Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, hat Zweifel, dass es während der rechtsgerichteten Demonstrationen in Chemnitz zu regelrechten Hetzjagden auf Ausländer gekommen ist. Dem Verfassungsschutz lägen "keine belastbaren Informationen darüber vor, dass solche Hetzjagden stattgefunden haben", sagte Maaßen der Bild-Zeitung am Freitag. Über das Video, das Jagdszenen auf ausländische Menschen nahe des Johannisplatzes in Chemnitz zeigen soll, sagte er:
Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.
In einer Szene, die nur einige Sekunden dauert, ist zu sehen, wie ein Mann einen anderen bedroht und einige Meter verfolgt; zu hören sind Beleidigungen und die mahnende Stimme der offenbar filmenden Frau.
Für Maaßen sprechen deshalb "gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken."
Den Begriff "Hetzjagd" hatte unter anderem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) benutzt. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) widersprach ihr am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag. Das Geschehen in Chemnitz müsse richtig beschrieben werden, sagte er. "Klar ist: Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome."
Zuvor haben die Chemnitzer Polizeibehörde und die zuständige Staatsanwaltschaft keine Belege für eine Hetzjagd in Chemnitz gefunden. Die lokale Presse, die die Geschehnisse in der Stadt aus der nächsten Nähe beobachten konnte, verzichtete im Unterschied zu bundesweiten Medien auf den Begriff, beklagte aber den auf den Straßen zutage getretenen Hass.
Nach dem tödlichen Angriff auf den 35-jährigen Daniel H. Ende August war es in Chemnitz mehrfach zu Kundgebungen und Aufmärschen gekommen, an denen sich unter anderem rechte Gruppen beteiligten. Zwei mutmaßlich aus Syrien und dem Irak stammende Männer sitzen wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird seit Dienstag öffentlich gefahndet.
Die vorläufige Bilanz der Unruhen in Chemnitz: Bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden sind 120 Ermittlungsverfahren anhängig. Es geht unter anderem um Landfriedensbruch, Körperverletzung und das Zeigen des Hitlergrußes.