwendigen Notifizierungen bei der EU für die verschiedenen Regelungen zügig gemeinsam durch. Ob vorab etwas abgestimmt worden ist, ist mir nicht bekannt. Für uns sind ja auch die Vorschriften eher die nationalen Regelungen Straßenverkehrszulassungsordnung, Straßenverkehrsgesetz. Das ist jetzt etwas, was national umgesetzt werden kann, und alles Weitere wird dann entsprechend noch geregelt.

ZUSATZFRAGE JORDANS: Waren Gesundheitsexperten Teil der Diskussion?

STRATER: Das muss jetzt keine Frage an uns sein, oder?

ZUSATZ JORDANS: Vielleicht an das Bundesministerium für Gesundheit?

GÜLDE: Da geht es ja um das Thema verkehrs- bzw. umweltbezogener Gesundheitsschutz. Insofern liegt das in den jeweiligen Ressorts, also Umwelt bzw. Verkehr.

HAUFE: Ich kann dazu gerne etwas sagen. Dass wir das Ganze natürlich aus dem Blickwinkel der Gesundheit betrachten, versteht sich bei dem Thema von selbst. Wir haben ja Grenzwerte, weil wir an dieser Stelle die Gesundheit der Bürger schützen müssen. Die Maßnahme, die jetzt sehr eindeutig und sehr klar in diesem Eckpunktepapier beschrieben worden ist, ist die Hardwarenachrüstung für Diesel-Pkw die wirksamste Maßnahme, die wir haben, um die Luftbelastung in Städten dort, wo es Probleme gibt, deutlich und rasch zu senken. Das ist aus Sicht der Bundesumweltministerin, die sich ja hier an dieser Stelle mehrfach für Hardwarenachrüstungen bei Diesel-Pkw eingesetzt hat, ein sehr großer Fortschritt. Wir haben jetzt eine sehr einheitliche und eine sehr eindeutige Position in der Bundesregierung, die verabschiedet worden ist, und eine klare Aufforderung an die Hersteller, die Nachrüstungen für die entsprechenden Diesel-Pkw zu bezahlen sowohl den Katalysator als auch den Einbau.

STS SEIBERT: Wenn ich das noch ganz kurz sagen darf Herr Haufe hat es ja vollkommen richtig gesagt : Die Grenzwerte drücken die Sorge um eine mögliche gesundheitliche Belastung von Bürgern durch Schadstoffemissionen aus. Deswegen sind diese Grenzwerte wichtig, und deswegen ist es für uns alle die Aufgabe, diese Grenzwerte einzuhalten. Es hat dazu in den letzten Tagen zum Teil eine für mich nicht verständliche Berichterstattung gegeben, die Bundesregierung wolle die Grenzwerte teilweise aushebeln. Nichts davon ist der Fall. Wir akzeptieren diese Grenzwerte. Sie gelten, sie sind europäisches Recht, und sie spornen uns an, alles, was wir können, zu tun mit einer Vielzahl von Maßnahmen , um den Städten und den Kommunen Möglichkeiten zu geben, diese Grenzwerte tatsächlich auch möglichst bald zu unterschreiten.

HAUFE: Ich kann noch eine Ergänzung machen: Wir haben in der Diskussion über die letzte Zeit auch eine Studie vonseiten des Umweltbundesamtes, von Epidemiologen, anfertigen lassen, die noch einmal den aktuellsten Wissensstand zu den Auswirkungen der Stickoxidbelastung auf die Gesundheit zusammengestellt haben. Auch hier haben wir uns also noch einmal wissenschaftlichen Rat geholt, und das hat an unserem Vorgehen nichts geändert, sondern uns im Gegenteil noch einmal befeuert, uns zum Beispiel für Hardwarenachrüstungen einzusetzen.

STRATER: Ich habe noch eine Ergänzung zu den nachrüstbaren Euro-5-Fahrzeugen. Es ist ungefähr die Zahl, die ich nannte: Ungefähr 2,2 Millionen von 5,5 Millionen Euro-5-Fahrzeugen sind nachrüstbar.

