Stickoxid-Dilemma: Bundesverwaltungsgericht vertagt Entscheidung über Fahrverbote 

Nach jahrelangen Diskussionen nehmen sich auch die Verwaltungsrichter etwas mehr Zeit, um festzulegen, ob Diesel-Fahrverbote zulässig sind. Während Industrie und Bund Verantwortlichkeit scheuen, werden Autofahrer und Gesundheitsverbände gegeneinander ausgespielt.

Millionen Dieselfahrer und Bürger in Städten mit zu schmutziger Luft müssen weiter warten: Das Bundesverwaltungsgericht will erst am 27. Februar über Fahrverbote als mögliche Instrumente gegen zu viele gesundheitsschädliche Abgase urteilen.

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Wie der Vorsitzende Richter Andreas Korbmacher nach mehrstündiger Verhandlung am Donnerstag in Leipzig sagte, dauerte die sachliche Erörterung länger als vorgesehen. Gegen Bundesregierung und Autoindustrie werden weiterhin Vorwürfe laut, zu zögerlich zu handeln.

Das Leipziger Urteil, das ursprünglich schon am Donnerstag erwartet worden war, könnte bundesweite Signalwirkung haben. Richter Korbmacher sagte, es gehe darum, ob Diesel-Fahrverbote nach geltendem Bundesrecht zulässig sind. Es gehe nicht um die vielfältige Problematik des Diesels insgesamt.

Im Zentrum stand die Frage, ob Städte nach geltendem Recht eigenmächtig Verbote anordnen können - oder ob es neue, bundesweit einheitliche Regeln geben muss, um Schadstoffgrenzwerte einzuhalten.

In einem rund vierstündigen "Rechtsgespräch" wurde unter anderem erörtert, ob Fahrverbote verhältnismäßig wären oder zulasten von Diesel-Fahrer gingen, die dafür nichts können. Zudem wurde beleuchtet, ob Verbote überhaupt kontrollierbar wären.

Verhandelt wurde über eine Sprungrevision Baden-Württembergs und Nordrhein-Westfalens gegen Urteile der Verwaltungsgerichte Stuttgart und Düsseldorf. Diese hatten nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) die Behörden verpflichtet, ihre Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass Schadstoffgrenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen zurückweisen, würden die Richter Fahrverbote für zulässig erklären. Ob diese dann auch kommen, liegt aber an den Städten und Bezirksregierungen. Einen Automatismus gibt es nicht.

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Die Länder sind der Auffassung, das Bundes-Immissionsschutzgesetz gebe Ländern und Städten keine ausreichende Möglichkeit, Fahrverbote eigenständig anzuordnen. Der Anwalt der DUH vertrat die Ansicht, dass Verbote nach geltendem Recht möglich seien. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) äußerte sich enttäuscht, dass zunächst noch kein Urteil gefällt wurde. "Für die Menschen, die tagein, tagaus unter hohen Stickoxidwerten leiden, tut schnelle Hilfe not."

Rund 6.000 Menschen sterben in Deutschland laut einer Studie des Umweltbundesamts (UBA) pro Jahr vorzeitig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die von Stickoxiden ausgelöst werden. Stickstoffdioxid (NO2), das in Städten hauptsächlich aus Dieselabgasen stammt, kann demnach über einen längeren Zeitraum schon in geringen Konzentrationen schwerwiegende Folgen haben.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnte vor Diesel-Fahrverboten in Eigenregie. Um das Thema zu regeln, brauche es Plaketten: "Anders ist das nicht zu handeln." Zuständig sei der Bund. "Der ist für den Emissionsschutz zuständig." Plaketten seien kontrollierbar, mit wenigen Schildern umsetzbar und führten in ganz Deutschland zu gleichen Spielregeln.

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Überlegungen der Bundesregierung, kostenlosen Nahverkehr einzuführen, stießen auf Kritik. Dies sei unrealistisch und nicht finanzierbar. Die Linke begrüßte einen Nulltarif für Busse und Bahnen und forderte eine Sonderabgabe der Autoindustrie für saubere Luft von jeweils vier Milliarden Euro über fünf Jahre.

Politisch bleiben Bundesregierung und Autobauer im Kreuzfeuer. Der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic sagte im Bundestag, Autofahrer dürfen nicht belastet werden, weil Regierung und Industrie nicht handelten. Fahrverbote seien ein schwerer Eingriff ins Eigentum und ins Grundrecht der Mobilität.

Seit Jahren werden in vielen Städten Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Die EU-Kommission hatte die bisherigen Anstrengungen Deutschlands als nicht ausreichend kritisiert und droht mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der erlaubte Jahresmittel-Grenzwert der EU liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Eine Studie des des Umweltbundesamts (UBA), welche im März veröffentlicht werden soll, zeigt, dass bereits eine längere Stickstoffdioxid-Konzentration ab 10 Mikrogramm zu Erkrankungen und vorzeitigen Todesfällen führen kann. Solche Konzentrationen kämen auch in ländlichen Gebieten vor. In Innenstädten sind die Werte teils um ein Vielfaches höher.