Die Zahl der Menschen in Deutschland, die auf staatliche Zuschüsse angewiesen sind, weil ihre Rente unterhalb des Existenzminimums liegt, ist weiter angestiegen. Nach neuestem Bericht des Statistischen Bundesamts war die Zahl der Empfänger von Grundsicherung im vergangenen Dezember um 3,2 Prozent höher als im Dezember 2016. So empfingen insgesamt fast 1,06 Millionen Menschen die staatliche Leistung. Darunter waren diejenigen, die über 18 Jahre alt sind und wegen Krankheit oder Behinderung nicht voll arbeiten können, sowie Rentner. Insbesondere ältere Frauen sind auf die staatlichen Zuschüsse beispielsweise fürs Wohnen, Heizen oder Essen angewiesen.
Betrachtet man nur Menschen, die um die 65 Jahre alt waren, zählte die Statistik 316.425 Frauen, aber nur 227.665 Männer. Wer vor dem Jahr 1947 geboren ist, kann die Grundsicherung ab 65 Jahren erhalten, ansonsten galt im Dezember eine Altersgrenze von 65 Jahren und sechs Monaten. Nimmt man auch die Menschen, die wegen Erwerbsminderung auf die Zuschüsse angewiesen sind, zählten die Statistiker insgesamt 539.551 Frauen und 519.276 Männer.
Frauen stärker von Altersarmut betroffen – unter anderem wegen prekärer Beschäftigungsverhältnisse
Altersarmut sei gerade bei Frauen ein Problem, sagte Michael David, sozialpolitischer Experte bei der Diakonie Deutschland. Frauen sind demnach auch deshalb stärker davon betroffen, weil sie häufiger alleinerziehend gewesen sind oder in prekären Beschäftigungsverhältnissen gearbeitet haben, um Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Das habe entsprechende Folgen für den Lebensabend. "Wir haben da tatsächlich ein Genderproblem und da muss etwas passieren", so David.
Seit Einführung der Grundsicherung im Jahr 2003 ist die Zahl der Leistungsempfänger von zunächst rund 440.000 Menschen kontinuierlich gestiegen. Die meisten Empfänger leben nach den aktuellen Zahlen in Nordrhein-Westfalen, gefolgt von Bayern und Niedersachsen. Die Bundesländer mit der geringsten Zahl von Beziehern sind Bremen sowie das kleinste Flächenland Saarland.
Linken-Politikerin Zimmermann fordert, Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung, die "Armutsrenten" Vorschub leisteten, zurückzudrängen
Die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, geht von einer hohen Dunkelziffer aus.
Weil vor allen Dingen alte Frauen – das kennen wir aus unseren Beratungsgesprächen – sich schämen, zur Fürsorge zu gehen und versuchen, mit allen Möglichkeiten zu sparen, zur Tafel zu gehen, um Lebensmittel zu bekommen, und so die Grundsicherung zu vermeiden.
Zu den möglichen Gründen für den Anstieg zählt Mascher kletternde Mietpreise sowie eine höhere Zahl von Menschen, die wegen einer psychischen Erkrankung nicht arbeiten können. Um die Situation der Empfänger zu verbessern, fordert der VdK eine Reform der Freibetragsregelung.
Die verschiedenen Bundesregierungen haben hier auf ganzer Linie versagt", sagte Linken-Sozialexpertin Sabine Zimmermann. Die Renten müssten wieder existenzsichernd werden. "Um dies zu erreichen, muss unter anderem das Rentenniveau angehoben werden, auf mindestens 53 Prozent. Zudem müssen die Kürzungsfaktoren und die Rente erst ab 67 abgeschafft sowie eine solidarische Mindestrente eingeführt werden, die ein Leben in Würde ermöglicht."
Zimmermann forderte, die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente ebenfalls abzuschaffen sowie die Niedriglöhne und prekäre Beschäftigung, die "Armutsrenten" Vorschub leisteten, zurückzudrängen.
Egal, ob Männer oder Frauen betroffen sind, Altersarmut macht oft auch einsam. Diakonie-Experte David berichtet von Menschen, die sich deshalb völlig zurückziehen würden. "Das Bittere bei der Grundsicherung im Alter ist, dass die Leute wissen, sie kommen da nicht mehr raus."
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(rt deutsch/dpa)