Maaßens Chemnitz-Bericht und der Elefant im Raum

Verfassungsschutzchef Maaßen wurde nach seiner Kritik an der Verwendung des Begriffs "Hetzjagden" für die Ereignisse in Chemnitz selbst heftig kritisiert. Jetzt erhält er Unterstützung. Zurecht, denn er zeigt auf, wo die eigentlichen Probleme liegen.

von Andreas Richter

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hat am Montag den erwarteten schriftlichen Bericht mit seinen Einschätzungen zu den Ereignissen in Chemnitz seinem Dienstherrn übermittelt, dem Bundesinnenminister Horst Seehofer. Auch das Kanzleramt erhielt den Bericht.

Maaßen war in die Kritik geraten, weil er die mediale Darstellung der Ereignisse und die Verwendung des Begriffs "Hetzjagden" kritisiert hatte. Damit hatte er sich indirekt gegen die Kanzlerin Angela Merkel und das politische und mediale Establishment gestellt. Maaßen hatte auch Zweifel am Video geäußert, das Übergriffe in Chemnitz belegen soll. Gegenüber der Bild hatte er am Freitag erklärt:

Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist. Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.

Merkel hatte zuvor erklärt:

Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab, dass es Zusammenrottungen gab, dass es Hass auf der Straße gab, und das hat mit unserem Rechtsstaat nichts zu tun.

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Daraufhin sah sich Maaßen scharfer Kritik und Rücktrittsforderungen von Seiten der Mainstreammedien und der Politik ausgesetzt. Politiker von SPD, Grünen, Linken und FDP, aber selbst von der Union forderten Maaßens Rücktritt. Maaßen verharmlose mit seinen Behauptungen rechtsextreme Gewalt und untergrabe das Vertrauen in den Rechtsstaat. Der grüne Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz verstieg sich sogar zu der obskuren Behauptung, dass Maaßen als Sprachrohr für "russische Anti-Merkel-Propaganda" agiere.

Maaßen bestreitet Echtheit von Video nicht mehr

Was die Echtheit des Videos betrifft, hat Maaßen seine Aussage relativiert. Wie die Süddeutsche.de berichtet, erklärte er nun gegenüber Seehofer, dass er falsch verstanden worden sei. Das Video sei nicht gefälscht, er bezweifle aber, dass es authentisch eine "Menschenjagd" zeige.

Die hysterische Reaktion des Mainstreams auf Maaßens Bemerkungen legt nahe, dass er hier einen wunden Punkt getroffen hat. Und dass es um viel mehr geht, als um bloße Begrifflichkeiten. Fast sämtliche Medien und dazu auch noch die Bundesregierung haben sich mit nicht mehr als einem Videoschnipsel als Beleg zu der Behauptung aufgerafft, es habe in Chemnitz Hetzjagden und Pogrome gegeben. Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Zumal dieses Video - wie heute bekannt - von einer linksradikalen Facebookseite verbreitet worden war und eine Vorgeschichte hat, die die Abläufe des gezeigten Geschehens in einem anderen Licht erscheinen lässt. 

Dass sich das mediale und politische Establishment zu einem solchen Vorgehen verstieg, zeigt, worum es eigentlich ging: Darum, einige Demonstranten und deren Anliegen zu delegitimieren und die Themen Migration und migrationsbezogene Kriminalität in den Hintergrund zu rücken. Linksliberale und Linksextreme waren dabei gern behilflich. Maaßen bricht mit seiner Position die Front des bundesdeutschen Establishments auf und benennt den "Elefanten im Raum".

Und er ist nicht mehr allein. Wirkte Maaßen am Wochenende mit seiner Positionierung zu Chemnitz noch einsam, so hat er mittlerweile Unterstützer gefunden. Der grüne Bürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, schrieb auf seiner Facebook-Seite: "Wem glaube ich jetzt eher? 'Antifa-Zeckenbiss' oder dem Präsidenten des Verfassungsschutzes?" und bestärkte Maaßen in seiner Medienkritik.

Der Tagesspiegel berichtet heute, dass die Sicherheitsbehörden insgesamt Maaßens Kritik teilen und Merkels Flüchtlingspolitik vor allem wegen ihrer Folgen für die innere Sicherheit von vornherein kritisch sahen.

Ex-BND-Chef stützt Maaßens Aussage zu innerer Sicherheit

Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) August Hanning fand in einem Interview mit dem Morning Briefing des ehemaligen Handelsblatt-Herausgebers Gabor Steingart am Dienstag noch klarere Worte. Der Kontrollverlust durch die 2015 begonnene massenhafte Einwanderung bestehe fort. Ein besonderes Problem seien die Ausreisepflichtigen, die aber mit dem deutschen Strafrecht nicht mehr erreicht werden könnten. Dieses Thema werde öffentlich nicht diskutiert:

Im Grunde müsste man, wenn man sagt, derjenige ist ausreisepflichtig, sehr schnell dafür sorgen, dass sie auch das Land verlassen. Das erleben wir jetzt in Chemnitz, das erleben wir auch in Köthen... das haben wir auch in Köln erlebt... Von diesen Leuten geht die größte Gefahr für die innere Sicherheit dieses Landes aus.

Hanning kritisiert die Kanzlerin auch direkt. Man habe den Eindruck, dass die Kanzlerin mit ihrer Entscheidung 2015 das deutsche Aufenthaltsrecht zum Teil außer Kraft gesetzt habe. Nach dem Eindruck der Sicherheitsbehörden werde deutsches Recht nicht vollzogen, das erzeuge Frustration und auch Sympathien für die AfD. Hanning spricht von Staatsversagen, und verteidigt die "besorgten Bürger" von Chemnitz, die man nicht beschimpfen dürfe. Die Politik sollte deren Sorgen vielmehr aufgreifen.

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Hanning muss, anders als Maaßen, kein Blatt mehr vor den Mund nehmen, er ist schon lange im Ruhestand. Mit seinen Bemerkungen wird noch deutlicher, worum es eigentlich geht. Das Establishment wird jetzt, da seine Front zu bröckeln begonnen hat, die Themen Migration und innere Sicherheit nicht länger wie bisher kleinreden können.

Es wird spannend werden zu sehen, wie sich die Diskussion innerhalb der Union entwickeln wird, und auch wie innerhalb der Bundesregierung. Auch, was aus Maaßen wird und was aus der Kanzlerin, deren ohnehin schon angeschlagene Autorität weiter schwinden wird. Die eigentliche Diskussion hat eben erst begonnen. Für die Demonstranten in Chemnitz und die einfachen Menschen in diesem Land ist das keine so schlechte Nachricht.

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