FRAGE BUSEMANN: Was genau ist gemeint mit der Formulierung „Die Bundesregierung erwartet, dass die Hersteller für die Nachrüstung aufkommen“? Ist das ein Appell oder werden verbindliche Vorschriften folgen, die die Hersteller dazu zwingen, die Nachrüstung auf eigene Kosten vorzunehmen?

STS SEIBERT: Das ist die Position, die wir sehr entschlossen in allen Gesprächen mit den Autokonzernen vertreten.

ZUSATZFRAGE BUSEMANN: Und was bedeutet das?

STS SEIBERT: Dass wir diese Position entschlossen vertreten und dass wir dazu in intensiven Gesprächen mit den Autokonzernen sind.

ZUSATZFRAGE BUSEMANN: Ja, aber meine Frage war doch: Werden Sie das als letztes Mittel verordnen, sodass den Herstellern nichts anderes übrigbleibt, oder wird es darauf hinauslaufen, dass es im Benehmen der Hersteller bleibt, für die Nachrüstung aufzukommen oder nicht?

STS SEIBERT: Vielleicht möchte sich das Verkehrsministerium zu der rechtlichen Frage äußern?

STRATER: Das haben wir hier auch schon gesagt: Wir reden bei diesem Komplex ja nicht über die Manipulationen, sondern wir reden über Diesel-Fahrzeugen nach alten Euro-Normen, die rechtlich vollkommen legal auf den Straßen unterwegs sind und bei denen wir die Autohersteller nicht zwingen können, sie jetzt technisch nachzurüsten. Insofern gilt genau das, was Herr Seibert gesagt hat.

FRAGE JUNG: Herr Seibert, können Sie erläutern, was passiert, wenn die Autoindustrie Erwartungen nicht erfüllt?

STS SEIBERT: Nein, das halte ich jetzt nicht für sinnvoll. Wir haben für die Bundesregierung einen ganz klaren Aktionsplan aufgestellt. Wir kommen jetzt in die Phase, dass aus den Vereinbarungen der Koalition Eckpunkte und sehr bald schon Gesetzentwürfe werden, und wir sind in intensiven Gesprächen mit den Autokonzernen.

ZUSATZFRAGE JUNG: Das heißt, wenn die Autokonzerne die Erwartungen nicht erfüllen, dann haben sie erst einmal nichts zu befürchten? Es hört sich jetzt jedenfalls so an, als ob Sie Erwartungen formulieren, aber wenn die Autoindustrie da nicht mitmacht, dann ist es auch nicht so schlimm.

STS SEIBERT: Das ist Ihre Wertung.

ZUSATZFRAGE JUNG: Darum frage ich ja, ich würde das gerne verstehen. Der Kollege hat es ja gerade auch nicht

STS SEIBERT: Das ist ausschließlich Ihre Wertung. Zur rechtlichen Frage hat Kollege Strater sich geäußert. Ganz üblicherweise beantworte ich hier keine Wenn-dann-Fragen, denn wir sind mitten im Prozess dieser intensiven Gespräche.

ZUSATZ JUNG: Aber das hört sich ja nach windelweichen Wünschen an, noch nicht einmal nach Forderungen.

STS SEIBERT: Ich glaube, es ist üblich, dass Sie Ihre Wertungen haben, und ich Sie Ihnen überlassen muss, wenn Sie das wollen.

FRAGE JENNEN: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat gestern im Hessischen Rundfunk gesagt, dass die staatliche Finanzierung der Nachrüstung ein letztes Mittel sei. Wäre das dann also der Weg, wenn es nicht zur industriefinanzierten Nachrüstung kommt?

STS SEIBERT: Die Worte der Bundeskanzlerin aus dem gestrigen Interview stehen für sich. In den Eckpunkten haben wir vereinbart, dass wir erwarten, dass die jeweiligen Automobilhersteller die Kosten für die Hardwarenachrüstung übernehmen, einschließlich des Einbaus.

