Hans Bauer ist ein bekannter ostdeutscher Jurist. Er war stellvertretender Generalstaatsanwalt in der DDR. Nach dem Beitritt der DDR zur BRD war er viele Jahre als Rechtsanwalt tätig. Bauer leistete Rechtshilfe u. a. für ehemalige NVA-Angehörige. Seit 2008 ist er zudem Vizepräsident des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV).
Auch mit seinen 84 Jahren ist der Jurist nach wie vor gesellschaftlich aktiv, tritt auf Kundgebungen auf und kommentiert als Publizist das politische Geschehen aus Perspektive der Ostdeutschen. Korrespondent Wladislaw Sankin sprach mit Bauer über die Pläne des Berliner Senats zur Umgestaltung sowjetischer Ehrenmale, die an den Sieg der Roten Armee über Hitlerdeutschland erinnern – RT DE berichtete.
Sankin: Es wird in Berlin diskutiert, dass man die Existenz sowjetischer Ehrenmale in Deutschland eventuell juristisch auf eine andere Grundlage stellen müsste, umgestalten, bis hin zum Abriss. Zu dieser Diskussion sind die russischen Vertreter gar nicht eingeladen. Haben Sie das beobachtet?
Bauer: Ja, natürlich habe ich das, haben wir das verfolgt. Und es erzürnt uns. Es ist unglaublich, was dort beraten wurde. Noch dazu auch ohne russische Vertreter, auch keine weißrussischen Vertreter dort. Also, wie man mit der Vergangenheit umgeht, vor allen Dingen mit dem Sieg der Alliierten und vor allen Dingen auch der Roten Armee. Diese Denkmäler, die sind für uns, und ich spreche jetzt auch nicht nur, aber vor allen Dingen auch für die ehemaligen DDR-Bürger, die sind so, ja, ich möchte sagen, fast heilig. Ich bin kein Heiliger, ich bin kein Christ, aber das ist so wichtig für uns, die Erinnerung, und vor allen Dingen auch für die Gegenwart, für die Freundschaft, die zwischen sowjetischen, russischen und deutschen Menschen entstanden ist, über Jahrzehnte entstanden ist, so eng. Und diese Denkmäler sind die Symbolik dafür.
Und dass man dort nun beginnt, ist ja nicht völlig neu. Man hat ja nach 1990 schon einiges, also nach der Annexion der DDR, schon einiges beseitigt, Lenin-Denkmäler, aber auch das, was Deutschland betrifft, den Palast der Republik, also alles, was an eine Zeit erinnert, die eine völlig andere war. Und dass man nun versucht, auch die sowjetischen Ehrenmale Schritt für Schritt abzubauen oder umzuwidmen, wie man heute so akademisch vornehm sagt, umzuwidmen, andere Namen darunterzusetzen oder anders die Geschichte darzustellen, es empört uns zutiefst. Und dagegen muss man etwas machen.
Sankin: Wie bewerten Sie diesen Vorgang aus juristischer Perspektive?
Bauer: Und juristisch gesehen ist das natürlich auch, ja, es ist ein Rechtsbruch, ein Völkerrechtsbruch. Es wurden Verträge abgeschlossen, die sowohl im Einigungsvertrag zwischen beiden deutschen Staaten enthalten sind, im Prinzip vom Geiste her auch der Zwei-plus-Vier-Vertrag, der also auch hier sozusagen ein Deutschland, das friedlich ist (einfordert), Deutschland sich auch verpflichtet hat und verpflichtet wurde.
Ja, und natürlich auch Verträge, ja, der Kriegsgräberfürsorge. Wir hören auch immer wieder vom russischen Botschafter, ja, wie wichtig das ist. Ja, ich kann es nachvollziehen, wieso das so ist, aber verstehen kann das ein Mensch mit logischem Verstand nicht, und auch ein Jurist nicht, weil hier mehrere Verträge gebrochen werden, wenn das so in Angriff genommen wird.
Aber allein schon diese Aufforderung, diese Überlegungen, und ich hoffe, das wird nicht geschehen. Es wird auch schleichend, allmählich in Angriff genommen werden, und es ist ein, ja, Bruch von Versprechen, von Verträgen, von dem, was auch der Bevölkerung, ich sagte, insbesondere auch der DDR-Bevölkerung im Herzen ist, nämlich die Freundschaft zu russischen Menschen.
