Bundesweit werden am Freitag Tausende Schüler älterer Jahrgänge wohl der Schule fernbleiben. Sie folgen einem Aufruf des Bündnisses "Schulstreik gegen Wehrpflicht", der unter anderem von Friedensorganisationen, Gewerkschaften und dem BSW unterstützt wird. Nach Angaben der Organisatoren gibt es bereits rund 90 Streikkomitees in verschiedenen Städten, darunter Berlin, Hamburg, München, Köln, Leipzig, Magdeburg und Rostock.
In Berlin soll es neben der Kundgebung am Brandenburger Tor auch eine Demo mit dem Titel "Gegen die Wehrpflicht" geben, unterstützt von der Gewerkschaft GEW. Sie ist für 2.000 Teilnehmer angemeldet und soll ab 16 Uhr vom Kreuzberger Oranienplatz bis zum Rathaus Neukölln führen. Nach Angaben eines Polizeisprechers werden 3.000 Teilnehmer erwartet.
Auch Schüler in Potsdam (10 Uhr am Alten Markt) und Cottbus (13.30 Uhr, Stadthallenvorplatz) wollen sich beteiligen. "Wir wollen nicht als Kanonenfutter enden", heißt es auf Instagram unter einem Aufruf zum "Schulstreik gegen Wehrpflicht". "Wir schauen nicht stumm zu, wie wir und unsere Freunde per Los zum Töten und Sterben gezwungen werden." Die Wehrpflicht erhöhe nur die Kriegsgefahr, sagt eine Aktivistin. Sie diene nicht unserer Sicherheit, sondern der Profitsicherung in der Rüstungsbranche.
Die Schüler wenden sich zum einen gegen den zunächst geplanten freiwilligen Wehrdienst, dem ein mögliches Losverfahren folgen könnte, sofern sich zu wenige Rekruten finden. Der Protest richtet sich auch gegen eine unter Umständen später folgende Wehrpflicht sowie gegen alle anderen Zwangsdienste.
Die Bundesregierung begründet ihr Vorgehen mit einer veränderten Bedrohungslage nach dem Beginn der russischen militärischen Sonderoperation wegen der NATO-Osterweiterung. Die militärische Auseinandersetzung mit einer massiv vom Westen unterstützten ukrainischen Armee wird als Angriffskrieg gegen die Ukraine gebrandmarkt. Das entsprechende Gesetz soll am Freitag vom Bundestag verabschiedet werden.
Das Bildungsministerium in Potsdam teilte auf Anfrage zu den Schulstreiks am Freitag mit: "Die Teilnahme an einer Demonstration zur Unterrichtszeit ist als unentschuldigte Fehlzeit zu werten; es gilt die Schulpflicht." Die Schüler müssten mit den Konsequenzen leben. So könnten nicht erbrachte Leistungen bei unentschuldigtem Fehlen mit "ungenügend" bewertet werden.
Stimmen aus der Opposition
Die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt nannte in einer Stellungnahme die Protestaktion ein legitimes Anliegen. "Kein junger Mensch, der seelisch gesund ist, will in der Ukraine für die NATO-Osterweiterung sterben", sagte der AfD-Sprecher für Kultur und Bildung, Hans-Thomas Tillschneider. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht diene nichts anderem, betonte er. Der Politiker wies darauf hin, dass sich unter den Unterstützern der Schüleraktion auch Vertreter der bellizistischen Parteien wie die Grünen befinden. Vertretern des BSW, der "Altlinken" und der "Friedensbewegung" reichte Tillschneider die Hand. Sie sollten begreifen, "dass ihr Feind nicht die AfD ist, sondern die Altparteien und insbesondere linke Kriegstreiber wie etwa die Grünen". Über ähnlich lautende Statements aus anderen Landtagsfraktionen der AfD ist nichts bekannt.
Christian Albrecht, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Rostocker Bürgerschaft, begrüßte ebenso den "Schulstreik gegen Wehrpflicht". "Ich bin auf jeden Fall dabei am Freitag und spreche mich gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht aus", so Albrecht. "Die jungen Menschen dürfen zwar an der Ostfront sterben, aber wenn es um ihre Belange geht, also zum Beispiel um Bildungschancen, interessiert sich die Regierung nicht für sie", kritisiert er. Albrecht fordert einen Dialog mit den jungen Leuten, statt "von oben etwas zu verordnen".
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