ZUSATZFRAGE JENNEN: Das letzte Mittel, das die Bundeskanzlerin anvisiert hat?

STS SEIBERT: Die Worte stehen für sich und der Text im Eckpunktepapier, das heute das ganze Kabinett beschlossen hat, auch.

ZUSATZFRAGE JENNEN: Herr Fehling, ist das auch für das Finanzministerium ein letztes Mittel?

DR. FEHLING: Für uns gilt das, was heute im Kabinett beschlossen worden ist, und darüber haben wir hier eben ja schon ausführlich vorgetragen.

FRAGE ZIEDLER: Ich habe zwei Fragen zu den Gesprächen mit den Automobilherstellern.

Erste Frage: Inwiefern ist die Kanzlerin zum jetzigen Zeitpunkt bereits in diese Gespräche involviert?

Zweite Frage: Gibt es da einen bestimmten Zeithorizont? Wenn wir jetzt hören, dass bis Anfang 2019 die technischen Voraussetzungen geschaffen werden sollen: Kann man daraus schließen, dass diese Verhandlungen bis etwa Anfang 2019 dauern können, oder müsste da zwischen Bundesregierung und Autoindustrie früher Klarheit herrschen?

Eine Frage noch zu dem Bereich zwischen 40 und 50 Mikrogramm Schadstoffbelastung: Können Sie etwas dazu sagen, welchen Status diese jetzt getroffene Regelung genau haben wird? Sie sagten, die kommunale Selbstverwaltung bleibe davon unberührt. Gleichzeitig ist die Erwartung, dass dann in der Regel in diesem Bereich keine Fahrverbote auftreten sollen. Welchen Status hat diese Neuerung im Gesetz?

HAUFE: Ich fange einmal mit dem Status an: Das ist eine Orientierungshilfe, die im Bundes-Immissionsschutzgesetz gegeben wird, um zu schauen: In welchem Luftbelastungsbereich sind Fahrverbote angebracht und in welchem Belastungsbereich sind sie nicht unbedingt notwendig? Wir sagen ja „in der Regel“, das heißt, wir können es nicht ausschließen; das hat Herr Seibert auch noch einmal betont, und ich habe das auch am Montag mehrfach getan. Es bleibt am Ende eine Entscheidung der Kommune, und es kann natürlich auch eine bestimmte gerichtliche Situation oder Entscheidung geben, die sich aufgrund bestimmter Situationen, die wir jetzt auch erleben, nicht vermeiden lässt. Wir geben mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz aber noch einmal eine Orientierungshilfe anhand der Maßnahmen, die aktuell möglich sind, um die Luftbelastung in kurzer Zeit, kurz- bis mittelfristig, deutlich zu senken.

STS SEIBERT: So ist es. Wir mussten uns ja nach dem Leipziger Urteil des Bundesverwaltungsgerichts intensiv mit der Frage auseinandersetzen: Sind Fahrverbote in Deutschland generell vermeidbar? Unser Ziel ist es, sie generell zu vermeiden. Vor allem glauben wir aber, dass in den Städten, die zwar Grenzwertüberschreitungen haben, aber eben geringfügigerer Art, nämlich zwischen 40 und 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, aufgrund der zahlreichen Maßnahmen, die ergriffen worden sind und noch weiter ergriffen werden, eine Verhängung eines Fahrverbots in der Regel nicht verhältnismäßig sein würde wir haben hier am Montag ja sehr ausführlich über die Frage der Verhältnismäßigkeit gesprochen. Das greift, wie gesagt, nicht in die Selbstverwaltung der Kommunen ein. Aber die Kommunen waren es auch jedenfalls zahlreiche Kommunen , die die Bundesregierung gebeten haben, dazu sozusagen eine einheitliche Position zu beziehen. Dem sind wir jetzt nachgekommen, und deswegen werden wir dafür im Bundes-Immissionsschutzgesetz Vorsorge treffen.

