Vorwurf "Geheimnisverrat": Deutscher Whistleblower vor Gericht

Er veröffentlichte die Entscheidung eines kommunalen Unternehmens, die Bonuszahlungen für einfache Beschäftigte massiv zu kürzen und gleichzeitig die Vorstands-Boni unangetastet zu lassen. Jetzt muss sich DKP-Ratsherr Michael Gerber juristisch verteidigen.

von Hasan Posdnjakow

Der Bottroper Kommunalpolitiker Michael Gerber muss sich juristisch gegen den Vorwurf des Geheimnisverrats verteidigen. Im Jahr 2016 hatte Gerber, der für die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) im Stadtrat der sozialdemokratischen Hochburg sitzt, bekannt gemacht, dass das kommunale Entsorgungsunternehmen BEST die Erfolgsbeteiligung der Beschäftigten um ein Drittel kürzen wollte, während die Boni des Firmenvorstandes in vierstelliger Höhe unberührt blieben. Daraufhin hatte der Verwaltungsrat der BEST, in dem auch Gerber als Stadtabgeordneter sitzt, Anzeige gegen ihn erstattet.

Anfang August wurde er in erster Instanz freigesprochen – allerdings nur, weil er nicht gewusst haben soll, dass er mit der Veröffentlichung der unternehmensinternen Pläne Geheimnisverrat begangen habe. Daraufhin legte die Staatsanwaltschaft Revision ein.

Der juristische Kern der Auseinandersetzung ist die Frage, in welcher Funktion Gerber im Verwaltungsrat der BEST sitzt. Die Staatsanwaltschaft sagt, der Kommunalpolitiker sei dort als "Amtsträger" tätig und somit, so das Amtsgericht Bottrop, "für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter". Gerber dagegen sieht sich vor allem als Vertreter der arbeitenden Bevölkerung Bottrops im Verwaltungsrat. RT Deutsch sprach mit dem kommunistischen Kommunalpolitiker über den Fall.

Das Gericht hat Sie freigesprochen. Sind Sie mit dem Urteil zufrieden?

Der Freispruch ist ein politischer Erfolg! Der Verwaltungsrat der städtischen Entsorgungsfirma BEST hatte gegen die Stimme der DKP beschlossen, mich des Geheimnisverrats anzuklagen. Ich hatte aus einer nichtöffentlichen Sitzung in der DKP-Zeitung Bottroper Notizen darüber berichtet, dass den Beschäftigten der BEST die tarifliche Erfolgsbeteiligung um ein Drittel gekürzt wurde, die beiden Vorstandsmitglieder ihre Bonuszahlungen jedoch in alter Höhe von 7.000 Euro bzw. 6.500 Euro erhalten haben. Die Kürzung der Erfolgsbeteiligung hatte ich als Strafmaßnahme gegenüber der Belegschaft bezeichnet. In den Jahren 2017 und 2018 wurden die Kürzungen für die jährliche Erfolgsbeteiligung durch den Vorstand der BEST wieder zurückgenommen und in alter Höhe ausgezahlt. Dies ist sicher auf meine Veröffentlichung und Kritik über die Kürzung im Jahr 2016 zurückzuführen. Darauf bin ich stolz!

Ich verstehe mich als von der Bevölkerung gewählter kritischer Abgeordneter, der die Verwaltung zu kontrollieren hat. Ich bin damit kein "Amtsträger" und auch nicht in vergleichbarer Funktion wie Richter oder Beamte bzw. in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis. Aufgrund meines freien politischen Mandats fühle ich mich auch nicht in einem Dienst- oder Auftragsverhältnis der öffentlichen Hand untergeordnet. Das würde meinem Verständnis als DKP-Abgeordneter widersprechen.

Das Gericht war jedoch der Auffassung, dass ich als Mitglied des Verwaltungsrates "Amtsträger" im Sinne des §11 des Strafgesetzbuches bin, da ich mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut bin, die über die Ratstätigkeit hinausgehen. Das Gericht ging von einem "Verbotsirrtum" aus, da mir nicht bekannt war, dass ich als Mitglied des Verwaltungsrates auch "Amtsträger" bin und mich mit der Veröffentlichung aus der BEST strafbar gemacht habe.

