Von Wladislaw Sankin
Dies ist eine der schönsten und interessantesten Kirchen Berlins: Die katholische Rosenkranz-Basilika in Berlin-Steglitz. Zur Jahrhundertwende erbaut, ist sie mit ihrer beeindruckenden Wandmalerei, dem kreuzförmigen Grundriss und ihrem burgartigen Äußeren ein Stück Byzanz und zugleich eine Erinnerung an die Zeit Kaiser Wilhelms II., der die Katholiken förderte. Das in einer unscheinbaren Seitengasse gelegene imposante Gotteshaus ist Anziehungspunkt für alle Katholiken im Berliner Südwesten. Zu Weihnachten bot es ein abwechslungsreiches Programm von Gottesdiensten.
An Heiligabend zur nächtlichen Christmette war der großzügige Kirchenraum fast komplett gefüllt. Viele Besucher kamen in Gruppen, manche mit Kindern. Gebete, traditionelle Christuslieder, Ansprachen und Predigten wechselten sich in Begleitung der Chor-, Trompeten- und Orgelmusik ab. Im rechten Flügel war eine Krippe eingerichtet, die nach der Messe von vielen noch einmal besichtigt wurde. Die Menschen begrüßten sich herzlich und wünschten einander Frieden. Man sah: Die Gemeinde lebt. Es geschah nichts Auffälliges an diesem Weihnachtsabend.
Man könnte meinen, hier sei die Welt für Christen katholischer Glaubensrichtung noch in Ordnung. Doch in jener Nacht wartete die nächste Provokation auf, die viele deutsche Katholiken aufrüttelte. Wie schon so oft, als "Kunst" getarnt, fand sie genau zur gleichen Zeit statt. Die ARD übertrug eine Christmette aus der Stuttgarter St.-Maria-Kirche. Statt des Jesuskindes, Maria, der drei Könige und anderer gewohnter Mitglieder der Krippe-Gruppe bekamen hunderttausende Zuschauer am späten Heiligabend etwas ganz anderes zu sehen als gewohnt.
Besser gesagt: zu "bestaunen". Im Heu windete sich ein ekelerregendes schleimiges Wesen in Größe und Form eines erwachsenen Menschen. Nichts anderes war in der "Krippe" zu sehen. Der Pfarrer nannte den schleimigen Klumpen entgegen dem abweichenden optischen Eindruck "Christuskind". Die Darbietung rief erwartungsgemäß Empörung der Gläubigen hervor – RT DE berichtete.
Das Perfide dabei: Das entmenschlichte, gesichtslose "Jesuskind" wurde vom Pfarrer und Fernsehmacher als besonders menschlich gepriesen. "So viel Mensch war nie!" hieß die Sendung. Den zum Menschen gewordenen Gott ließ die katholische Amtskirche in Deutschland eigenhändig verschwinden und in ein wurmartiges Etwas verwandeln. Auf derartige Weise wurde das Christentum von denen, die es eigentlich bewahren müssen, bislang noch nicht angegriffen.
"Tretet aus dieser Amtskirche aus und bezahlt keine Kirchensteuer mehr", sagt dazu der AfD-Politiker Hans-Thomas Tillschneider aufgebracht in einem Videoaufruf. Der promovierte Religionswissenschaftler hat den Ernst der Lage erkannt. Es ist kein bloßer "Regenbogen-Wokismus" mehr, das ist die bewusste Zersetzung des Menschenbildes, die vor laufenden Kameras stattfindet.
Von wem aber sollte der Widerstand kommen, wenn nicht von den gesunden Kräften in den Kirchen selbst? Also von Priestern, die ihre Messen noch gemäß dem traditionellen Ritus gestalten. Doch sie scheinen nicht zu bemerken, was derzeit passiert, und sehen die Christenverfolgung woanders, aber nicht in Europa. Auch in der Rosenkranz-Basilika, die mit ihrem byzantinischen Stil besonders dem Geist des ursprünglichen Frühchristentums verpflichtet sein sollte.