ZUSATZFRAGE ZIEDLER: Was sagen Sie zur Frage nach dem Zeithorizont der Verhandlungen mit der Autoindustrie? Gibt es da sozusagen eine natürliche Deadline? Müsste zum Beispiel passend zur Schaffung der technischen oder gesetzlichen Rahmenbedingungen Klarheit herrschen, oder ist das erst einmal offen?

STRATER: Eine Deadline, also eine Frist, gibt es da nicht. Wir arbeiten mit Hochdruck daran. Es war nach dem Beschluss zum Konzept erst einmal wichtig, dass die Hersteller die Umtauschprämien anbieten. Darüber waren wir mit den Herstellern jetzt in erster Linie in engem Austausch. Diese Umtauschprämien sind jetzt am Markt, und jetzt können wir alle weiteren technischen und rechtlichen Fragen mit den Herstellern besprechen. Ich kann Ihnen jetzt aber nicht sagen, bis zu welchem Zeitpunkt das abgeschlossen werden soll. Unsere Erwartungshaltung ist sehr klar, und die machen wir auch in den Gesprächen sehr deutlich.

FRAGE JESSEN: Herr Zimmermann, ist das Verbraucherschutzministerium zufrieden mit der Formulierung der Erwartungshaltung, oder hätte sie sich da aus Verbraucherschutzinteressen mehr gewünscht?

ZIMMERMANN: Die Ministerin hat sich schon vor der heutigen Verabschiedung der Eckpunkte dazu geäußert. Sie hat deutlich gemacht, dass sie die Einigung der Koalition als einen wichtigen Schritt ansieht, und dabei hat sie insbesondere darauf hingewiesen, dass ja nicht jeder finanziell in der Lage ist, sich einen Neuwagen zu kaufen. Insofern hat sie die Erwartung der Bundesregierung bekräftigt, dass die Hersteller die Kosten für eine Nachrüstung übernehmen.

FRAGE: Herr Seibert, Ihnen sind ja relativ kurzfristig die neuen Messwerte in Frankfurt bekannt geworden. Wenn ich Herrn Helge Braun richtig verstanden habe, kommt nun ja auch Frankfurt in den Genuss dieser Hardware- und Umtauschprogramme. Vielen Wählern in Hessen drängt sich der Eindruck auf, dass die Regierung da eine ziemlich durchsichtige PR-Show verwendet. Können Sie diesen Eindruck nachvollziehen?

STS SEIBERT: Nein. Es gibt ja in dieser Sache vielleicht muss man das ein bisschen erklären in jedem Jahr zwei Stichtage. Zwischen Bund und Ländern ist vereinbart, dass die Länder ihre abschließend geprüften Messdaten jedes Jahr an das Umweltbundesamt senden, und zwar Ende Mai. Auf dieser Basis wird dann alljährlich der Bericht zur Luftreinhaltung erstellt, und bis Ende September zweiter Stichtag müssen die Daten dann an die Europäische Kommission gemeldet werden. So war es auch; die Veröffentlichung des Umweltbundesamtes am 31. Mai spricht von finalen Daten und abgeschlossener Auswertung. Das war auch die Grundlage für die Beratung innerhalb der Koalition und für den von der Koalition aufgestellten Maßnahmenplan.

Nun hat Hessen im Laufe des Septembers noch zwei neue Messorte mit neuen Jahresmittelwerten für diese Orte für 2017 nachgemeldet, und in dem Moment, in dem offensichtlich wurde, dass das für das Frankfurter, ich sage einmal, Gesamtergebnis eben auch für dieses Jahr noch relevant ist, rechnen wir Frankfurt selbstverständlich in die Liste der intensiv betroffenen Städte ein es waren 14, nunmehr sind es 15. Das heißt, dass eben auch die in Frankfurt möglicherweise betroffenen Dieselhalter all die Maßnahmen, all die Angebote bekommen, die für diese Intensivliste gelten. Das gilt dann auch noch für die angrenzenden Landkreise und für alle Pendler, was ja in Frankfurt eine große Gruppe von Menschen ist.

