Berlin bereitet sich auf den Besuch des türkischen Präsidenten vor. Recep Tayyip Erdoğan kommt vom 27. bis 29. September auf Einladung des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zu seinem ersten Staatsbesuch nach Deutschland. Dazu gehören anders als bei früheren Arbeitsvisiten ein Empfang mit militärischen Ehren und ein Staatsbankett. Bereits ab Donnerstagmorgen und dann bis Samstagnachmittag werden zahlreiche Straßen und Plätze rund um das Regierungsviertel sowie um das Hotel Adlon in Berlin, in dem der Gast aus Ankara übernachten soll, abgeriegelt.
Zahlreiche Proteste gegen den Besuch und Absagen des Staatsbanketts
Die Anwohner der abgesperrten Bereiche wurden von der Polizei angewiesen, während der angeführten Tage stets ihren Ausweis beim Verlassen der Wohnung bei sich zu haben und die Fenster in ihren Appartements geschlossen zu halten. Zahlreiche Proteste werden erwartet, am Freitag soll in der Nähe der Siegessäule eine große Anti-Erdoğan-Demonstration stattfinden. 10.000 Teilnehmer sind angemeldet.
Der türkische Präsident soll während seines Besuchs Bundeskanzlerin Angela Merkel zweimal treffen; am Samstag will er nach Köln reisen, um dort die DİTİB-Zentralmoschee zu eröffnen. Der Bundespräsident richtet für den türkischen Staatschef im Schloss Bellevue auch ein Staatsbankett aus. Mehrere Oppositionspolitiker haben ihre Teilnahme bereits abgesagt.
FDP-Chef Christian Lindner sagte der Rheinischen Post, er werde die Einladung ins Berliner Schloss Bellevue nicht annehmen, weil er "nicht Teil von Erdoğan-Propaganda" sein wolle. Auch die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck sowie die Grünen-Fraktionschefs Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter haben abgesagt. Ein Staatsbankett sei "nicht der Ort", um den ansonsten notwendigen Dialog mit dem türkischen Präsidenten zu führen, hieß es. Dabei müsse es vor allem um die "extrem problematischen Themen wie das Vorgehen in Syrien oder die Inhaftierung von Oppositionellen" gehen.
Cem Özdemir hat die Einladung zum Bankett mit Erdoğan angenommen
Ein Grünen-Politiker will indes doch hingehen – der frühere Partei-Chef Cem Özdemir. Zwar stehe außer Frage, dass Erdoğan ein solches Staatsbankett nicht verdient habe, sagte er dem Tagesspiegel. Mit seiner Teilnahme erhoffe er sich aber, ein Signal sowohl in die Türkei als auch in die deutsch-türkische Gemeinschaft zu senden, das klarmache: "Die Opposition in Deutschland gehört zur Politik dieses Landes dazu, wir sind ein fester und notwendiger Bestandteil unserer Demokratie." Er fügte an, auch ein noch so mächtiger Präsident könne diese Regeln nicht umgehen.
Er muss mich, der für die Kritik an seiner autoritären Politik steht, sehen und aushalten.
Zugleich warnte Özdemir dem Bericht zufolge vor einer Charmeoffensive des türkischen Staatschefs. Sie sei ein wirtschaftliches Kalkül.
Die Kanzlerin muss Erdoğan deutlich machen, dass der deutsche Rechtsstaat sein despotisches Verhalten nicht toleriert und nicht akzeptieren wird, dass Erdoğan Konflikte nach Deutschland holt und hierzulande ein Spitzel- und Denunziantensystem aufbaut", sagte Özdemir der Zeitung.
Ihre Einladung zum Staatsbankett haben auch der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Bijan Djir-Sarai, die Linken-Fraktionsvize Sevim Dağdelen sowie die Fraktionschefs der AfD, Alexander Gauland und Alice Weidel, Co-Parteichef Jörg Meuthen und AfD-Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann ausgeschlagen.
Mehr zum Thema - Erdoğan soll die größte Moschee in Deutschland eröffnen - Linke spricht von Propaganda-Auftritt
Deutschland und die Türkei bemühen sich sei einigen Monaten um eine Normalisierung ihrer Beziehungen. Kurz vor seiner Visite sagte Erdoğan, er wünsche sich ein Ende der Spannungen zwischen den beiden Ländern. Er wolle in Berlin unter anderem aber auch deutlich machen, dass die Türkei einen entschlosseneren Kampf gegen Aktivitäten der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der Gülen-Bewegung in Deutschland erwarte. Die türkische Führung macht die Bewegung um den islamischen Prediger Fethullah Gülen, der in den USA lebt, für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich.