Schlechte Luft, Hysterie und Enteignungen: An der Diesel-Debatte stinkt einfach alles

Die Bundesregierung möchte mit ihrem sogenannten Dieselpaket Fahrverbote vermeiden. Doch die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen sind weitgehend untauglich. Dabei gibt es gute Gründe zur Annahme, dass das eigentliche Problem nicht der Diesel ist.

von Andreas Richter

Kein vernünftiger Mensch freut sich über schlechte Luft in den Städten. Die gute Nachricht ist: Die Luft in den deutschen Städten ist den letzten 20 Jahren immer besser geworden. Und dieser Trend wird sich fortsetzen. Die schlechte Nachricht: In einigen deutschen Städten wird der seit 2010 EU-weit geltende Grenzwert für Stickoxide überschritten.

Dieser Wert liegt im Jahresmittel bei 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft. 2017 lag der Wert in 65 deutschen Städte über dieser Grenze, nur in 14 von ihnen deutlich. 2016 waren es noch 90 Städte. Die höchsten Werte wurden mit gut 70 bzw. knapp 80 Mikrogramm an Messstellen in Stuttgart und München gemessen.

Nun ist der EU-Grenzwert für Stickoxide im Verkehr vergleichsweise streng, sehr streng. In den USA liegt der entsprechende Wert bei 100 Mikrogramm, für Büroarbeitsplätze gilt in der EU ein Grenzwert von 60, für Industriearbeitsplätze sogar von 950 Mikrogramm. Angesichts dieser Werte und der klaren und anhaltenden Tendenz nach unten lässt sich tatsächlich die Frage stellen, ob hier die Luftqualität das Problem darstellt oder der sehr ambitionierte Grenzwert.

Die den Grenzwert bestimmende Richtlinie wurde von der EU 1999 beschlossen, auch die Bundesregierung stimmte ihr im Europäischen Rat zu. 2002 folgte die Umsetzung in deutsches Recht. Als abzusehen war, dass der Grenzwert bei seinem Inkrafttreten 2010 großflächig überschritten werden würde, gewährte die EU eine Fristverlängerung bis 2015. Spätestens an diesem Punkt hätte die Bundesregierung handeln und eine sinnvolle Emissionsregelung schaffen müssen – sie tat es nicht.

Aus technischer Sicht gibt es einen Zielkonflikt zwischen der Reduzierung der Stickoxide, der des Feinstaubs und dem immer gewünschten niedrigen Verbrauch. Jahrelang lag der Fokus hier auf dem Feinstaub, es gab vonseiten der Politik keine Vorgaben für NO2-Emissionen im Realbetrieb. Die Hersteller optimierten das Abgasverhalten ihrer Fahrzeuge auf die vorgeschriebenen Prüfzyklen. Das kann man verwerflich finden, wenn man aber von illegalen Manipulationen wie bei Volkswagen absieht, haben sich die Hersteller an Recht und Gesetz gehalten.

Anders als in der gegenwärtigen Debatte oft zu hören, ist nicht die Industrie, sondern die Politik verantwortlich für die gegenwärtige Lage. Sie hat über Jahre hinweg keine adäquate Lösung für ein bekanntes Problem angeboten und dieses auf die Kommunen geschoben. Als diese nach entsprechenden Urteilen von Verwaltungsgerichten tatsächlich anfingen, Fahrverbote zu erlassen, kam die Bundesregierung vor einigen Wochen mit einer Scheinlösung um die Ecke, dem sogenannten Dieselpaket.

Dieses sieht vor allem den "Umtausch" betroffener Diesel vor, den die Hersteller mit großzügigen "Prämien", also Rabatten, unterstützen sollen. Prinzipiell möglich soll auch eine technische Nachrüstung von Fahrzeugen sein, wobei es hier noch mehr offene als geklärte Fragen gibt. Wirklich sinnvoll ist vor allem die Förderung der Nachrüstung kommunaler Großfahrzeuge mit SCR-Katalysatoren, die Wirkung zeigen wird. An dieser Förderung lässt sich nur kritisieren, dass sie zu spät kommt. Ansonsten ist das Dieselpaket eine reine Showveranstaltung, die weder der Umwelt noch den betroffenen Dieselfahrern helfen wird.

Diese sind in der gegenwärtigen Lage die eigentlichen Gekniffenen. Sie haben sich teilweise erst vor wenigen Jahre Fahrzeuge mit gültigen Typgenehmigungen gekauft, die seinerzeit auch von der Politik als umweltfreundlich gepriesen wurden. Jetzt sind diese Fahrzeuge praktisch entwertet, ihre Eigentümer enteignet. Man wundert sich, dass die Empörung unter ihnen nicht lauter ist und auch kaum Fragen nach der Rechtssicherheit in diesem Land zu hören sind.

Wenn die Regierung den Dieselfahrern wirklich helfen will, muss sie ihr Dieselpaket einstampfen und bei der EU-Kommission um die zeitweise Aussetzung der Grenzwerte bitten, die in wenigen Jahren ohnehin erreicht werden. Natürlich wäre das für Deutschland peinlich, peinlicher allerdings wäre es, wenn sich Fahrverbote, deren Nutzen für die Umwelt im Übrigen bezweifelt werden können, in den nächsten Monaten weiter ausbreiten würden.

Das Agieren der Bundesregierung in der Dieselkrise ist geradezu exemplarisch für ihre Form des Regierens. Ein konkretes Problem wird erst mit geschaffen, dann ignoriert, schließlich als "vom Himmel gefallen" dargestellt. Zu seiner Lösung gibt es eine Showveranstaltung (den Dieselgipfel), die Lösungen präsentiert, die nicht funktionieren, aber natürlich "alternativlos" sind. Begleitet und getrieben wird das ganze von zweifelhaften externen Akteuren (hier der Deutschen Umwelthilfe, die wohl vor allem sich selbst hilft) und überdrehten Medien. Ein wirkliches Diskutieren von Problemen und Interessen findet nicht statt. Die spannende Frage ist, wie weit diese Form der Politik noch trägt.

Noch eine Bemerkung zum Thema Diesel: Dass in der gegenwärtigen Debatte immer wieder das Ende des Diesels ausgerufen wird, ist mindestens voreilig. Ein Problem wie das der Stickoxide hätte auch den Benziner treffen können, dem der Diesel etwa in den Punkten Verbrauch sowie Feinstaub- und CO2-Emissionen immer noch überlegen ist. Und ob der Elektroantrieb für den Individualverkehr der Zukunft wirklich die einzige Lösung darstellt, darf auch bezweifelt werden. Ganz unabhängig von der Antriebsart braucht dieses Land eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs in den Städten. Von der dafür notwendigen umfassenden Verkehrswende ist leider noch so gut wie nichts zu sehen.

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