Ob in Polen, Georgien, Litauen, Ukraine oder vom 25. Oktober bis 7. November auch in Norwegen: überall finden NATO-Großmanöver mit deutscher Beteiligung statt. Und gerade dieser letzte Einsatz in Norwegen, für welchen die Bundeswehr eines der größten Kontingente mit 8.000 Soldaten stellt, hat es in sich. Am "Trident Juncture 2018" (Dreizackiger Verbindungspunkt) sollen laut dem US-amerikanischen Admiral James Foggo, dem Oberkommandierenden des Manövers, "mehr als 40.000 Soldaten aus 30 Ländern" teilnehmen.
Geübt wird laut Foggo eine Verletzung nach Artikel 5 der NATO, also die Verteidigung eines NATO-Mitglieds nach einem Angriff auf dessen Souveränität. Wer der Angreifer ist und gegen wen dieses Manöver gerichtet ist, bleibt unausgesprochen. Auch wenn für jedermann klar ist, dass wohl Russland damit gemeint ist, betont der US-Kommandeur, dass der Zweck der Übung darin besteht, einen Abschreckungseffekt und Verteidigung gegen "jegliche Bedrohung, aus jeglicher Richtung und zu jeder Zeit" zu erzielen.
Doch den Kern von "Trident Juncture 2018" bildet die sogenannte "Speerspitze" der schnell einsetzbaren Eingreiftruppe - auch als Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) bekannt. Es geht darum, der "Speerspitze" das Prädikat "kampfbereit" zu verleihen. Und da Deutschland die Führung der "Speerspitze" am 1. Januar 2019 übernimmt, möchte sich die Bundeswehr Ende Oktober und Anfang November in Norwegen von der allerbesten Seite zeigen, damit aus der Speerspitze am Ende nicht eine Gummispitze wird. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt das Bundesverteidigungsministerium von Ursula von der Leyen allein dieses Jahr 90 Millionen Euro aus, um eben Tausende Soldate, Panzer, Haubitzen, Kampfjets und Kriegsschiffe von einem Manöver zum nächsten quer durch Osteuropa zu schicken.
Allein für dieses Manöver schickt die Bundeswehr nebst den 8.000 Soldaten 30 Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2", 75 Schützenpanzer und zehn Panzerhaubitzen 2000 nach Norwegen. Praktischerweise veröffentlichte das norwegische Verteidigungsministerium eine Art Empfehlungsliste für die teilnehmenden Soldaten, wie sie sich vor der Kälte und Rentieren zu schützen haben.
Hysterie und Nüchternheit: Die unterschiedliche öffentliche Wahrnehmung
Was ziemlich auffällig ist, sind die unterschiedlichen Reaktionen auf solche Großübungen. Während in Deutschland, Polen und Litauen eine regelrechte Hysterie aufgrund des russischen Manövers "Zapad 2017" ausbrach und man sich zumindest rhetorisch für eine bevorstehende russische Invasion wappnete, wird in Russland - von wenigen Ausnahmen mal abgesehen - absolut nüchtern und sachlich über das NATO-Manöver berichtet. Und das, obwohl man in Russland den Beteuerungen der NATO angesichts der Erfahrungen seit dem Ende des Kaltes Krieges nur wenig Glauben schenkt, dass die transatlantische Allianz nur "zur Verteidigung und Abschreckung" da ist, wie es Admiral Foggo immer wieder betont:
Wir brauchen keine Gründe um offensive Operationen durchzuführen, nirgendwo. Es ist eine defensive Allianz.
Nur dass es ausgerechnet die Bundeswehr selbst war, die bei ihrer Teilnahme an der Übung "Noble Partner 2018" in Georgien darüber berichtete, wie Soldaten "bei Beginn von Noble Partner … den Angriff auf ein Dorf geübt" haben. Stolz titelte man: "Noble Partner 2018: Panzergrenadiere im Angriff". Das ist nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahme geeignet, um den Worten des Admirals und anderer NATO-Offiziellen Nachdruck zu verleihen.