Das Entscheidende, denke ich, ist doch, dass die Maßnahmen der Bundesregierung, wie sie heute in den Eckpunkten beschlossen wurden und dann in Gesetzentwürfe umgesetzt werden, für alle betroffenen Kommunen gelten, und zwar in abgestufter Weise, je nach Grad der Schadstoffbelastung und je nach möglichem Risiko von Fahrverboten. Das ist die Situation.

ZUSATZFRAGE: Es ist also eine reine zeitliche Koinzidenz zwischen dem Bekanntwerden und der Wahl am Sonntag?

STS SEIBERT: Erst einmal: Was heute beschlossen wurde, inklusive Veränderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz, geht auf den 1. Oktober zurück, auf die Vereinbarungen innerhalb der Koalition, die jetzt ins Kabinett eingebracht worden sind.

Zweitens. Dieses Thema Schadstoffbelastung in den Kommunen, Dieselfahrer ist ein Thema, das ja nicht auf Wahlkampfzeiten Rücksicht nimmt. Es ist ein Thema, das in ganz Deutschland und in vielen Kommunen verteilt über ganz Deutschland die Menschen bewegt. Deswegen muss die Bundesregierung handeln, und deswegen handelt sie im Verbund mit den Kommunen und den Ländern, denen da auch eine erhebliche Verantwortung zukommt.

FRAGE STEINER: Während wir hier sitzen, scheint das Verwaltungsgericht Mainz jetzt auch Klarheit geschaffen zu haben und ab dem 1. April 2019 ein Fahrverbot zu verhängen. Insofern eine aktuelle Frage zum Zeithorizont: Was ist denn da geplant? Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, haben Sie mit den technischen Richtlinien auf jeden Fall das Problem mit der Notifizierungspflicht auf europäischer Ebene. Was glauben Sie, bis wann Sie wer auch immer von Ihnen tatsächlich etwas bewirken können?

STS SEIBERT: Urteile der Gerichte kommentieren wir in dem Sinne sowieso nicht, und ein gerade ergangenes und von niemandem so richtig gelesenes Urteil kann ich das verstehen Sie sicherlich hier erst recht nicht kommentieren.

ZUSATZ STEINER: Danach habe ich auch nicht gefragt.

STS SEIBERT: Genau. Aber die Eckpunkte, die heute im Kabinett beschlossen wurden, die Dringlichkeit, mit der wir das angehen, die Fristen, die für die Ausarbeitung der notwendigen technischen Details gesetzt worden bis Ende des Jahres im einen Fall bzw. bis Anfang des Jahres im anderen Fall , zeigen Ihnen doch, dass die Bundesregierung die Absicht hat, dieses Thema mit aller Dringlichkeit im Interesse der Bürger und vor allem auch im Interesse gesunder Luft in unseren Städten voranzutreiben.

ZUSATZFRAGE STEINER: Dennoch die Frage an Herrn Strater: Sowohl die technische Richtlinie als auch das Bundes-Immissionsschutzgesetz müssen in jedem Fall in Brüssel notifiziert werden, das heißt, es gibt nach den üblichen Regeln eine mindestens dreimonatige Stillhaltefrist, wenn keine entsprechenden Anmerkungen kommen. Das heißt, wer jetzt darauf vertraut, dass das Ganze beispielsweise bis April schon irgendwie anders geregelt werden würde, der baut doch eigentlich auf Sand, oder?

STRATER: In diesen Eckpunkten werden Zeithorizonte genannt: für die Förderrichtlinien für Hardwarenachrüstungen bei schweren Kommunalfahrzeugen und bei Handwerkerfahrzeugen noch 2018, für die rechtlichen und technischen Vorschriften für den Einsatz von Nachrüstungen zu Beginn des Jahres 2019. Ich kann das im Moment noch nicht weiter konkretisieren. Wir setzen das jetzt um, und alles Weitere wird man dann sehen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran so hat es der Regierungssprecher gesagt, und dem kann ich nur beipflichten. Wir machen das jetzt schnellstmöglich.

