Laut Recherchen der Transparenzorganisation abgeordnetenwatch sind die Nebenverdienst-Spitzenreiter im neuen Bundestag der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach, der AfD-Politiker Uwe Kamann und der FDP-Politiker Reinhard Houben. Die Mitarbeiter der unabhängigen Internetplattform werteten die bisher bekannten Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten aus, welche sich aus den Selbstauskünften der Parlamentarier ergeben.
Nach Fraktionen addiert liegt die Union mit deutlichem Vorsprung vor FDP und AfD. Darauf folgt demnach die SPD und mit großem Abstand die Linken. Von keinem der Grünen-Abgeordneten ist bislang eine bezahlte Nebentätigkeit bekannt. Die Angaben sind jedoch nicht abschließend, vermutlich stehen noch einige Meldungen über Nebentätigkeiten aus. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung teilte die Bundestagsverwaltung mit, wegen der Vielzahl der abgegebenen Meldungen lasse sich
ein Ende der Bearbeitung und ein Zeitpunkt, zu dem alle Angaben veröffentlicht sein werden, derzeit nicht absehen.
Bislang haben 41 der 709 Bundestagsabgeordneten Angaben zu Nebeneinkünften gemacht. 27 der Abgeordneten mit meldepflichtigen Nebeneinkünften erhalten ein regelmäßiges Monatseinkommen, häufig aus Geschäftsführerposten. 220 Abgeordnete gaben unentgeltliche Nebentätigkeiten an, für 448 Abgeordnete gab es demnach keinen Nebenverdienst zu melden.
Stichtag ist der 24. Oktober
Die deutschen Parlamentarier müssen innerhalb von drei Monaten nach Erwerb der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag sämtliche Nebentätigkeiten beim Bundestagspräsidenten melden, die sie zu Beginn der Legislaturperiode am 24. Oktober ausübten. Allerdings sind keine genauen Zahlen erforderlich, sondern nur die Einordnung in eine von zehn Verdienststufen.
So meldete Hans Michelbach als Inhaber der MIBEG-Unternehmensgruppe einen jährlichen Gewinn der Verdienststufe 10, was Brutto-Einkünften von über 250.000 Euro entspricht. Die FDP-Politiker Hagen Reinhold und Reinhard Houben verorteten sich auf der 3. Stufe, sie verdienen zwischen 7.000 und 15.000 Euro brutto hinzu.
Interessenkonflikt zwischen Mandat und Nebentätigkeit
Auf Grund der Angabe über die Einnahmen sollen sich Wähler ein Bild über mögliche Interessenverflechtungen machen können. Denn Nebentätigkeiten sind erlaubt, Parlamentarier müssen nicht neutral sein und sind nach dem Grundgesetz (Artikel 38) "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden".
Allerdings besagt das Abgeordnetengesetz, dass im Fokus des Abgeordneten die Wahrnehmung seines Mandates stehen soll, für das er monatlich immerhin eine "Entschädigung" über 9.514,74 Euro erhält, plus Aufwandspauschalen, Zulagen und weitere Zahlungen. Mit der nicht unerheblichen Entschädigung soll die Unabhängigkeit der Abgeordneten gesichert werden.
Schließlich können sich durch die Nebentätigkeit Interessenkonflikte ergeben.
Das Bundesverfassungsgericht befand in einem Urteil vom 4. Juli 2007, die Nebentätigkeit biete
vielfältige Möglichkeiten, politischen Einfluss durch ein Bundestagsmandat für die außerhalb des Mandats ausgeübte Berufstätigkeit gewinnbringend zu nutzen, und gerade von dieser Möglichkeit gehen besondere Gefahren für die Unabhängigkeit der Mandatsausübung aus.
Nicht alle Angaben dienen unbedingt der Transparenz. Nebenher als Rechtsanwälte und Steuerberater tätige Abgeordnete, wie zum Beispiel der FDP-Politiker Markus Herbrand, gaben vielfache einmalige Einnahmen von unbenannten Mandanten an. Damit wird wohl kaum der Zweck erfüllt, dem Wähler aus derartigen Angaben Rückschlüsse auf mögliche Interessenverflechtungen zu ermöglichen. Bei anderen Angaben jedoch scheint es mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Konflikt mit der Mandatsausübung zu geben.
Der CDU-Politiker Michael Hennrich hat seine Nebeneinkünfte ebenfalls in der Stufe 3 angegeben. Er vertritt die Union im Hauptausschuss bei den Themen Gesundheit und Soziales. Außerdem sitzt Hennrichim Aufsichtsrat der Süddeutsche Krankenversicherung a.G. und ist Landesvorsitzender von Haus & Grund Württemberg e.V., einer Interessenvertretung der Immobilienwirtschaft.
Norbert Röttgen (CDU), früherer Bundesumweltminister und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, verdient sich jährlich 15.000 bis 30.000 Euro durch Beratungstätigkeiten für die Macquarie Group hinzu, ein weltweit tätiges Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen.
Zeit fehlt für Ausübung des Mandats
Aus anderen Recherchen von abgeordnetenwatch geht auch hervor, dass Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) neben seinem öffentlichen Amt unter anderem für die Landwirtschaftliche Rentenbank, die Deutsche Atlantische Gesellschaft und das American Jewish Committee tätig war.
Laut einer Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS), die die Recherchen von abgeordnetenwatch ermöglichte, sind Nebentätigkeiten ein "zentrales Einfallstor für Einflussnahme durch Lobbyisten". Durch die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik werden weiterhin jene Verbände und Unternehmen benachteiligt, die keinen exklusiven Zugang zu politischen Informationen haben.
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Zudem ist für abgeordnetenwatch ein weiteres Problem durch Nebentätigkeiten offensichtlich:
Wer einen Zweitjob ausübt, muss dafür eine entsprechende Arbeitsleistung und einen Zeitaufwand erbringen - beides kann nicht für das Abgeordnetenmandat aufgebracht werden.
Die Otto Brenner Stiftung kam in einer Studie zu dem Schluss, dass die Nebentätigkeit letztlich einen "Betrug an den Bürgerinnen und Bürgern“ darstellt.