Die Bundesbank gibt scheinbar Anlass zu Jubel für die Deutschen. Das Geldvermögen der privaten Haushalte im Land kletterte im dritten Quartal 2017 im Vergleich zum zweiten Vierteljahr um 1,2 Prozent auf den Rekordwert von 5,779 Billionen Euro. Dank Arbeitsmarktboom und angestiegener Reallöhne konnten die Deutschen bis Ende des Jahres 2017 demnach ein Privatvermögen in Höhe von knapp 6 Billionen Euro anhäufen - exklusive Immobilienwerte. Das teilte die Bundesbank am Mittwoch in Frankfurt mit. In die Berechnung eingeflossen sind Bargeld, Bankeinlagen, Wertpapiere und Ansprüche an Versicherungen.
Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE und Vorsitzende des Arbeitskreises Arbeit und Soziales der Fraktion, differenziert die scheinbar frohe Kunde der Bundesbank für RT Deutsch.
Sind das nicht gute Neuigkeiten für das Land – der Arbeitsmarkt boomt, Reallöhne steigen und die Deutschen sind reich wie nie zuvor?
Deutschland ist ein reiches Land und der Wohlstand wächst. Doch das sind nicht für alle gute Neuigkeiten. Entscheidend ist, wer an diesem Wohlstand teilhat. Und da zeigt sich 2017 wie auch in den vergangenen Jahren ein sehr geteiltes Bild.
Ja, es gibt so viel Beschäftigung wie nie zuvor, aber ein großer Teil dieser Beschäftigungsverhältnisse ist nach wie vor prekär. Befristungen, Minijobs und unfreiwillige Teilzeitarbeit prägen das Arbeitsleben vieler Menschen und deren Zahl nimmt sogar noch zu. Denn ein erheblicher Teil des Booms der letzten Jahre geht auf den Zuwachs prekärer Beschäftigungsformen zurück.
Ja, die Reallöhne steigen – aber nicht für alle. In der längerfristigen Betrachtung der letzten 20 Jahre hat das Drittel der Bevölkerung mit den geringsten Einkommen deutlich verloren. Die Mitte stagniert und hinzugewonnen hat das obere Drittel. In den letzten Jahren sind zwar auch die mittleren und geringeren Einkommen durchaus etwas gestiegen. Aber trotzdem wachsen sie schwächer als die höheren Einkommen. Außerdem steht das Reallohnwachstum der letzten Jahre auf tönernen Füßen. Denn es fußt in erster Linie auf der geringen Inflation, nicht auf der Stärke von Arbeitnehmerinnen und Gewerkschaften.
Wie steht es um die Verteilung des Vermögens und woran liegt es, dass sich viele Deutsche daran nicht beteiligt sehen?
In Deutschland sind die Vermögen extrem ungleich verteilt, auch im internationalen Vergleich. Dass viele Menschen im Land am Wohlstand nicht beteiligt sind, ist also nicht nur ein Gefühl, sondern traurige Realität.
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Dabei darf man nicht vergessen, dass mit hohen Vermögen auch hohe Kapitaleinkommen einhergehen. Anders als Erwerbseinkommen folgen diese im Wesentlichen der Konjunkturentwicklung. Das heißt: Eine gute wirtschaftliche Entwicklung macht die Reichen noch reicher. Wer hingegen vom Verkauf seiner Arbeitskraft leben muss, hat – wenn überhaupt – weniger von der guten Wirtschaftslage.
Die Grundlage dafür hat die Politik der letzten zwei Jahrzehnte gelegt: Vermögenserträge werden weit geringer besteuert als Einkommen. Auf den Vermögensstamm fallen anders als in vielen anderen Ländern gar keine Steuern an, bei der Erbschaftssteuer gibt es großzügige Ausnahmeregelungen. Und die Arbeitsmarktpolitik ist auf die Interessen des Kapitals zugeschnitten, nicht auf die Interessen der Erwerbstätigen.
Was kann die Politik tun und inwieweit sind die Sondierer auf dem richtigen bzw. dem Holzweg?
Die Politik der sich formierenden neuen GroKo ist die der alten. Es bleibt beim Status quo, beim Festhalten an den Fehlern der Vergangenheit. Die wenigen Schritte in die richtige Richtung bleiben zaghaft und vage. Ob die Vereinbarungen überhaupt umgesetzt werden, steht in den Sternen, wenn man an die Erfahrungen aus der letzten Legislaturperiode denkt.
Dabei könnte die Politik einiges tun. Für ein nachhaltiges, fair verteiltes Lohnwachstum bräuchte es eine gute Arbeitsmarktpolitik, die die Voraussetzungen für höhere Tarifabschlüsse schafft. Deshalb fordern wir, den Arbeitsmarkt wieder zu regulieren, prekäre Beschäftigungsformen abzuschaffen und Tarifbindung und Streikrecht zu stärken. Zu all diesen Fragen schweigt das Sondierungspapier. „Weiter so!“ ist dort die Devise.
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Der zweite wichtige Baustein ist eine grundlegende Wende in der Steuerpolitik. Dazu wollen wir Vermögen ab einer Million Euro mit fünf Prozent besteuern, die Erbschaftssteuer reformieren und Einkommen aus Kapitalerträgen nach dem persönlichen Einkommenssteuersatz besteuern. Die Einkommenssteuer wollen wir grundlegend reformieren und sozial gerecht ausgestalten. Auch die Unternehmen wollen wir mit einer höheren Körperschaftssteuer und einer Finanztransaktionssteuer wieder in die Pflicht nehmen. Die Finanztransaktionssteuer befürworten zwar auch Union und SPD. Aber sie entziehen sich der Verantwortung, indem sie das Thema auf die europäische Ebene abschieben.
Auch sonst gibt es bei ihnen keine Zeichen für einen steuerpolitischen Kurswechsel. Im Gegenteil schließt das Sondierungspapier Steuererhöhungen von vornherein aus. Damit stellen sich SPD und Union gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit. Denn mehr Einnahmen ermöglichen mehr Investitionen in Soziales, Bildung und Infrastruktur, die allen zugutekommen, besonders aber Menschen mit geringen Einkommen. Ich denke da zum Beispiel an Alleinerziehende, Familien, Menschen mit Migrationshintergrund. Aber auch mittlere Einkommen würden profitieren und würden zugleich durch eine gerechtere Steuerpolitik entlastet. Die Linke setzt sich als soziale Opposition im Bundestag dafür ein, der Stimme der finanziell Schwächeren in diesem Land Gehör zu verschaffen.