Welche Konsequenzen hat das Urteil für kommunale Gemeindevertreter und die parlamentarische Arbeit insgesamt?

Es muss noch die genaue schriftliche Begründung des Urteils abgewartet werden. Doch die mündliche Begründung des Urteils macht deutlich, dass die künftige Ausübung des freien politischen Mandates erheblich eingeschränkt ist. Wenn Abgeordnete in kommunalen Verwaltungsräten künftig Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger schaffen wollen, laufen sie als "Amtsträger" Gefahr, sich strafbar zu machen und angeklagt zu werden. Das läuft auf einen Maulkorb für kritische Abgeordnete hinaus. Die öffentliche Kontrolle von kommunalen Unternehmen wird damit erheblich erschwert. Hier zeigt sich, welche negativen Auswirkungen die Ausgliederung und Privatisierung kommunaler Aufgaben haben. Es ist eine massive Einschränkung der kommunalen Demokratie. Entscheidungen werden nicht mehr im Rat der Stadt getroffen, sondern in kleinen Verwaltungs- oder Aufsichtsgremien, die unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen. Als Abgeordneter hat man nicht mehr den Gestaltungsrahmen der Gemeindeordnung, sondern es gilt das Strafgesetzbuch und das Wirtschaftsstrafrecht. So wird die kommunale Demokratie, öffentliche Kontrolle und Transparenz beseitigt.

Im Rat der Stadt trete ich seit über 20 Jahren dafür ein, dass die kommunale Demokratie konsequent verteidigt und ausgebaut wird. Insbesondere setze ich mich dafür ein, dass für die Bürger Transparenz bei politischen Entscheidungen geschaffen wird. Dies schließt für mich die Verpflichtung ein, die Bürgerinnen und Bürger über wichtige Planungen und Entscheidungen auch zu informieren. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Die DKP wird weiterhin für ein "gläsernes Rathaus" sorgen, damit die Bürgerinnen und Bürger draußen sehen, was drinnen passiert.

Die Staatsanwaltschaft wollte das Verfahren gegen Sie eigentlich einstellen. Wie kam es dazu, dass es dann doch zum Prozess kam?

Die Essener Staatsanwaltschaft war zunächst wie mein Verteidiger, Herbert Lederer, der Auffassung, dass ich als Mitglied des Verwaltungsrates kein "Amtsträger" bin, und wollte das Verfahren einstellen. Die BEST hat in einer Stellungnahme Bezug genommen auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2006. In dem "Wuppertaler Korruptionsskandal" ging es um Bestechung eines Wuppertaler SPD-Stadtrats durch einen Bauunternehmer. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofes heißt es: "Kommunale Mandatsträger sind keine Amtsträger, es sei denn, sie werden mit konkreten Verwaltungsaufgaben betraut, die über ihre Mandatstätigkeit in der kommunalen Volksvertretung und den zugehörigen Ausschüssen hinausgehen." Die Essener Staatsanwaltschaft hat sich dann dieser Bewertung angeschlossen. Später hatte die Staatsanwaltschaft meinem Verteidiger angeboten, das Verfahren gegen eine geringe Strafe einzustellen. Da dies eine Anerkennung meiner Schuld gewesen wäre, habe ich den Vorschlag abgelehnt.

Gab es Solidaritätsbekundungen der BEST-Belegschaft, der Bottroper Bevölkerung und anderer politischer sowie gesellschaftlicher Akteuren?

Ich habe sehr viel Unterstützung und Solidarität vor dem Prozess erfahren. Sehr viele Schreiben, E-Mails und Anrufe habe ich von Einzelpersonen und Organisationen erhalten. Die DKP, die Linke Liste Oberhausen, die Rote Hilfe und gewerkschaftliche Mandatsträger haben sich mit mir solidarisiert. Die Medien haben ausführlich über die Anklage und den Prozess berichtet. Die Müllfahrer der BEST grüßen mich mit erhobenen Daumen, wenn sie mich auf der Straße sehen. Der Gerichtssaal war beim Prozess bis auf den letzten Platz besetzt. Diese Solidarität hat für den Prozess viel Kraft gegeben.