Holocaust-Streit: Brandenburger BSW-Fraktionsvize tritt zurück

Die Brandenburger Regierungskoalition zwischen SPD und BSW kommt nicht zur Ruhe. Nach dem Streit um den Rundfunkstaatsvertrag geht es nun um eine umstrittene Holocaust-Äußerung des stellvertretenden BSW-Fraktionsvorsitzenden Christian Dorst.

Christian Dorst, der stellvertretende Vorsitzende der BSW-Fraktion im Brandenburger Landtag, ist von seinem Amt zurückgetreten. Dies gab er Medienberichten zufolge am Sonntagabend bekannt. Zu groß war nach Dorsts X-Post zum Thema Holocaust der Druck aus Politik und Medien geworden. Dorst wird jedoch Mitglied der BSW-Landtagsfraktion bleiben. Der BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders erklärte in einer Pressemitteilung, Dorst habe die Singularität des Holocausts nicht anzweifeln wollen. Dorsts Rolle "als streitbarer politischer Kommentator in den sozialen Medien" vertrage sich jedoch nicht mit dem Amt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender.

Bemerkenswerterweise hat der Skandal seinen Ursprung weder in Brandenburg noch im BSW, sondern betraf ursprünglich den sachsen-anhaltischen AfD-Landtagsabgeordneten und Co-Fraktionsvorsitzenden Ulrich Siegmund. Siegmund, der im Mai dieses Jahres von seiner Partei zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September 2026 gekürt worden war, hatte in einem Interview mit Gordon Repinski im Politico-Format "Berlin Playbook" auf die Frage nach seiner Einstufung des Holocausts als schlimmstes Menschheitsverbrechen geantwortet (Minute 29), er maße sich eine Bewertung nicht an, weil er die gesamte Menschheit nicht aufarbeiten könne. Man müsse aus allen Menschheitsverbrechen Lehren ziehen. Der Podcast (mit dem Kreuzverhör zu Siegmunds Geschichtsverständnis ab Minute 26) war am 21. November veröffentlicht worden.

Daraufhin warf Josef Schuster, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Siegmund "völlige Schamlosigkeit" vor. Siegmund erwecke mit seinen Aussagen den Eindruck einer deutlichen Sympathie für die Zeit des Nationalsozialismus. Auch von der politischen Konkurrentin CDU kam Kritik. Die AfD-Spitze stellte daraufhin klar, dass für sie der Holocaust das schlimmste Menschheitsverbrechen sei. Im Gegensatz dazu unterstützten andere AfD-Politiker, darunter der Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen sowie der EU-Abgeordnete Tomasz Froelich, Siegmund auf der Plattform X.

Ein unerwarteter Beistand für Ulrich Siegmund kam aber auch aus der Brandenburger BSW-Fraktion. Der Fraktions-Vize Christian Dorst sprach auf X von einer medialen Kampagne gegen Siegmund, die nach hinten losgehen werde. Siegmund habe sich mit seiner Antwort "auf eine ziemlich elegante Art" geweigert, "den Gesslerhut zu grüßen" (also unterwürfiges Verhalten zu zeigen), und mit einem "Ich weiß, dass ich nicht weiß" dem griechischen Philosophen Sokrates nachgeeifert. Die Basis der Äußerungen Siegmunds sei zu dünn, um ein Urteil bezüglich einer Vorstufe zur Leugnung des Holocausts zu fällen.

Schusters Kritik an Siegmunds Äußerungen nannte Dorst "perfide" und konstatierte einen "Missbrauch" genauer gesagt eine "Instrumentalisierung" des Holocausts. Was Dorst bewogen hat, ohne Notwendigkeit auf das verminte Themenfeld Holocaust zu treten und Siegmund, Vertreter einer anderen Partei in einem anderen Bundesland, in dieser Debatte beizustehen, wurde aus der Stellungnahme auf X nicht ersichtlich.

Daraufhin geriet Dorst selbst ins Kreuzfeuer der Kritik, sowohl vonseiten der Brandenburgischen CDU als auch aus den eigenen Reihen. Die CDU-Landtagsabgeordnete Kristy Augustin sprach angesichts von Dorsts Verteidigerrolle für Siegmund von einer "Schande für Brandenburg". Auch beim Koalitionspartner SPD war die Empörung groß. Der Generalsekretär der Brandenburger SPD, Kurt Fischer, riet Dorst, auf spontanes Posten auf X zu verzichten. "Damit wäre ihm und uns allen geholfen." Was Dorst zu später Stunde auf X veröffentliche, sei "des Öfteren nur schwer zu ertragen".

Noch schwerwiegender war die Kritik an Dorsts Holocaust-Äußerung aus seiner eigenen BSW-Fraktion. Der brandenburgische Finanzminister Robert Crumbach, ein Parteikollege, mit dem Christian Dorst schon im Streit um den Rundfunkstaatsvertrag aneinandergeraten war (RT DE berichtete), sprach in dem Kontext von "Aussagen, die nicht überzeugen wollen, sondern sich selbst entlarven – lauter als jede Widerrede".

Und auch Dorsts fraktionsinterner Gegner André von Ossowski meldete sich zu Wort: Jeder Vergleich des Holocausts mit anderen Schrecklichkeiten verbiete sich, sonst hätte man "aus deutscher Geschichte nichts gelernt". Dorsts Schulanwesenheit in Geschichte müsse überprüft werden. Es habe sich nicht um eine rein private Äußerung gehandelt. Bei einer öffentlichen Äußerung spreche Dorst "immer auch als stellvertretender Fraktionsvorsitzender, egal wo und was er sagt". Wohl auch aufgrund mangelnden Rückhalts in der eigenen Fraktion erfolgte dann Dorsts Rücktritt vom stellvertretenden Fraktionsvorsitz.

Dorst selbst kündigte auf seinem X-Account an, er werde sich am Montag zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen der Holocaust-Relativierung äußern.

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