Daniel Günther gilt in Teilen der CDU als Hoffnungsträger mit Zukunft, er gehört in der Parteispitze zum engsten Umfeld Angela Merkels. Als der 45-jährige Regierungschef von Schleswig-Holstein im Streit mit der CSU über Zurückweisungen von Migranten an der Grenze scharfe Worte fand, wird das auch der CDU-Chefin gefallen haben. Doch bei seinen Lockerungsübungen gegenüber der Linkspartei, die am Wochenende für Aufsehen sorgten, ist das dann doch noch anders.
Mit der Forderung nach mehr Offenheit im Umgang mit der Linkspartei in Ostdeutschland hat Günther einen Sturm der Entrüstung bei Parteikollegen und darüber hinaus ausgelöst. Auch im Konrad-Adenauer-Haus, der CDU-Zentrale, war man nicht amüsiert. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer sah sich zu einer raschen Klarstellung gezwungen. Am Montag versuchte dann die Kanzlerin, mit einer ihrer seltenen Basta-Bemerkungen einen Schlussstrich unter die Debatte im politischen Sommerloch zu setzen.
"Ich befürworte keine Zusammenarbeit mit der Linken-Partei, und das schon seit vielen Jahren", sagte Merkel auf eine entsprechende Frage bei einer Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina, Denis Zvizdić.
Wir werden alles tun, damit wir bei den anstehenden Wahlen in den neuen Bundesländern eine Regierungsbildung hinbekommen, die unter Führung der CDU Regierungen ohne die Linke und selbstverständlich auch ohne die AfD möglich macht.
Für die CDU sieht es in Sachsen sehr schlecht aus
Schon am Dienstag werde sie mit der sächsischen Landtagsfraktion darüber sprechen, wie man das schaffen könne. Das dürfte aber nicht ganz einfach werden, wie ein Blick nach Sachsen, Thüringen und Brandenburg zeigt.
Merkels Bemerkung in Richtung Dresden dürfte auch als Beruhigung für den sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer gedacht gewesen sein, der sich am Wochenende auf Facebook und Twitter alarmiert gezeigt hatte. Am Montag legte er nach und nannte die von seinem norddeutschen Amtskollegen angestoßene Debatte "eine abseitige Diskussion, die uns sehr, sehr schadet". Auch mit Blick auf die Historie verbiete sich ein solches Bündnis mit den SED-Nachfolgern, sagte er am Tag des Gedenkens zum Beginn des Mauerbaus in der DDR vor 57 Jahren. Bis heute habe sich die Linkspartei nicht für die Opfer der Mauer und deren Leid entschuldigt.
Für Kretschmer ist die Lage vertrackt. Einer Umfrage zufolge reicht es nicht für eine Fortsetzung seines schwarz-roten Bündnisses. CDU (32 Prozent) und SPD (9) kommen nur auf 41 Prozent. Die erfolgsverwöhnte Sachsen-CDU wäre je nach Konstellation sogar auf drei Partner angewiesen, da auch FDP und Grüne mit je sechs Prozent kein großes Gewicht einbringen können. Die Gegenspieler heißen AfD (24 Prozent) und Linke (19) - bei der Bundestagswahl lag die AfD sogar knapp vor der CDU.
Auch in Thüringen könnte es bei einer Koalitionsbildung schwer werden
Infolge der SPD-Schwäche und für den Fall, dass Grüne und FDP den Sprung in den Landtag nicht schaffen, könnte es bei einem Vier-Parteien-Parlament in Sachsen sogar sein, dass gegen Linke und AfD keine Regierung gebildet werden kann. Linken-Chefin Antje Feiks hatte unlängst schon gesagt, sie halte eine Minderheitsregierung für denkbar.
Auch in Thüringen dürfte die Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2019 äußerst schwierig werden. Das von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) geführte aktuelle rot-rot-grüne Regierungsbündnis würde der jüngsten Umfrage von Anfang Juni zufolge nur noch 42 Prozent erreichen, bei der Wahl 2014 waren es noch 46 Prozent. Nach den Ergebnissen einer INSA-Umfrage von Bild könnte in Thüringen nicht ohne die CDU regiert werden.
Doch auch die Christdemokraten als stärkste Kraft im Freistaat Thüringen könnten es schwer haben, einen geeigneten Koalitionspartner zu finden. Denn auch hier steht der Einzug von FDP und Grünen in den Landtag laut Umfragen auf der Kippe. CDU-Landes- und Fraktionschef Mike Mohring hat kürzlich eine Koalition mit der AfD kategorisch ausgeschlossen - und die Linken haben klar gemacht, dass sie kein Interesse an einem Bündnis mit der CDU haben.
Ministerpräsident Ramelow hatte den Vorstoß seines schleswig-holsteinischen CDU-Kollegen für mehr Offenheit zwischen beiden Parteien jedoch gestern unterstützt.
Es ist höchste Zeit, die ideologischen Scheuklappen abzulegen", sagte er der Passauer Neuen Presse an beide Seiten gerichtet.
Die CDU müsse "pragmatisch" sein, so Günther
Auch in der bisherigen SPD-Hochburg Brandenburg zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung nach der Landtagswahl im Herbst 2019 ab. Eine Infratest-Umfrage vom April sieht einen Absturz der aktuellen Koalition aus SPD und der Linken voraus, eine Zwei-Parteien-Regierung wäre nicht mehr möglich. SPD, CDU und AfD wäre in etwa gleichauf. Einig sind sich alle etablierten Parteien, dass sie mit der AfD nicht koalieren wollen. CDU-Landeschef Ingo Senftleben betonte zuletzt in der Rheinischen Post, er strebe keine Koalition mit der Linken an - die Politik müsse aber mit Wahlergebnissen umgehen können. Die CDU wolle das Land voranbringen. Dafür sei eine neue Debattenkultur nötig, "die nicht daraus bestehen kann, Gespräche auszuschließen".
Das ungefähr war auch die Diktion, in der sich Günther am Wochenende geäußert hatte. In der Rheinischen Post hatte der Norddeutsche das Wort Koalition nicht in den Mund genommen, sondern gesagt: "Wenn Wahlergebnisse es nicht hergeben sollten, dass gegen die Linke eine Koalition gebildet wird, muss trotzdem eine handlungsfähige Regierung gebildet werden. Da muss die CDU pragmatisch sein."
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(dpa/rt deutsch)