Fast jeden Tag gibt es Neuigkeiten bezüglich der Asyl-Affäre in der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Bremen. Wie nun bekannt wurde, soll ein Vermittler von Asylbewerbern Geld für sich und einen Dolmetscher genommen haben. Wie aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bremen vom 3. April hervorgeht, wird ein unter der inzwischen abberufenen früheren BAMF-Leiterin in Bremen eingesetzter Dolmetscher verdächtigt, von Ausländern, die ihm ein zweiter Beschuldigter vermittelte, 500 Euro dafür erhalten zu haben, dass er "falsche Angaben insbesondere zur Identität und den Einreise-Daten aufnahm, beziehungsweise übersetzte".
Der Vermittler soll von den Antragstellern angeblich selbst auch noch 50 Euro kassiert haben. Die Staatsanwaltschaft stützt ihren Verdacht laut Beschluss sowohl auf Erkenntnisse aus Revisionsverfahren des BAMF als auch auf Zeugenaussagen.
Gab es auch in der Außenstelle im rheinland-pfälzischen Bingen eklatante Versäumnisse?
Neben Bremen könnte nun auch eine weitere BAMF-Außenstelle für eine weitere Zuspitzung der Affäre sorgen. Wie aus internen E-Mails hervorgeht, hatte ein Asyl-Entscheider der Außenstelle im rheinland-pfälzischen Bingen bereits vor Monaten bei Vorgesetzten in Nürnberg Alarm geschlagen. Die stark vom Bundesdurchschnitt abweichenden Schutzquoten für einige Nationalitäten erschienen dem Behörden-Mitarbeiter suspekt. So sollen in Bingen zwischen Januar und Oktober vergangenen Jahres 97 Prozent der Iraner Flüchtlingsschutz oder eine Asylanerkennung erhalten haben. Auch 90 Prozent der Antragsteller aus Afghanistan bekamen in der einen oder anderen Form Schutz. Zum Vergleich: Im gesamten Jahr 2017 lag die Gesamtschutzquote für Iraner bundesweit bei knapp 50 Prozent. Von den Antragstellern aus Afghanistan erhielten rund 44 Prozent Schutz.
Ob Überlastung der Mitarbeiter oder andere Beweggründe dafür verantwortlich gewesen sein sollen, bleibt unklar. Anerkennungen sind weniger aufwendig als Ablehnungen, die hinterher oft vor Gericht landen.
"Über das Grundrecht auf Asyl wurde wie am Fließband entschieden"
In dem ganzen Asyl-Skandal meldete sich nun auch der Chef des Gesamtpersonalrats beim BAMF zu Wort und erhob schwere Vorwürfe gegen den früheren Leiter Frank-Jürgen Weise.
Unter der Amtsleitung von Herrn Weise wurde das BAMF auf marktwirtschaftliche Benchmarks getrimmt. Über das Grundrecht auf Asyl wurde wie am Fließband entschieden", sagte Personalrats-Chef Rudolf Scheinost den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
"Jetzt zahlen wir mit den vielen Gerichtsurteilen gegen BAMF-Entscheidungen sowie den Pannen, Fehlern und Unregelmäßigkeiten bei den Außenstellen die Rechnung für diese Behördenpolitik." Scheinost fügte hinzu:
Wir müssen die Asylverfahren wieder entschleunigen."
Der EX-Chef des BAMF führt die Versäumnisse aber auf "falsch verstandene Humanität zurück"
Weise hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Hochphase der Flüchtlingskrise von September 2015 bis Ende 2016 geleitet. Er verteidigte sein Vorgehen. Die Unregelmäßigkeiten in Bremen seien "im Kern auf persönliches Fehlverhalten" und "wohl auf falsch verstandene Humanität" zurückzuführen. Solche Fehler hätten "auch ohne Umbau der Behörde und Ansturm passieren können", erklärte er. Die BAMF-Führung habe in der Flüchtlingskrise jedoch abwägen müssen, was schlimmer wäre:
Weiter monate- oder gar jahrelange Wartezeiten bei den Asylverfahren mit gravierenden Folgen für die Betroffenen und auch für die Gesellschaft? Oder eine massive Beschleunigung mit dem Risiko, dass unerfahrene Mitarbeiter und Dolmetscher auch Fehler machen können?", erklärte Weise.
Wenn damals nicht der zweite Weg beschritten worden wäre, wären heute noch immer hunderttausende Asyl-Verfahren unbearbeitet. Weise ist inzwischen pensioniert. Sein Vorgänger Manfred Schmidt, der von 2010 bis 2015 BAMF-Präsident gewesen war, beantragte nach Bekanntwerden der Bremer Asyl-Affäre ein Disziplinarverfahren gegen sich selbst, um seine Unschuld nachzuweisen. Er ist seit 2017 Vizepräsident des Bundesverwaltungsamtes.
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(rt deutsch/dpa)