So versammelte der Pfarrer Andrej Nicolai Desczyk während der morgendlichen Familienmesse am zweiten Weihnachtstag die Kinder vor der Krippe und besprach mit ihnen, was sie im Stall sehen. Die Rede war auch von St. Stephanus, einem der ersten christlichen Gläubigen, der um das Jahr 40 wegen seines Glaubens zu Tode gesteinigt wurde und als erster Märtyrer des Christentums gilt. Der Pfarrer sagte, dass auch heutzutage die Christen aufgrund ihres Glaubens verfolgt werden, und nannte die Länder, wo dies stattfinde: Nigeria, Iran und Irak.
Warum der Pfarrer während eines Kindergesprächs im negativen Kontext ganz konkrete Länder benennen musste, ist nicht ganz klar. Sonst hielten sich die Pfarrer in der Rosenkranz-Basilika auch während der viel längeren nächtlichen Christmette politisch eher zurück, was nicht mehr selbstverständlich ist. Im Fall von Iran wurde der Pfarrer sogar konkreter: Er sagte, dass eine benachbarte lutherische Gemeinde die christlichen Flüchtlinge aus Iran aufnehme.
Ohne die Situation für Christen in diesen konkreten Ländern schönzureden, ist die Äußerung merkwürdig. In der Tat sind es bezeichnenderweise junge Männer südländischen Aussehens, die sich in dieser Gemeinde blicken lassen. Religiöse Verfolgung wird oft als Asylgrund angegeben und ob sie echt oder nur vorgeschoben ist, lässt sich kaum überprüfen. In Iran ist das Christentum erlaubt und es gibt traditionelle christliche Gemeinden dort, wie etwa die armenische. Missionierung und Konvertierung sind dagegen stark eingeschränkt.
In Nigeria kann man schwer von einer staatlichen Verfolgung reden, denn die Bevölkerung ist fast zur Hälfte christlich, während die andere Hälfte aus Muslimen besteht. Man kann jedoch von mangelndem Schutz seitens des Staates gegen die Übergriffe dschihadistischer Banden gegen die Christen im Norden des Landes sprechen. Die Vorwürfe des Pfarrers sind an dieser Stelle zu pauschal und grenzen eher an Hetze.
"Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen." Fast jeder kennt diesen berühmten Jesus-Spruch (Matthäus 7,3-5). Die Zersetzung des Glaubens durch Experimentiererei mit christlicher Lehre und Ritus sowie der tägliche Kotau vor dem Zeitgeist schaden dem Christentum viel mehr als kaum wahrnehmbare Ereignisse in der Peripherie der christlichen Welt. Die Zerstörung findet unübersehbar im Kern und nicht an den Rändern statt.
Es ist allerdings unrealistisch, von Vertretern der deutschen Amtskirchen so viel Selbstreflexion zu erwarten. Gerade die katholische Kirche folgt immer mehr den noch militanteren Lutheranern, bläst ins militärische Horn und heizt den Ukraine-Konflikt mit Anti-Russland-Hetze auf.
Darüber hinaus findet sie es nicht schlimm, dass die Orthodoxie in der Ukraine unter staatlicher Repression leidet, denn gerade die römisch- und griechisch-katholischen Kirchen profitieren von der gewaltsamen Umwälzung: Die Zahl ihrer Diözesen und Kirchenimmobilien und damit der Einfluss wachsen nun auch dort, wo früher nur die Ukrainisch-Orthodoxe-Kirche traditionell vertreten war.
Auch in der veränderten, immer mehr vom Wokismus befallenen Form ist die katholische Kirche auf territoriale Zugewinne und Missionierung ausgerichtet. Ob am Ende Gott im menschlichen Antlitz oder schleimige Unmenschen gepredigt werden, scheint mitunter zweitrangig zu sein.
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