Für Diesel-Besitzer soll es neue Angebote geben, um Fahrverbote in Städten mit zu schmutziger Luft abzuwenden. Das sieht ein Paket vor, auf das sich die Spitzen der großen Koalition am Dienstagmorgen nach rund sechsstündigen Beratungen geeinigt haben. Kernelement sind Kaufanreize für den Kauf neuer Fahrzeuge. Laut SPD-Chefin Andrea Nahles gibt es auch eine Verständigung zu den umstrittenen Hardware-Nachrüstungen für ältere Diesel. Dafür könnten - nach Informationen der dpa - voraussichtlich zu einem kleineren Teil auch Steuergelder eingesetzt werden.
Hintergrund für die neuen Maßnahmen ist die zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten. Diesel-Abgase gelten als eine Hauptursache dafür. Daher drohen Fahrverbote für ältere Diesel. In Hamburg sind schon zwei Straßenabschnitte für sie gesperrt, in weiteren Städten sind für 2019 Fahrverbote geplant. Die EU-Kommission macht ebenfalls Druck und will die Bundesrepublik per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.
Details des von der Koalition nun erarbeiteten "Konzepts für saubere Luft und die Sicherung der individuellen Mobilität in unseren Städten" sollen Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) am Dienstagmittag vorstellen. Auf die Frage, ob die Autoindustrie das Konzept mittrage, sagte Nahles: "Das werden wir sehen." Sie sprach von einer ausgesprochen komplexen Einigung. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erläuterte, das Paket enthalte mehrere Elemente, die parallel oder auch alternativ zur Verfügung stehen könnten.
Bei dem Treffen hatte es ein schwieriges Ringen um Lösungen für Besitzer alter Diesel-Fahrzeuge gegeben, denen in mehreren Städten Fahrverbote drohen. Im Kern ging es in den Beratungen von Union und SPD um neue Kaufanreize der Autohersteller in Höhe von mehreren Tausend Euro je Fahrzeug, damit mehr Besitzer ihre schmutzigen Alt-Diesel durch sauberere Neu-Fahrzeuge ersetzen. Dies hatte Scheuer als oberste Priorität bezeichnet.
Besonders kompliziert waren die Verhandlungen über die Nachrüstung von Motoren mit zusätzlicher Abgastechnik. Darauf hatte vor allem die SPD gepocht, da sich viele Bürger auch mit Kaufprämien kein neues Auto leisten könnten. Dabei waren vor dem Treffen schwierige Fragen von Finanzierung und Haftung deutlich geworden. Die Bundesregierung übte Druck aus, um die Autobauer zur vollständigen Kostenübernahme zu bewegen. Offen war zunächst auch, wer eine Gewährleistung übernimmt und wann Hardware-Nachrüstungen umgesetzt werden können.
Die Verbraucherzentralen begrüßten es grundsätzlich, dass CDU, CSU und SPD sich auf ein Maßnahmenpaket geeinigt haben. "Wenn es für Autobesitzer kostenfreie Nachrüstungen mit Garantien und großzügige Rabatte beinhaltet, wäre das ein Schritt nach vorne", sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller.
Bereits nach dem Dieselgipfel von Bund und Autobranche 2017 hatten die deutschen Hersteller Prämien von bis zu 10.000 Euro aufgelegt. Diese nahmen auch mehr als 200.000 Kunden in Anspruch, wie es im Juli hieß. Dieser Effekt reichte der Regierung aber nicht. Generell können Kunden beim Autokauf mit Rabatten von einigen Tausend Euro rechnen.
An der Einigung der Koalition dürfte es von vielen Seiten Kritik geben. Bereits im Vorfeld hatte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter die Regierung der Kumpanei mit der Autoindustrie bezichtigt. Diese werde mit einem "Sonderkonjunkturprogramm" belohnt, anstatt zur Umrüstung der alten Fahrzeuge gezwungen zu werden. Viele Diesel-Fahrer würden sich auch mit Kaufprämien kein neues Fahrzeug leisten können.
Auch aus ökologischer Sicht erscheint die Einigung zweifelhaft. Die alten Dieselfahrzeuge dürften zum Großteil in Osteuropa landen und dann dort zur Luftverschmutzung beitragen. Und in einer ökologischen Gesamtbilanz wird die Produktion von Millionen von Neufahrzeugen mit dem damit verbundenen Ressourcenverbrauch die Verbesserung bei den Abgaswerten in den Städten mehr als aufwiegen.
Nach allem, was bisher bekannt ist, kann die Autoindustrie als Gewinner der Einigung gelten. Sie würde mit der Umtauschlösung zusätzliche Umsätze verzeichnen. Wie hoch dagegen die im Rahmen dieser Lösung den Endkunden gewährten Rabatte tatsächlich sein werden, dürfte für Außenstehende kaum nachvollziehbar sein.
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(rt deutsch/dpa)