Sankin: Aber dazu, ich muss jetzt die Rolle, also sagen wir so, des Gegenparts einnehmen und wichtigste Einwände aufzählen. Was wird vor allem als Kritik genommen? Josef Stalin. Ja, das sind alles, also in der Regel zur Stalin-Zeit oder kurz nach der Stalin-Zeit entstandene Denkmäler mit entsprechender Stilistik und auch Stalin-Zitaten. Und da Stalin auch, ich zitiere, ein Verbrecher war, sollte man das wenigstens in dieser Hinsicht sozusagen einen anderen Kontext setzen und so weiter. Also, können Sie diese Kritikpunkte nachvollziehen?
Bauer: Wir wissen ja, was Josef Wissarionowitsch Stalin geleistet hat im Großen Vaterländischen Krieg, welche Verdienste er hat. Und zu Recht ist, ja, in den letzten Jahren auch, also sagen wir mal, auch DDR-Jahren, auch sowjetischen Jahren, sagen wir mal, die Rolle Stalins richtig, auch besser anders gewürdigt worden als unmittelbar nach dieser berühmt-berüchtigten Chruschtschow-Rede. Und da ist ein Beispiel für mich jetzt mal auch, wie man in China mit Mao Zedong umging, die Geschichte. Die Geschichte ist nun mal so verlaufen, und die muss man dann auch so darstellen, wie sie war. Und mit allen Verdiensten, sicher auch mit Problemen und Schwächen, ja. Also, insoweit ist da vieles, was gewissermaßen auch bei uns, auch im Herzen geblieben ist, auch an Sympathie, an Verständnis, auch für Stalin.
Sankin: Ein anderer Punkt ist das vorherrschende Geschichtsnarrativ. Es gibt außer ehemaligen DDR-Bürgern jetzt Bürger der BRD, die in der Mehrheit sind, und hier pflegt man ein anderes Geschichtsbild, ein anderes Narrativ, und dann kann man sagen, ja, die Minderheit hat sich zu fügen. Merken Sie das?
Bauer: Ja, wissen Sie, eine Minderheit kann man manipulieren, eine Mehrheit kann man auch manipulieren. Und es kommt auch darauf an, wie man ein Geschichtsbild vermittelt, auch über die EU, sodass die Menschen zum Teil gar nicht wissen, was ist denn nun die historische Wahrheit. Es geht ja um historische Wahrheit. Und diese historische Wahrheit wird völlig, ja, verschleiert, verdreht, verfälscht oder gar nicht genannt. Und insoweit ist natürlich allein die Tatsache, dass viele Menschen der Meinung sind, ja gut, die Sowjetischen Ehrenmale müssen umgewidmet oder vernichtet werden, ja, ist das das Ergebnis schon einer schlimmen Politik in Deutschland, die nämlich Feindschaft und Krieg gegen Russland predigt. Also, das ist nicht nur moralisch falsch, sondern auch juristisch ist das nicht haltbar.
Und historisch gesehen, also schon gleich gar nicht, ja. Und da denken wir vor allen Dingen, und ich denke, bin überzeugt, auch viele Menschen in Deutschland, ohne dass sie das auch immer aussprechen, ja, dass gerade die Sowjetunion mit den 27 Millionen Toten, also das muss Gegenwart bleiben. Das muss Warnung auch für die Zukunft sein.
Vor allen Dingen, wo es jetzt geht, Krieg gegen Russland vorbereiten. So ein Wahnsinn, ein Unsinn und dagegen müssen wir Widerstand leisten. Auch juristisch. Gut, die Welt bewegt sich nicht nur nach juristischen Gesetzen. Denn juristische Gesetze werden so gemacht, auch wie man sie braucht, ja. Die Wahrheit setzt sich nicht über juristische Gesetze durch, sondern eigentlich durch Verstand, durch Vernunft der Menschen. Und diese Vernunft ist bei den deutschen Politikern, nicht nur bei den deutschen, auch bei vielen EU-Politikern im Moment ja völlig dahin.
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