Auf seinem Schreibtisch im Bundestagsbüro steht ein weißer Keramik-Geißbock. Der 1968 in Rheda-Wiedenbrück geborene Westfale ist fest vom Wiederaufstieg seines 1. FC Köln überzeugt, und spielt ab sofort in der obersten Liga der Bundespolitik. Der bisherige Stellvertreter hatte die Kanzlerin und Unions-Fraktionschef Volker Kauder vorab über seine Kandidatur um den Fraktionsvorsitz im Bundestag informiert.
Brinkhaus machte einen für Berlin ungewöhnlichen Wahlkampf - beim Treffen in seinem Büro vor der Wahl war ein in sich ruhender Mann zu erleben, der kein schlechtes Wort über Merkel und Kauder verlor.
Sein Programm: Nach 13 Jahren Kauder brauche es neue Köpfe, Aufbruch, frischen Wind.
Ich kandidiere für neuen Schwung in der Fraktion, nicht gegen die Kanzlerin", betonte er vor der Wahl.
Leise und freundlich im Ton, durchsetzungsstark in der Sache ist der Westfale.
Erstmals kam es in der Ära Merkel in der Unions-Fraktion im Bundestag zu einer Kampfkandidatur - Kauder war wie Merkel seit 13 Jahren im Amt und organisierte für sie verlässlich Mehrheiten für Regierungspläne. Brinkhaus wurde unterschätzt, so wie Merkel im Fall des als Verfassungsschutzpräsidenten abgesetzten und zwischenzeitlich stattdessen zum Staatssekretär beförderten Hans-Georg Maaßen bedauerte, dass sie die Reaktionen der Bürger unterschätzt habe.
Kauder wurde zum Blitzableiter für einigen Frust über Merkel. 30 Prozent schienen für Brinkhaus möglich. Als er nach dem Erdbeben in der Fraktion, seinem völlig überraschenden 125 zu 112 Stimmen-Sieg kurz vor die Kameras tritt, sagt der 50-Jährige trocken:
Jetzt geht es ganz schnell darum, wieder an die Arbeit zu kommen.
Ab morgen müsse man wieder das tun, "was die Menschen von uns erwarten: an der Sache zu arbeiten". Immerhin gilt er nicht als ein Kritiker Merkels der Kategorie Jens Spahn. Aber hart in der Sache.
Er ist keiner für die schnelle Schlagzeile, kein Lautsprecher. Wird Merkel mit ihm klarkommen? Oder wird das Regieren für sie mit einer selbstbewussten Unions-Fraktion nun noch schwieriger? Sie habe Brinkhaus eine "gute Zusammenarbeit" angeboten, sagt sie nach der Klatsche. In der Demokratie gebe es auch Niederlagen.
Da gibt es auch nichts zu beschönigen", erklärte Merkel.
Nach den ganzen Koalitionskrisen ist Brinkhaus besorgt, dass im Land noch mehr das Vertrauen in die Demokratie schwindet und die AfD weiter erstarkt. "Wir müssen achtsamer sein im Umgang mit den Parteien der Mitte. Wir müssen zeigen, dass uns eine Sache vereint: Deutschland gut in die nächste Zeit zu führen und die Demokratie in der Bundesrepublik aus tiefstem Herzen zu stützen", sagt Brinkhaus.
Meine größte Sorge gilt dem Zusammenhalt dieses Landes. Da ist in den vergangenen drei Jahren etwas kaputt gegangen", ergänzt er.
Er hat Wirtschaftswissenschaften studiert, machte seinen Wehrdienst bei den Panzerjägern im westfälischen Augustdorf und arbeitete als Steuerberater in Gütersloh. Der Heimat ist er sehr verbunden. In die CDU kam er 1984 zu Schulzeiten über die Junge Union. Er ist seit 2009 im Bundestag. Die zwei Bilder im Büro - moderne Kunst und eines zeigt in Umrissen den Kreis Gütersloh - hat seine Frau ausgesucht.
Er hat sich schnell im Bundestag einen Namen als Finanz- und Haushaltspolitiker gemacht - er sah die Griechenlandhilfen kritisch und pocht auf eine Mitsprache des Bundestags beim Aufbau und der Ausgestaltung eines dauerhaften Europäischen Währungsfonds. 2013 wurde er zum Fraktionsvize gewählt.
Er gilt nicht als Abnicker - er steht in Zeiten einer erstarkenden AfD für einen konservativen Kurs mit klarer Handschrift. Und mehr Selbstbewusstsein gegenüber Merkel und ihrer Regierung. Doch all die Merkel-Kritiker, die auf ihren Sturz lauern, müssen nun an der Fraktionsspitze, dem Machtzentrum beim Schmieden von Gesetzen, mit einem vorlieb nehmen, der in all den machtarithmetischen Überlegungen für die Zukunft bis vor wenigen Wochen kaum eine Rolle spielte.
Aber was will Brinkhaus? Ihm geht es um Erneuerung - und mehr Sprechfähigkeit im Umgang mit an die AfD verlorenen Wählern:
Wir wollen einen neuen Anlauf, um mit jenen ins Gespräch zu kommen, die sich von uns abgewandt haben. Auch im Mittelstand haben wir zunehmend Protestwähler, um die wir uns stärker als bisher kümmern müssen.
Er meint, man müsse stärker für den Zusammenhalt im Land kämpfen - aber nicht mit immer höheren Sozialleistungen. "Wir können die Gräben in der Gesellschaft nicht mit Haushaltsmitteln zuschütten."
Anfangs belächelt für seine Kandidatur, zog er westfälisch-stur das Ding durch - kein prominenter Unions-Politiker schlug sich öffentlich auf seine Seite. Nun reiht er sich plötzlich ein in eine illustre Liste an der Spitze der Unions-Fraktion mit Namen wie Rainer Barzel, Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble - und Angela Merkel.
(dpa/rt deutsch)