Merkel verurteilt erstmals türkische Syrien-Offensive - aber auch "Bombardement in Ost-Ghuta"

Die Bundesregierung hat sich lange Zeit gelassen mit einer klaren Beurteilung des Vormarschs türkischer Streitkräfte in Nordsyrien. Am Mittwoch bezog die Kanzlerin ob der "katastrophalen humanitären Lage" Stellung. Der Bundestag fand keine einheitliche Linie.

Zwei Monate nach dem Einmarsch türkischer Truppen in Syrien hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Offensive gegen die kurdischen YPG-Milizen erstmals in aller Deutlichkeit verurteilt.

Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert, wo Tausende und Abertausende von Zivilisten verfolgt sind, zu Tode kommen oder flüchten müssen. Auch das verurteilen wir auf das Schärfste", sagte die CDU-Vorsitzende am Mittwoch im Bundestag. 

Merkel verurteilte auch die Angriffe der syrischen Regierungstruppen in der nahe der Hauptstadt Damaskus gelegenen Region Ost-Ghuta und gab Russland eine Mitverantwortung.

Gerade in diesen Tagen erleben wir grauenhaftes Tun durch Bombardements zum Beispiel in Ost-Ghuta", sagte Merkel.

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Die Bundesregierung verurteile diese Bombardements, die Regierung von Präsident Baschar al-Assad, "aber auch Russland, das dem zusieht", ebenfalls "auf das Schärfste". Zu Bombenangriffen radikaler islamischer Terroristen, die sich in Ost-Ghuta verschanzen und regelmäßig von dort aus gegen zivile Wohnviertel in Damaskus vorgehen, äußerte sich Merkel nicht.

"Nicht völkerrechtskonform, wenn türkische Truppen dauerhaft bleiben"

Die Kanzlerin sagte nicht, ob sie die türkische Offensive für völkerrechtswidrig hält. Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) ließ diese Frage offen, äußerte aber "erhebliche Zweifel" an der Rechtmäßigkeit des Einsatzes. Außerdem machte er klar, dass die Operation "sicherlich nicht mehr im Einklang mit dem Völkerrecht wäre", wenn türkische Truppen dauerhaft in Syrien bleiben würden.

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles hatte den Einsatz hingegen bereits am Dienstag als völkerrechtswidrig eingestuft. Auch einzelne CDU-Abgeordnete sowie alle Oppositionsfraktionen teilen diese Einschätzung.

Türkische Truppen hatten die Operation "Olivenzweig" gegen die YPG in der nordsyrischen Region Afrin am 21. Januar gestartet. Die Türkei sieht in den YPG den syrischen Ableger der verbotenen so genannten Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) und rechtfertigt die Offensive mit dem Kampf gegen den Terrorismus.

Die Türkei ist Partner Deutschlands in der NATO und setzt bei der Offensive Panzer aus deutscher Produktion ein. Die Bundesregierung hat seit dem Einmarsch der türkischen Armee in Syrien auch weitere Rüstungsexporte in die Türkei genehmigt. In den vergangenen zwei Monaten waren es 20 Genehmigungen im Umfang von 4,4 Millionen Euro.

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Irak: "Werden keine ausländische Intervention dulden"

Helfer berichten inzwischen von einer dramatischen humanitären Lage in Afrin. Auch in Deutschland gibt es massive Proteste gegen die türkische Offensive.

Nach der Einnahme Afrins hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit einer Ausweitung der Offensive gegen die Kurden bis in den Nordirak gedroht. Der Irak warnte die Türkei deshalb nun vor einem Einmarsch in sein Staatsgebiet. Der Irak werde auf seinem Boden keine Präsenz irgendwelcher Kräfte zulassen, die Militäroperationen ausführten, sagte Außenminister Ibrahim al-Dschafari in Bagdad, wo er sich mit dem türkischen Vize-Außenminister Ahmet Yildiz getroffen hatte. 

(rt deutsch/dpa)