HAUFE: Es ist ja auch nicht so, dass wir jetzt erst anfangen würden, etwas auf den Weg zu bringen. Wir haben das Sofortprogramm Saubere Luft, wir haben Geld bereitgestellt für die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs in diesen Städten, und alle Städte, die jetzt mit Fahrverboten agieren müssen, kommen ja in den Genuss zusätzlicher Maßnahmen. Die Städte sind jetzt deutlich weiter mit den Planungen oder sind schon bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen. Wir haben außerdem die Softwareupdates, bei denen es weitergegangen ist. Wir fangen mit den jetzigen Maßnahmen also nicht bei null an; vielmehr setzen diese Maßnahmen auf das bestehende Programm auf.

Weil es gerade um die Messwerte in Hessen ging und es gestern wieder Äußerungen gab, dass wir unser Messnetz einmal überprüfen müssten, würde ich gerne noch eine Anmerkung machen: Dass ein Land Messwerte korrigiert, zeugt genau davon, dass wir ein funktionierendes Messnetz haben, das regelmäßig überprüft wird. In manchen Ländern gibt es jährliche Überprüfungen. Es muss mindestens alle fünf Jahre überprüft werden.

Die Äußerungen, die es da in der politischen Landschaft gibt, wir bräuchten jetzt ein umfassendes Programm, um das Messnetz zu überprüfen, sind aus Sicht der Bundesumweltministerin ein reines Ablenkungsmanöver. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir die Luftbelastung in den Städten senken. Das können wir mit dem tun, was wir heute unter anderem beschlossen haben. Aber Messstellen umzustellen oder ihre Funktion in Frage zu stellen, bringt uns bei der Lösung dieses Problems und bei der Gesundheitsbelastung der Leute sicherlich nicht weiter. Das ist eine klare Position, die ich gern noch einmal für die Bundesumweltministerin hier machen möchte.

FRAGE WEFERS: Nur noch einmal zu meinem Verständnis – wer immer sich zuständig fühlt: Wann kann der Diesel-Fahrer denn jetzt in die Werkstatt fahren und die Nachrüstung verlangen oder besprechen? Also wann wird das sein? Weiß er dann, wer das bezahlt oder weiß er, dass er das selber bezahlen muss?

STRATER: Also der Diesel-Fahrer hat ja mehrere Optionen. Er kann die Umtauschprämie in Anspruch nehmen.

ZURUF WEFERS: Es geht ja jetzt um die Nachrüstung.

STRATER: Ich weiß. Ich sage es nur für die, die es nicht wissen.

Er kann die Umtauschprämie in Anspruch nehmen. Er kann dafür einen Neuwagen kaufen. Er kann dafür einen Gebrauchtwagen kaufen, ein sauberes Fahrzeug.

Die Nachrüstoptionen – das haben wir immer gesagt – dauern. Wir brauchen die technischen Vorschriften, wir brauchen die rechtlichen Vorschriften und vor allen Dingen – und das liegt dann nicht in unserer Hand – müssen die Hersteller diese Nachrüstsysteme auf den Markt bringen. Sie müssen sie entwickeln. Sie müssen das beim KBA zur Genehmigung vorlegen. Es ist nicht so, dass im Keller des Verkehrsministeriums Hardware-Nachrüstungssets zusammengeschraubt werden, sondern das machen schon die Hardware-Nachrüster selbst und sie müssen das machen.

Es gibt bisher nichts, was wir im KBA genehmigen könnten kein System, das im Moment genehmigungsfähig ist. Das muss man auch wissen. Wir haben diese Hardwarenachrüstung immer skeptisch gesehen. Das haben wir hier vielfach beschrieben. Wir haben das auch vielfach begründet. Es gibt eben auch auf der Zeitachse einen kritischen Faktor. Deswegen kann ich Ihnen nicht sagen, wann der Diesel-Fahrer mit diesem Nachrüstsatz rechnen kann. Wir machen unser Ding und schaffen die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür und die Genehmigungsfragen. Aber die Hersteller müssen diese Geräte auf den Markt bringen.